Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschollenheitsrente bei Todeswahrscheinlichkeit

 

Orientierungssatz

Verschwindet ein Mann nach dem Einchecken auf einem ausländischen Flughafen und hat er noch kurz vorher eine Karte an seine Familie geschickt, so kann die Rentenversicherung die Witwenrente nicht mit der Begründung verweigern, der Versicherte sei "ausgestiegen"; zumal wenn nach dem Verschwinden des Mannes seine Schecks mit gefälschten Unterschriften ausgestellt worden sind.

 

Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.10.1991; Aktenzeichen S-10/16/J-1478/90)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 8. Oktober 1991 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt,

1) der Klägerin zu 1) unter Aufhebung des Bescheides vom 17. November 1989 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1990 Witwenrente aus der Versicherung des E. zu gewähren,

2) unter Aufhebung der Bescheide vom 17. November 1989 und 21. November 1989, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 1990, den Klägerinnen zu 2) und 3) Halbwaisenrente aus der Versicherung des E. in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

II. Die Beklagte hat den Klägerinnen die entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen in gesetzlichem Umfang zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen beanspruchen Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des seit 30. September 1988 vermißten E. geb. … 1936.

Die Klägerin zu 1) ist die Ehefrau, die Klägerinnen zu 2) und 3) sind die Kinder des Versicherten. Die Eheleute lebten getrennt und hatten in diesem Zusammenhang eine gemeinsame Abmachung, insbesondere hinsichtlich der Unterhaltszahlungen des Versicherten an seine Frau bzw. seine Kinder, vom 2. November 1984 getroffen. Der Versicherte war seit 1961 bei der Maschinenfabrik F. als Auslandsmonteur beschäftigt. Er galt als zuverlässiger und sehr erfahrener Mitarbeiter mit weltweiten Einsätzen z.B. in Lybien, China und der UdSSR; er verfügte auch über gewisse Sprachkenntnisse der englischen, französischen und spanischen Sprache. Am 30. Juli 1988 wurde der Versicherte nach Caracas, Venezuela, entsandt, um dort für eine Firma B., eine venezolanische Stoffabrik, eine Maschine einzurichten und in Betrieb zu nehmen; die Rückkehr sollte Ende Oktober 1988 erfolgen. Anfang September 1988 machte der Versicherte einige Tage Urlaub in Trinidad, von wo er am 6. September 1988 nach Caracas zurückkehrte. Am 28. August 1988 aus Caracas und am 4. September 1988 aus Trinidad übersandte er Ansichtskarten an seine aus D. zu Besuch weilende Mutter, die sein Haus in E. hütete; eine weitere Karte vom 4. September 1988 aus Trinidad ging an die Töchter. Der Mutter schrieb er unter dem 4. September 1988, er sei hier (Trinidad) nur für 5 Tage, dann müsse er wieder nach Caracas; er denke, er müsse dort noch bis Ende des Monats (September) bleiben; die letzten 2 Wochen komme noch ein Deutscher.

Nach der Zeugenaussage des Auslandsreisemonteurs D. vom 6. Januar 1989, der im September 1988 ebenfalls bei der Firma B. für seinen Arbeitgeber Maschinen aufstellte und den Kläger kennenlernte, sei in den ersten Wochen alles normal verlaufen. Als er - der Zeuge - nach einem Brasilienaufenthalt den Versicherten in Caracas wiedergesehen habe, sei ihm dieser verändert vorgekommen. Er habe den Eindruck gehabt, der Versicherte habe nicht mehr gewußt, wo er sei. Für ihn sei er “geisteskrank und weggetreten” gewesen. Er habe weder eine Tageszeit gewußt noch sich selbst irgendwie orientieren können. Als er - der Zeuge - am 28. September 1988 nach Hause geflogen sei, sei der Versicherte in Caracas zurückgeblieben, weil er habe sehen wollen, wie seine Anlage laufen würde. In Venezuela habe der Versicherte ihm - dem Zeugen - erklärt, daß er nach Beendigung seiner sonstigen Arbeit in Tobago Urlaub machen werde. Nach den Feststellungen der Deutschen Botschaft in … (Anlage zum Schreiben vom 15. November 1988) hat sich der Versicherte in der letzten Woche seines Aufenthalts in Venezuela auffällig benommen, wirr geredet und ständig Alkohol getrunken. Auf die Aufforderung des Geschäftsführers der Firma B., P. sich zu einer gründlichen ärztlichen Untersuchung nach Deutschland zu begeben, habe der Versicherte erklärt, daß er nicht zurückkehren wolle und vielmehr zurückkäme “um ihn umzubringen”.

Am 30. September 1988 wurde der Versicherte von einem Fahrer der Firma B. zum Flughafen nach Caracas gefahren, von wo er mit einem Flugzeug der Fluggesellschaft A. über Madrid nach … fliegen sollte. Das Gepäck wurde aufgegeben, der Versicherte passierte die Passkontrolle im Flughafengebäude und ist seitdem verschwunden. Das Gepäck ist in … angekommen. Nach Mitteilung der A. ist der Versicherte nicht an Bord der Maschine gegangen. In einem Telex der Firma B. an die Firma F. vom 3. Oktober 1988 heißt es: “P. ist erkrankt, es begann mit mentalen Koordinationsproblemen. Diese Situation hat sich im Laufe der Zeit zugespitzt und wir sahen u...

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