Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbezahlte Freistellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Arbeitnehmer kann in Fällen von Pflichtenkollision einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung gegen den Arbeitgeber aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Fürsorgepflicht) haben.

2. Maßgeblich kommt es insoweit auf eine sorgfältige Interessenabwägung an, die insbesondere die Dauer der begehrten Freistellung und das Gewicht des geltend gemachten Freistellungsgrundes einerseits und die konkret entgegenstehenden betrieblichen Belange des Arbeitgebers andererseits berücksichtigen muß.

3. Bittet ein Arbeitnehmer aus demgleichen „privaten” Grund innerhalb eines Kalenderjahres erneut um unbezahlte Freistellung, so löst dies nicht nur strengere Anforderungen an sein Freistellungsinteresse aus, er hat auch die Nebenpflicht, dem Arbeitgeber über die betreffenden persönlichen

Gründe und die näheren Umstände auf Verlangen Auskunft zu geben.

Der Arbeitgeber seinerseits muß dann den Arbeitnehmer im einzelnen über die betrieblichen Gründe ins Bild setzen, die einer Freistellung ggfs. entgegenstehen.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 611

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 06.04.1985; Aktenzeichen 1 Ca 691/84)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 06.04.1985 – 1 Ca 691/84 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob die von der Beklagten mit Schreiben vom 29.11.1984, dessen Empfang die Tochter der Klägerin am 29.11.1984 quittiert hat und dessen Inhalt die Klägerin am 5.12.1984 zur Kenntnis nahm, ausgesprochene außerordentliche Kündigung zum 30.11.1984 wirksam war und ferner, ob diese Kündigung in eine ordentliche zum 31.3.1985 umzudeuten ist.

Wegen des hierzu erstinstanzlich vorgetragenen Streitstoffs wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 29–31 d. A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage aus den im einzelnen aus Bl. 31–34 d. A. ersichtlichen Gründen, auf die verwiesen wird, in vollem Umfang stattgegeben.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihr auf Klageabweisung gerichtetes Prozeßziel weiter. Sie meint, das Ersturteil sei „nicht nachvollziehbar”, soweit es die außerordentliche Kündigung nicht anerkannt habe. Es gehe nicht um eine abmahnungspflicht ige Störung im Leistungsbereich, sondern um Arbeitsverweigerung. Bei der Interessenabwägung habe das Arbeitsgericht zu Unrecht nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Klägerin im Jahre 1984 bereits zweimal unbezahlten Sonderurlaub von der Beklagten erhalten hatte. Ferner müßten im Rahmen der Interessenabwägung auch die im Arbeitsverhältnis (nicht nur im Jahre 1984) angefallenen erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten (vgl. deren Aufzählung auf Bl. 42 d. A.) der Klägerin Berücksichtigung finden. Anderenfalls finde nämlich der Gesichtspunkt keine Beachtung, daß der Arbeitgeber aus einem Arbeitsverhältnis eine gewisse Anwesenheit am Arbeitsplatz und Arbeitsleistung erwarten dürfe. Beachtet werden müsse ferner, daß im November/Dezember die Starter-Batterie-Produktion „auf Hochtouren” laufe und jeder Arbeitnehmer gebraucht werde. Jedenfalls müsse die streitige Kündigung in eine ordentliche zum nächstzulässigen Termin umgedeutet werden. Ein unbedingter Trennungswille sei bei der Beklagten gegeben gewesen. Dem stehe auch die Stellungnahme des Betriebsrats (Bl. 8 d. A.) nicht entgegen. Sie sei einer positiven, zustimmenden und abschließenden Stellungnahme gleichzuerachten. Der Betriebsrat der Beklagten pflege Kündigungen nie „zuzustimmen”, auch, wenn er sie für berechtigt halte,

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil teils mit ergänzendem Sachvortrag teils mit Rechtsausführungen. Sie meint, sie sei berechtigt gewesen, ihrem sterbenden Vater die letzte Ehre zu erweisen. Der gesamte Geschehensablauf baue auf einem pflichtwidrigen Verhalten der Beklagten auf. Wenn die Beklagte dem Inhalt des Telegramms vom 24.11.1984 (Bl. 11 d. A.) mißtraute, hätte sie ergänzende Auskünfte von der Klägerin oder ihrem Ehemann erhalten können. Jedenfalls habe die Beklagte auch nicht dargelegt, daß sie aus betrieblichen Gründen berechtigt gewesen sei, der Klägerin den begehrten (unbezahlten) Sonderurlaub zu verweigern. Sie produziere das ganze Jahr über Starter-Batterien.

Das Landesarbeitsgericht hatte den Zeugen E. K. geladen. Dieser hat eine schriftliche Aussage (Bl. 72–74 d. A.) zu den Akten gereicht, mit deren Verwertung als Beweismittel sich die Parteien (unter Verzicht auf eine Vernehmung des Zeugen) ausdrücklich einverstanden erklärt haben (Bl. 75, 76 d. A.). Daraufhin wurde der Zeuge abgeladen (Bl. 76 R d. A.).

Ergänzend wird auf den übrigen im Berufungsverfahren entstandenen Akteninhalt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Berufungsrichter folgen dem Arbeitsgericht im Ergebnis und z. T. auch in den Gründen seiner Entscheidung.

Danach war die streitige Kündigung als au...

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