Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Unterbrechung der Verjährung durch Verwaltungsakt. Vorliegen eines Verwaltungsakts zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers. Verjährung des rechtskräftigen Anspruchs. Verjährungsfrist von 30 Jahren. Rückzahlung eines Darlehens. Unanfechtbarkeit

 

Orientierungssatz

Ein zur Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassener Verwaltungsakt iS des § 52 Abs 1 SGB 10 aF ist ein Verwaltungsakt, der den Verpflichteten erstmals zur Leistungserbringung auffordert oder im Vollstreckungsverfahren zur Durchsetzung des Anspruchs dient. Auch Festsetzungs- und Leistungsbescheide sowie Feststellungsbescheide, mit denen eine Leistung festgestellt bzw festgesetzt wird, erfolgen zur Durchsetzung des Anspruchs und haben damit verjährungsunterbrechende Wirkung.

 

Normenkette

SGB X a.F. § 52 Abs. 2; BGB a.F. § 218; SGG § 55 Abs. 1; ZPO § 767

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. März 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Der 1954 geborene Kläger beantragte bei dem Beklagten erstmals unter dem 2. Februar 1994 nach der Emigration aus der damaligen Sowjetunion die Gewährung von Leistungen nach dem BSHG für sich, seine Ehefrau und den gemeinsamen Sohn.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1994 wurden dem Kläger und seiner Familie, denen zwischenzeitlich die Rechtsstellung von Kontingentflüchtlingen bescheinigt wurde, erstmals Leistungen nach dem BSHG ab dem Monat März 1994 erbracht. Weitere Bewilligungen auch über die Gewährung verschiedener einmaliger Beihilfen folgten.

Mit Schreiben vom 18. Januar 1995 teilte die gemeinnützige Baugenossenschaft XY. eG dem Kläger mit, dass sie bereit sei, die im Rubrum benannte Wohnung ab dem 1. März 1995 an diesen zu vermieten. Vor Abschluss des Dauernutzungsvertrages seien von dem Kläger 21 Geschäftsanteile (6.300,00 DM) sowie das Eintrittsgeld in Höhe von 150,00 DM (insgesamt: 6.450,00 DM) einzuzahlen, deren Übernahme der Kläger bei dem Beklagten beantragte. Mit Schreiben vom 2. Februar 1995 teilte der Beklagte der Vermieterin mit, dass er der Übernahme der Geschäftsanteile zugestimmt habe und den Betrag in Höhe von 6.300,00 DM überweisen werde, sobald die dem Schreiben als Anlage beigefügte Vereinbarung unterschrieben zurückgeschickt werde, was dann auch am 12. Februar 1995 geschah. Darin verpflichtete sich die Vermieterin, im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses mit der Familie des Klägers, die erbrachten Geschäftsanteile ausschließlich an den Beklagten zurückzuerstatten.

Mit Bewilligungsbescheid vom 17. März 1995 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Familie auf seinen Antrag hin die Übernahme der Geschäftsanteile in Höhe von 6.300,00 DM (= 3.221,14 Euro) als Darlehen nach dem BSHG und wies darauf hin, dass die Kaution direkt an den Vermieter überwiesen worden sei. Zudem war im Bescheid ausgeführt:

“Den bewilligten Betrag in Höhe von 6.300,00 DM Geschäftsanteile haben Sie in monatlichen Raten von 250,-- DM, erstmals ab Beginn einer Erwerbstätigkeit unter Angabe unseres Kassenzeichens xxx1 und des Vermerks “Sicherheitsleistung A.„ auf eins der angegebenen Konten zu überweisen.„

Dieser Bescheid, der mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ist bestandskräftig geworden.

In den Folgejahren gewährte der Beklagte weiterhin Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG an den Kläger und seine Familie. Nachdem bei dem Kläger durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum 1. Oktober 2000 die Hilfebedürftigkeit weggefallen war, wurde die Leistungsgewährung eingestellt.

Über 6 Jahre später, mit Schreiben vom 31. Januar 2007, forderte der Beklagte den Kläger auf, den noch offenen Betrag gemäß dem Darlehensbescheid vom 17. März 1995 nunmehr zurückzuzahlen bzw. sich zur Klärung der Rückzahlungsmodalitäten mit ihm in Verbindung zu setzen. Hierauf reagierte der Kläger mit Schreiben vom 5. Februar 2007 und dem Hinweis, dass seiner Auffassung nach der Darlehensrückforderungsanspruch verjährt sei. Nachdem der Beklagte dieser Rechtsauffassung unter Verweis auf die Vorschriften der §§ 50, 52 SGB X entgegen getreten ist, hat der Kläger am 11. Januar 2008 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage auf Feststellung erhoben, dass der Darlehensrückforderungsanspruch vom 17. März 1995 in Höhe von 3.221,14 Euro verjährt sei. Bereits der Darlehensbewilligungsbescheid vom 17. März 1995 beinhalte die Rückzahlungsmodalitäten (ab Beginn einer Erwerbstätigkeit) und damit den Zeitpunkt der Fälligkeit des Darlehens und damit den Beginn der Verjährung (hier mit dem Ende des Jahres 2000). Angesichts der ab dem 1. Januar 2002 neu geregelten Verjährungsfrist von 3 Jahren sei der Rückforderungsanspruch somit län...

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