Entscheidungsstichwort (Thema)

Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht. Arbeitsvertrag. Mangels Rechtswahl anwendbares Recht. Recht des Landes, in dem der Arbeitnehmer ‚gewöhnlich seine Arbeit verrichtet’. Vertrag, der engere Verbindungen zu einem anderen Mitgliedstaat aufweist

 

Beteiligte

Schlecker

Anton Schlecker, im Namen der „Firma Anton Schlecker”

Melitta Josefa Boedeker

 

Tenor

Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom, ist dahin auszulegen, dass auch dann, wenn ein Arbeitnehmer die Arbeit in Erfüllung des Arbeitsvertrags gewöhnlich, dauerhaft und ununterbrochen in ein- und demselben Staat verrichtet, das nationale Gericht das in diesem Land anwendbare Recht gemäß dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung ausschließen kann, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass eine engere Verbindung zwischen diesem Vertrag und einem anderen Land besteht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach dem Ersten Protokoll vom 19. Dezember 1988 betreffend die Auslegung des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 3. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Februar 2012, in dem Verfahren

Anton Schlecker, im Namen der „Firma Anton Schlecker”,

gegen

Melitta Josefa Boedeker

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič sowie der Richter E. Jarašiūnas und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters C. G. Fernlund,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau M. J. Boedeker, vertreten durch R. de Lange, advocaat,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. April 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, aufgelegt zur Unterzeichnung am 19. Juni 1980 in Rom (ABl. 1980, L 266, S. 1, im Folgenden: Übereinkommen von Rom).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A. Schlecker im Namen der „Firma Anton Schlecker” (im Folgenden: Schlecker), einer Gesellschaft mit Sitz in Ehingen (Deutschland), und Frau Boedeker, die in Mülheim an der Ruhr (Deutschland) wohnt und in den Niederlanden arbeitet, über die einseitige Änderung des Arbeitsorts durch den Arbeitgeber und in diesem Zusammenhang über das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen von Rom

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 des Übereinkommens von Rom bestimmt:

„Der Vertrag unterliegt dem von den Parteien gewählten Recht. Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben. Die Parteien können die Rechtswahl für ihren ganzen Vertrag oder nur für einen Teil desselben treffen.”

Rz. 4

Art. 6 („Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen”) dieses Übereinkommens sieht vor:

„(1) Ungeachtet des Artikels 3 darf in Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Absatz 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.

(2) Abweichend von Artikel 4 sind mangels einer Rechtswahl nach Artikel 3 auf Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse anzuwenden:

  1. das Recht des Staates, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder
  2. das Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet,

es sei denn, dass sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.”

Verordnung (EG) Nr. 593/2008

Rz. 5

Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) (ABl. L 177, S. 6, im Folgenden: Rom-I-Verordnung) hat das Übereinkommen von Rom ersetzt. Diese Verordnung findet Anwendung auf Verträge, die am 17. Dezember 2009 oder später geschlossen wurden.

Rz. 6

Art. 8 Abs. 4...

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