Leitsatz (amtlich)

Das Gericht hat die Frage verneint, ob der Träger eines Kaufhauses, in dem in sehr ländlicher Umgebung Modeartikel, Schmuck, Kosmetika, sog. Accessoires und Spielsachen angeboten werden, als Arbeitgeber verpflichtet ist, eine Verkäuferin zu beschäftigen, die darauf besteht, bei ihrer Tätigkeit aus religiösen Gründen ein Kopftuch zu tragen, obwohl sie mehrere Jahre zuvor ihrer Tätigkeit in westlicher Kleidung nachgegangen ist und daher die von ihrem Arbeitgeber an das äußere Erscheinungsbild des Verkaufspersonals gestellten Anforderungen erfüllt hat.

 

Normenkette

BetrVG § 102 I; KSchG § 1 Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 12, 14

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 13.04.2000; Aktenzeichen 3 Ca 293/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 10.10.2002; Aktenzeichen 2 AZR 472/01)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 13. April 2000 AZ.: – 3 Ca 293/99 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 30.08.1999. die die Beklagte der Klägerin personenbedingt mit Wirkung zum 31.10.1999 (siehe Bl. 49 d.A.) schriftlich ausgesprochen hat (siehe Bl. 13 d.A.). Die davor erklärte außerordentliche Kündigung vom 25.05.1999 (siehe Bl. 5 d.A.) ist nicht mehr im Streit, da die Beklagte sie mit Zustimmung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2000 zurückgenommen hat (siehe Bl. 49 d.A.).

Die am 29.11.1970 geborene Klägerin ist Türkin und Muslima. Sie trat am 01.08.1989 als Auszubildende der Fachrichtung Einzelhandelskauffrau in das Unternehmen der Beklagten ein und wurde dort nach Abschluss der Ausbildung ausschließlich als Verkäuferin beschäftigt. Ob sich die Tätigkeit der Klägerin als Verkäuferin auf die Parfümerieabteilung des Kaufhauses der Beklagten beschränkte (siehe Bl. 19 d.A.) oder zeitweilig auch auf andere Abteilungen erstreckte (siehe Bl. 122 d.A.), ist streitig geblieben.

Die Beklagte betreibt in S. das dort einzig vorhandene Kaufhaus. Dieses hat eine Verkaufsfläche von etwa 9.000 m². Im Verkauf beschäftigt die Beklagte etwa 85 Arbeitnehmer, im Verwaltungsbereich 8. in der Warenannahme 2 und mit Hausmeisteraufgaben 3 Mitarbeiter. Zur Zeit des Zugangs der Kündigung vom 30.08.1999 waren sämtliche Arbeitsplätze besetzt.

Das Warensortiment der Beklagten besteht aus Modeartikeln, sog. Accessoires, Spielsachen, Schmuck und Kosmetika. Lebensmittel werden nicht angeboten. Die Kunden der Beklagten kommen aus der sehr ländlich geprägten (siehe Bl. 39 d.A.) Stadt S. und aus den umliegenden, ebenfalls ländlichen Gemeinden. In der Stadt S. ist der Ausländeranteil der Wohnbevölkerung gering, im Umland nahezu nicht vorhanden. Das Verkaufspersonal der Beklagten ist dazu angehalten, sich bei der Ausübung der Verkaufstätigkeit gepflegt und unauffällig zu kleiden, da das Kaufhaus bestrebt ist, seinen Kunden einen noblen und exklusiven Eindruck zu vermitteln.

Die Klägerin ist seit April 1991 verheiratet. Anlässlich der Geburt und der Erziehung zweier Kinder befand sie sich vom 01.02.1992 bis zum 05.09.1993 und vom 15.04.1996 bis zum 26.05.1999 in Erziehungsurlaub. Bis zum Beginn des zweiten Erziehungsurlaubs ging die Klägerin ihrer Verkaufstätigkeit in westlicher Kleidung nach, die den vorstehend dargestellten Anforderungen der Beklagten entsprach. Anfang Mai 1999 teilte sie der Personalleiterin der Beklagten, der Zeugin M. mit, dass sie sich ihre Tätigkeit als Verkäuferin künftig nur noch mit Kopftuch vorstellen könne. Ihre religiösen Vorstellungen hätten sich gewandelt. Der Islam verbiete es ihr, sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch zu zeigen. Die Zeugin M., ihre Gesprächspartnerin, schloss einen Einsatz der Klägerin im Verkauf mit Kopftuch aus und räumte der Klägerin Bedenkzeit ein. Die Klägerin beharrte jedoch in einem weiteren Gespräch endgültig auf ihrer religiös begründeten Bedingung, obwohl ihr mitgeteilt wurde, dass dann eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses unausweichlich sei, da es aus der Sicht der Beklagten keine Möglichkeit gebe, die Klägerin als Kopftuchträgerin im Verkauf zu beschäftigen. Das von der Klägerin getragene Kopftuch lässt lediglich das Oval ihres Gesichtes sichtbar.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten der zwischen der Klägerin und der Zeugin M. geführten Telefongespräche wird ergänzend auf Bl. 19, 20 d.A. verwiesen.

Vor der Erklärung der Kündigung vom 30.08.1999 hörte die Beklagte – wie aus Bl. 25 d.A. ersichtlich – den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 19.08.1999 an. Der Betriebsrat teilte unter dem 26.08.1999 mit, dass er ordnungsgemäß angehört worden sei und der Kündigung „einstimmig” zustimme (siehe Bl. 26 d.A.).

Gegen die Kündigung vom 30.08.1999 hat sich die Klägerin, die bereits gegen die ursprüngliche Kündigung vom 25.05.1999 geklagt hatte, sodann durch die seit dem 20.09.1999 anhängige (siehe Bl. 11 d.A.) und seit dem 28.09.1999 rechtshängige (siehe Bl. 16 d.A.) Klageerweiterung zu...

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