Rz. 40

Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung handelt es sich vorrangig um eine genossenschaftlich organisierte Selbsthilfe der Unternehmer. Dies rechtfertigt besondere Regelungen, die keine Auswirkungen auf die anderen Bereiche der gesetzlichen Unfallversicherung entfalten, vgl. BT-Drs. 16/6984, Begründung zu Art. 1 Nr. 2 (§ 4b) S. 14.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 sind Personen pflichtversichert, die "wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte", d. h. wie Beschäftigte, tätig werden. Der Versicherungsschutz hat gegenüber Abs. 1 grundsätzlich subsidiären Charakter. Nach allgemeiner Auffassung hat die Regelung keine "Auffangfunktion" mit dem Ziel einer allgemeinen Volksversicherung; sie dient auch nicht dazu, in Einzelfällen Versicherungsschutz aus Billigkeitserwägungen zu schaffen. Die Versicherten werden vielmehr aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen den eigentlich Beschäftigten gleichgestellt; das fremdnützige arbeitnehmerähnliche Handeln rechtfertigt die Haftung des Unternehmers.

 

Rz. 41

Bloße Gefälligkeiten sind zwar nach der Rechtsprechung unversichert. Dieses Abgrenzungsmerkmal bereitet aber insbesondere in Familienbetrieben, wie sie typischerweise in der Landwirtschaft vorzufinden sind, Probleme. Eine Unterscheidung zwischen einer Arbeit von wirtschaftlichem Wert im Rechtssinn und einer Gefälligkeitsleistung ist nach objektiven Kriterien schwierig. Dies auch deshalb, weil es aufgrund der vielschichtigen Sachverhalte keine allgemein gültigen Anhaltspunkte gibt, wann Gefälligkeit und Hilfsbereitschaft deutlich im Vordergrund stehen, die Tätigkeit also nicht von jener Art ist, wie sie typischerweise von Arbeitnehmern ausgeübt wird, vgl. BT-Drs. 16/6984, Begründung zu Art. 1 Nr. 2 (§ 4b) S. 14.

 

Rz. 42

Bei einer gerade in landwirtschaftlichen Familienbetrieben sehr häufig vorkommenden Fallgestaltung ist eine Typisierung jedoch möglich. Mit dem Bezug einer Rente wegen Alters scheiden Personen üblicherweise aus dem Erwerbsleben aus. Dies ist auch grundsätzlich in der Landwirtschaft der Fall, zumal bei landwirtschaftlichen Unternehmern wegen der Hofabgabeverpflichtung als Leistungsvoraussetzung der Bezug einer Rente aus der Alterssicherung der Landwirte regelmäßig mit der Einstellung der beruflichen Tätigkeit verbunden ist. Die Hofabgabeverpflichtung bezieht sich allerdings nur auf die Unternehmerstellung, sie hindert die sog. Altenteiler nicht daran, innerhalb der Familie weiterhin im Betrieb betriebsdienliche Tätigkeiten zu verrichten. Dies geschieht allerdings nicht in der Art eines Arbeitsverhältnisses, sondern aus Gefälligkeit und Hilfsbereitschaft. Sie werden damit nicht wie Beschäftigte tätig. Wer in einer solchen Weise tätig wird, bedarf unter Berücksichtigung der Besonderheiten in der Landwirtschaft nicht des Schutzes der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Rz. 43

Durch die Versicherungsfreiheit der in dieser Weise im Unternehmen tätigen Altenteiler kommt das Haftungsprivileg des § 104 nicht zum Tragen. Mit dieser Regelung wird in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich die Haftung des Unternehmers oder der anderen Arbeitnehmer für Personenschäden durch die Leistungspflicht der gesetzlichen Unfallversicherung ersetzt. An die Stelle der unter Umständen schwer nachweisbaren und durchsetzbaren Eintrittspflicht des Unternehmers nach zivilem Schadensersatzrecht treten die Leistungen des Unfallversicherungsträgers. Bei Leistungen aus Gefälligkeit oder Hilfsbereitschaft innerhalb der Familie erscheint diese Ablösung der Unternehmerhaftung nicht notwendig, weil kein fremdnütziges, arbeitnehmerähnliches Handeln vorliegt. Auch das sog. Friedensargument – es sollen gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vermieden werden – hat für diesen Personenkreis nicht die Bedeutung wie bei Beschäftigten. Vermehrte zivilrechtliche Auseinandersetzungen innerhalb der Familie sind durch die Änderung nicht zu erwarten, weil hierfür – anders als beim Eintreten der gesetzlichen Unfallversicherung – der Unfall vom Unternehmer verschuldet sein muss, damit er schadensersatzpflichtig gemacht werden kann. Dies gilt nicht nur für unmittelbar vom Verletzten gegen den Unternehmer geltend gemachte Ansprüche, sondern auch für solche etwa einer Krankenkasse, vgl. BT-Drs. 16/6984, Begründung zu Art. 1 Nr. 2 (§ 4b) S. 14.

 

Rz. 44

Gesetzeszweck der Regelung ist es zum einen, die Abgrenzung des Versicherungsschutzes zu vereinfachen, und zum anderen, den erneuten Aufbau eines Bestands an Renten, insbesondere älterer Rentenempfänger zu vermeiden, welche erst jüngst erfolgreich und mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden abgefunden wurden, vgl. BT-Drs. 16/6984, Begründung zu Art. 1 Nr. 2 (§ 4b) S. 14.

Von der Regelung unberührt bleibt der Versicherungsschutz für Tätigkeiten nach anderen Vorschriften des § 2 (z. B. als selbständiger Landwirt oder im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses).

 

Rz. 45

Versicherungsfrei sind die in § 2 Abs. 4 genannten Familienangehörigen des Unternehmers, der ein Unte...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge