Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. sachgerechte sozialmedizinische Beurteilung von Schmerzerkrankungen

 

Orientierungssatz

1. Zur sachgerechten sozialmedizinischen Beurteilung von Schmerzerkrankungen.

2. Eine manifeste psychiatrische Erkrankung iS einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ist in aller Regel der Beeinflussung durch die Willenskraft des Betroffenen entzogen.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Januar 2014 geändert.

Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 1. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2011 verurteilt, dem Kläger unter Zugrundelegung eines am 21. Februar 2017 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit ab dem 1. März 2017 Rente wegen voller Erwerbsminderung in gesetzlicher Höhe auf Dauer zu gewähren.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten in beiden Instanzen zu 2/3 zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit streitig.

Der 1966 geborene Kläger, der keine abgeschlossene Berufsausbildung absolviert hat, war bis zum Eintritt eines Arbeitsunfalles am 16. April 2008 als Lagerist und Staplerfahrer tätig. Vom 29. Mai 2008 bis zum 13. Oktober 2009 bezog er Krankengeld. Im Anschluss hieran bezog er bis zum 12. Oktober 2010 Arbeitslosengeld.

Dem aktenkundigen Versicherungsverlauf des Klägers ist zu entnehmen, dass er unter anderem zuletzt vom 1. Januar 2007 bis 31. Oktober 2010 Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt hat. Später zurückgelegte Zeiten sind im Versicherungsverlauf des Klägers nicht enthalten.

Der Kläger erlitt am 16. April 2008 einen Unfall im Rahmen einer betrieblichen Übung, bei dem er sich Verletzungen an der Wirbelsäule zuzog. Die Berufsgenossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie lehnte das Vorliegen eines Arbeitsunfalles und die Feststellung von Entschädigungsleistungen mit Bescheid vom 15. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2010 ab. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (S 8 U 96/12) endete durch Vergleich vom 14. September 2017 dergestalt, dass die Berufsgenossenschaft eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung des Klägers als Folge des Arbeitsunfalles vom 16. April 2008, eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis zum 15. April 2009 sowie einen Anspruch des Klägers auf Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 ab dem 16. April 2009 bzw. von 30 ab dem 16. April 2010 anerkannte.

Im Zeitraum vom 31. März 2009 bis zum 20. April 2009 führte der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme in der W. Klinik Bad H., Abteilung für Innere Medizin, durch. Nach den Angaben im Reha-Entlassungsbericht vom 23. April 2009 war der Kläger unter Zugrundelegung der Diagnosen

1. muskuläre Dysbalance und Bewegungs-/Belastungsschmerz bei Zustand nach dorsoventraler Stabilisierung mittels Beckenkammspan bei traumatischer L1-Fraktur 04/08,

2. Osteoporose,

3. medikamentös kompensierte arterielle Hypertonie und bekanntes WPW- Syndrom mit operativer Intervention 2004,

4. diabetische Stoffwechsellage, nicht medikamentenpflichtig, ED 2006,

5. Asthma bronchiale,

als Staplerfahrer unter drei Stunden täglich, für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung von Einschränkungen (keine länger andauernden Zwangshaltungen für die Wirbelsäule, kein häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne technische Hilfsmittel, keine häufige Überkopfarbeit) sechs Stunden und mehr leistungsfähig.

Am 16. August 2010 beantragte der Kläger die Gewährung eine Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Zur Begründung gab er an, dass er seit dem Unfall im April 2008 weder lange Sitzen, Stehen noch Laufen könne. Da gegen die Schmerzen nicht einmal Morphium helfe, sei er nicht in der Lage zu arbeiten.

Es gelangten verschiedene medizinische Befundunterlagen zur Akte, insbesondere der Bericht der Städtischen Kliniken F.-H., Abteilung für Unfallchirurgie und Sporttraumatologie, vom 29. April 2008, wonach sich der Kläger dort nach dem erlittenen Unfall vom 16. April 2008 bis zum 29. April 2008 in stationärer Behandlung befand. Die festgestellte LWK1-Fraktur wurde operativ versorgt. Des Weiteren gelangte ein ärztliches Attest des Dr. med. E. - Facharzt für Orthopädie - vom 11. August 2010 zur Akte, der von einem chronischen schmerzhaften Wirbelsäulensyndrom bei Zustand nach dorsal-ventraler Spondylodese TH12 – L2 sowie einer Osteoporose berichtete und den Kläger nicht für in der Lage hielt, einer geregelten täglichen Arbeit nachzugehen. Hiervon ging auch Dr. med. F. - Fachärztin für Allgemeinmedizin - in ihrer Bescheinigung vom 23. Juli 2010 aus. Nach ihrer Einschätzung führten einfache und leichte Arbeiten schon nach 40 bis 60 Minuten zu unerträglichen Schmerzen, so da...

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