Entscheidungsstichwort (Thema)

Befreiung von Reisekostenerstattungen an Arbeitnehmer vom Lohnsteuerabzug. Nachweis- und Belegnahmepflicht des Arbeitgebers. Schätzung. Anerkennung von Reisekostenerstattungen als Betriebsausgaben ist für die lohnsteuerlichen Behandlung ohne Bedeutung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Steuerfreie Reisekostenerstattungen an Arbeitnehmer setzen regelmäßig eine Einzelabrechnung sowie eine Belegnahmepflicht voraus. Hierzu müssen Nachweise über die Dauer der Reise, Reiseweg und Höhe der Aufwendungen erbracht werden. Entsprechende Unterlagen müssen als Beleg zu den Lohnkonten genommen werden. Hat der Arbeitgeber dieser Nachweis- und Belegnahmepflicht nicht entsprochen, scheidet die Annahme steuerfreien Reisekostenersatzes i. R. d. Lohnsteuerabzugs aus.

2. Kann dem Steuerpflichtigen ein Nachweis durch Vorlage von Reisekostenabrechnungen ausnahmsweise nicht zugemutet werden, kann es genügen, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lediglich glaubhaft zu machen.

3. Selbst wenn feststeht, dass seitens der Arbeitnehmer unstreitig Reisekostenaufwand angefallen ist und die hierfür geleisteten Zahlungen unterhalb der gesetzlich zulässigen Kilometerpauschalen lagen, stehen die Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens einer Schätzung steuerfreier Reisekostenerstattungen entgegen, wenn der Arbeitgeber den Nachweisanforderungen nicht genügt hat und die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Nachweispflicht nicht vorliegen.

4. Die Frage, in welcher Höhe Fahrtkosten als Betriebsausgaben abgezogen werden können, ist ohne Bedeutung für die Frage, ob hiervon Lohnsteuer einzubehalten ist. Durch die Anerkennung von Fahrtkostenerstattungen als Betriebsausgaben ist das FA daher nicht nach Treu und Glauben verpflichtet, Erstattungen in nämlicher Höhe vom Lohnsteuerabzug freizustellen.

 

Normenkette

EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 39b Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 3 Nr. 16, § 41 Abs. 1 S. 3; LStDV §§ 2, 4 Abs. 2 Nr. 4; AO § 145 Abs. 1, § 162

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, welches für andere Unternehmen Dienstleistungen im EDV-Bereich erbringt. Hierzu bedient sie sich der Mitwirkung angestellter Mitarbeiter. Im Streitzeitraum beschäftigte die Klägerin sieben Festangestellte und zwei Aushilfskräfte. Diese wurden bei den Auftraggebern (etwa bei der Firma B in L. und der Firma D in R.) eingesetzt.

Bei der Klägerin fand im ersten Halbjahr 2012 eine Lohnsteuer-Außenprüfung statt, welche den Zeitraum 2008 bis 2011 umfasste. Ausweislich des Prüfungsberichtes vom 1. August 2012 (Ap, Bl. 96 ff.) hatte die Klägerin ihren Arbeitnehmern Reisekostenerstattungen steuerfrei geleistet. Der Prüfer stellte nach Anhörung der Arbeitnehmer fest, dass die den erklärten „Fahrtkostenerstattungen” zugrundeliegenden Unterlagen von der Klägerin selbst erstellt und Fahrtkosten nicht in dem ausgewiesenen Umfang an die Arbeitnehmer ausgezahlt worden waren. Der Prüfer sah die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit der erstatteten Fahrtkosten nicht als gegeben an, da die Nachweise nicht den steuerlichen Vorgaben entsprochen hätten. Er gelangte zu dem Ergebnis, die Hälfte des Fahrtkostenersatzes in den einzelnen Prüfungsjahren als Betriebsausgaben anzuerkennen und diese Beträge einer pauschalen Nachversteuerung zuzuführen (Ap, Bl. 99).

Der Beklagte erließ auf dieser Basis am 20. September 2012 (Rbh, Bl. 7) einen Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 über insgesamt 23.674,65 EUR. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 Einspruch ein (LSt, Bl. 24).

Nachdem die Klägerin im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für 2010 und 2011 die Höhe der den Arbeitnehmern erstatteten Fahrtkosten ermittelt und belegt hatte (ESt, Bl. 91 und GewSt, Bl. 65f.), ergingen Bescheide über Einkommensteuer für 2010 und 2011, in denen Betriebsausgaben in entsprechender Höhe anerkannt wurden (ESt, Bl. 115 ff. und 157 ff). Zudem erließ der Beklagte am 20. August 2013 – gestützt auf § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO – einen geänderten Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 über insgesamt 23.931,23 EUR (Rbh, Bl. 8 und LSt, Bl. 44 ff.). In den Erläuterungen zu diesem Bescheid heißt es „Hierdurch erledigt sich Ihr Einspruch vom 19.10.2012”. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 20. September 2013 erneut Einspruch ein (Rbh, Bl. 3).

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2014 (Rbh, Bl. 10 ff.) wies der Beklagter den Einspruch vom 20. September 2013 als unbegründet zurück.

Am 4. März 2014 hat die Klägerin Klage erhoben (Bl. 1). Sie beantragt,

den Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 vom 20. August 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2014 aufzuheb...

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