Rz. 3

Verfassungsrechtlich geboten ist jeweils das Vorliegen eines sachlichen Grundes für den Stichtag, von dem an die jeweilige Berufskrankheit rückwirkend anerkannt werden kann. Dies gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Eine unbeschränkte Rückwirkung wirft Ermittlungs- und Beweisprobleme auf, da auf weit zurückliegende Sachverhalte abzustellen wäre. Weiter spricht der Gesichtspunkt der sachgerechten Zurechnung von Risiken gegen eine unbeschränkte Rückwirkung. Denn die gesetzliche Unfallversicherung wurde unter der Herrschaft der RVO und wird nach dem geltenden SGB VII von dem Listenprinzip geprägt. Danach erstreckt sich der Versicherungsschutz grundsätzlich nicht auf jede beruflich verursachte Krankheit, sondern nur auf solche, die als Berufskrankheiten in die BKV (früher BKVO) listenmäßig aufgenommen sind. Solange aber das "Ob" und "Wie" der beruflichen Verursachung bestimmter Erkrankungen nicht bekannt ist, sind regelmäßig weder den Unternehmern (gezielte) Präventionsmaßnahmen möglich noch kann der Versicherte, ohne dass neue berufskrankheitsreife medizinische Erkenntnisse vorliegen, damit rechnen, insoweit versichert zu sein. Es bedarf besonderer Gründe, um die Unternehmer, die die gesetzliche Unfallversicherung allein finanzieren, unbeschränkt mit Entschädigungskosten für Krankheiten der Versicherten zu belasten, die aufgrund berufsbedingter schädigender Einwirkungen lange vor Inkrafttreten der BKV aufgetreten sind (BSG, Urteil v. 30.9.1999, B 8 KN 5/98 U R; Urteil v. 13.6.2006, B 8 KN 3/05 R; BVerfG, Beschluss v. 30.3.2007, 1 BvR 3144/06).

 

Rz. 4

Allerdings muss der Rückwirkungszeitraum ausreichend weit in die Vergangenheit reichen. Dem wird grundsätzlich dadurch Rechnung getragen, dass auf den Zeitpunkt abgestellt wird, an dem die letzte Änderungsverordnung erlassen worden ist, mit der neue Berufskrankheiten in die Verordnung aufgenommen worden sind. Diese Ausgestaltung haben das BVerfG (BVerfG, Beschluss v. 30.3.2007, 1 BvR 3144/06) und das BSG (Urteil v. 27.6.2006, B 2 U 5/05 R) bestätigt.

 

Rz. 5

Im Rahmen des pflichtgemäßen Beurteilungsermessens hat der Verordnungsgeber seine Entscheidung zu überprüfen und soweit erforderlich zu korrigieren. Nur so kann er den Einschätzungs- und Prognosespielraum sachgerecht ausschöpfen. Ausgehend vom Ergebnis der Überprüfung ist der Rückwirkungszeitraum zu bemessen.

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