Entscheidungsstichwort (Thema)

Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute. Besitzschutzregelung. Anspruchskonkurrenz. Beitrittsgebiet. Widerlegung der Vermutung. Ausweis für Arbeit und Sozialversicherungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beantragt der Versicherte, der bereits eine unbefristete Bergmannsvollrente nach § 2 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) bezieht, eine Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute gemäß § 40 SGB 6, findet die Besitzschutzregelung des § 88 SGB 6 keine Anwendung. Im Fall der so genannten Anspruchskonkurrenz zwischen verschiedenen Stammrechten auf Rente ist ausschließlich § 89 SGB 6 einschlägige Rechtsnorm, die keine vergleichbare Besitzschutzregelung enthält.

2. Die Vermutungsregel des § 286c SGB 6 gilt auch für Untertage-Tätigkeiten im Beitrittsgebiet nach § 254a SGB 6.

3. Der Ausweis für Arbeit und Sozialversicherungen nach § 12 Abs 1 Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO - SozPflVV) vom 17.11.1977 (GBl DDR I 1977, 373) - genügt den Anforderungen des § 286c SGB 6, wenn dort sowohl Arbeitszeiten als auch Arbeitsentgelt angegeben werden.

4. Die Widerlegung der Vermutung nach § 286c SGB 6 setzt den Vollbeweis der Unrichtigkeit der vermuteten Tatsache voraus.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28. August 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) hat.

Der 1946 geborene Kläger ist Übersiedler aus dem Beitrittsgebiet. Seit dem 1. September 1996 erhält er eine sog. Bergmannsvollrente gemäß Übergangsrecht nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes in Höhe von 979,00 DM pro Monat. Der Versicherungsverlauf in Anlage 2 zum Bewilligungsbescheid vom 25. September 1996 enthielt Pflichtbeitragszeiten für die knappschaftliche Rentenversicherung der Arbeiter im Beitrittsgebiet durchgehend vom 1. September 1963 bis zum 2. Mai 1966, sodann Pflichtbeiträge für Wehr-/Zivildienst vom 3. Mai 1966 bis zum 26. Oktober 1966, anschließend wiederum Pflichtbeiträge in der knappschaftlichen Rentenversicherung der Arbeiter durchgehend vom 2. November 1967 bis zum 31. Juli 1990. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheides lag der Beklagten vor ein Schreiben der Gesellschaft zur Verwahrung und Verwertung von Stillgelegten Bergwerksbetrieben MBH (GVV) vom 11. Juni 1996 (Bl. 68 Beklagtenakte), demzufolge der Kläger vom 1. September 1963 bis zum 28. Februar 1966 als “Grubenelektroschlosser/Leh„, vom 1. März 1966 bis zum 31. Mai 1968 als “Grubenelektroschlosser„ und vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 als “Elektroschlosser für Transp.F.„ tätig war. Ferner lag vor ein Schreiben des VEB M. vom 14. Dezember 1976 (Bl 1 Beklagtenakte) sowie der Ausweis für Arbeit und Soziales in Kopie (Bl. 59 ff. Beklagtenakte).

Mit Schreiben vom 28. Juni 1999 bat die Beklagte die C. um die Klärung widersprüchlicher Angaben, weil zum einen ausweislich der Arbeitgeberbescheinigung vom 21. Juni 1990 (“Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung„) der Kläger im Zeitraum vom 1. März 1966 bis zum 2. Mai 1966 und vom 2. November 1967 bis zum 15. Februar 1972 unter Tage beschäftigt gewesen sei, laut einer jüngeren Bescheinigung der GVV er aber in der Zeit vom 1. Januar 1966 bis zum 30. April 1966 und vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 als Elektroschlosser über Tage tätig gewesen sei. Mit Schreiben vom 15. Juli 1999 teilte die C. sodann mit, dass im Interesse einer Vereinheitlichung der Verfahrensweise für Grubenschlosserlehrlinge mit zweieinhalb Jahren Lehrzeit auf Empfehlung des Zentralvorstandes der IG Bergbau/Energie zwei Jahre als Untertagetätigkeit bescheinigt würden. Für den Zeitraum vom 1. Juni 1968 bis 11. Oktober 1970 liege eine Personalkarte vor, nach der für diesen Zeitraum eine Übertage-Tätigkeit als Elektroschlosser für Transport und Förderanlagen vermerkt sei. Weitere Unterlagen, die eine Bestätigung der Untertage-Tätigkeit rechtfertigen würden, seien nicht aufgefunden worden.

Nach entsprechender Anhörung mit Schreiben vom 10. April 2000 nahm die Beklagte mit Bescheid vom 12. Mai 2000 den Bescheid über die Gewährung der Bergmannsvollrente vom 25. September 1996 gemäß § 45 SGB X hinsichtlich der Rentenhöhe zurück und gab hierzu als Begründung an, dass die genannten Zeiten vom 1. Januar 1966 bis zum 2. Mai 1966 sowie vom 1. Juni 1968 bis zum 11. Oktober 1970 keine Untertage- sondern Übertage-Beschäftigungen gewesen seien, weshalb die Bergmannsvollrente niedriger sei. Nach Erhebung des Widerspruchs am 25. Mai 2000 erließ die Beklagte am 10. September 2003 einen Abhilfebescheid nach § 85 Abs. 1...

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