Rz. 11

Durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter in geschützten Einrichtungen (SVBG) v. 7.5.1975 (BGBl. I S. 1061), in Kraft ab 1.7.1975, wurde in der Bundesrepublik Deutschland – ohne das Beitrittsgebiet – eine Versicherungspflicht für behinderte Menschen eingeführt, die in einer nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) oder dem Blindenwarenvertriebsgesetz (BliWaG) anerkannten Werkstatt für Behinderte beschäftigt waren. Die Versicherungspflicht nach dem SVBG konnte außerdem auf Behinderte ausgedehnt werden, die in sonstigen Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen für BehinderteLeistungen erbrachten, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entsprachen.

 

Rz. 12

Die nach dem SVBG eingeführte Versicherungspflicht für Behinderte wurde mit Wirkungzum1.1.1992 ins SGB VI übernommen (§ 1 Satz 1 Nr. 2).

Die Einbeziehung von behinderten Menschen in den rentenversicherungspflichtigen Personenkreis dient in erster Linie dem Aufbau eigenständiger Rentenansprüche; gleichzeitig wird dadurch eine Entlastung der Sozialhilfeträger erreicht.

Mit dem Inkrafttreten des SVBG am 1.7.1975 wurden auch die in der Reichsversicherungsordnung, im Angestelltenversicherungsgesetz und im Reichsknappschaftsgesetz vorhandenen wartezeitlichen Regelungen für die Bewilligung von Renten wegen voller Erwerbsminderung erweitert. Neben der im Regelfall erforderlichen allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren (= 60 Kalendermonaten gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1) mit Beitrags- und Ersatzzeiten vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung wurde eine zweite alternative Möglichkeit der Wartezeiterfüllung geschaffen, die sich seit dem 1.1.1992 aus § 43Abs. 6 ergibt. Danach haben Versicherte, die bereits vor Erfüllung der Wartezeit von 5 Jahren voll erwerbsgemindert waren und seit dem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie insgesamt 20 Jahre (= 240 Kalendermonate gemäß § 122 Abs. 2 Satz 1) mit Beitrags- und Ersatzzeiten (§ 51 Abs. 1 und 4) nachweisen. Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen, wie sie in § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung grundsätzlich verlangt werden, sind entbehrlich, wenn der Rentenanspruch auf der für den vorgenannten Personenkreis maßgebenden spezielleren Regelung des § 43 Abs. 6 beruht.

 

Rz. 13

Da sich der Geltungsbereich des Gesetzes über die Sozialversicherung behinderter Menschen in geschützten Einrichtungen und die damit verbundene Rentenversicherungspflicht von Behinderten nicht auf das Gebiet der ehemaligen DDR erstreckte, wird die Zeit vom 1.7.1975 bis zum 31.12.1991bei Vorliegen derVoraussetzungen des § 248 Abs. 2 als fiktive Pflichtbeitragszeit i. S. v. § 55 Abs. 1 Satz 2 anerkannt, die den Bundesgebiets-Beitragszeiten gleichgestellt ist.

Nach § 248 Abs. 2 ergibt sich für die Zeit vom 1.7.1975 bis zum 31.12.1991 eine Beitragsfiktion, wenn ein Versicherter

  • bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert war und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert ist,
  • sein 16. Lebensjahr in dem Zeitraum, für den fiktive Beitragszeiten nach Abs. 2 in Betracht kommen, bereits vollendet und
  • seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatte.
 

Rz. 14

Eine Pflichtbeitragszeit für Zeiten der vollen Erwerbsminderung kann nach dem eindeutigen Wortlaut des § 248 Abs. 2 nur entstehen, wenn die volle Erwerbsminderung bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von 5 Jahren eingetreten ist und seitdem ununterbrochen bestanden hat. Bei der Prüfung, ob ein Versicherter bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert gewesen ist, sind auch die Vorschriften über die vorzeitige Wartezeiterfüllung (§§ 53, 245) zu beachten. Endzeitpunkt für die Prüfung, ob ununterbrochen volle Erwerbsminderung bestanden hat, kann nur der Beginn der jeweils begehrten Rente sein. Dauerte die volle Erwerbsminderung nicht bis zum Beginn der SGB VI-Rente an, ist die gesamte Zeit, in der die Erwerbsminderung vorgelegen hat, nicht als Beitragszeit nach § 248 Abs. 2 anzuerkennen.

 

Rz. 15

Soweit im Beitrittsgebiet eine Invalidenrente bezogen worden ist, kann volle Erwerbsminderung grundsätzlich für die gesamte Dauer des Bezuges angenommen werden, weil die Leistungsvoraussetzungen für eine Invalidenrente in der ehemaligen DDR eine so erhebliche Einschränkung des Leistungsvermögens eines Versicherten vorausgesetzt hatte, dass die Invalidität der vollen Erwerbsminderung i. S. d. § 43 Abs. 2 Satz 2 gleichzusetzen ist. Bei Bezug einer Invalidenrente im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 1.7.1975 bis zum 31.12.1991 dürfte daher eine Pflichtbeitragszeit i. S. d. § 248 Abs. 2 ohne weitere medizinische Begutachtung anzuerkennen sein. Im Übrigen ist auf der Grundlage der vorhandenen ärztlichen Atteste, einer Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Rentenversicherungsträger und ggf. einer ärztlichen Begutachtung durch einen Sozialmedizinischen Dienst f...

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