Befindet sich der Arbeitgeber im sog. Annahme- oder Gläubigerverzug, behält der betroffene Arbeitnehmer trotz Nichtleistung der Arbeit seinen Entgeltanspruch gemäß § 611a BGB. Dies stellt § 615 BGB klar – die Norm ist jedoch keine selbstständige Anspruchsgrundlage neben § 611a BGB, sondern hält den ursprünglichen Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers aufrecht.[1]

Annahmeverzug tritt ein, wenn der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer vertragsgemäß angebotene Arbeit nicht annehmen kann oder will. Wichtigster Fall in der Praxis ist der Annahmeverzugsanspruch nach einer Arbeitgeberkündigung, die sich im weiteren Verlauf als unwirksam erweist, der Arbeitgeber jedoch den Arbeitnehmer bis dahin nicht mehr beschäftigt hat.[2] Weitere Fälle sind die (unberechtigte) Freistellung des Arbeitnehmers, die dauerhafte oder vorübergehende Betriebsstilllegung[3] oder die Überschreitung des Weisungsrechts mit daran anknüpfender Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers. Dazu zählt schließlich auch eine rechtswidrige Aussperrung.[4]

5.1 Anspruchsvoraussetzungen

Der Annahmeverzug ist an die nachfolgenden Voraussetzungen geknüpft.

Zunächst muss ein erfüllbares, tatsächlich durchführbares Arbeitsverhältnis bestehen.[1] Von Bedeutung ist diese Voraussetzung insbesondere in den Fällen der Nichtbeschäftigung eines Arbeitnehmers nach Ausspruch einer im Nachhinein für unwirksam befundenen Arbeitgeberkündigung.

Ein für die Vergangenheit rückwirkend zwischen den Arbeitsvertragsparteien begründetes Arbeitsverhältnis[2] genügt nicht. § 615 BGB begründet keinen eigenen Anspruch, sondern setzt ein bestehendes, von beiden Seiten erfüllbares Arbeitsverhältnis für den Annahmeverzugszeitraum voraus. Rückwirkend kann der Arbeitnehmer jedoch seine Arbeit nicht mehr anbieten, es kann keine Arbeitsleistung mehr erbracht werden.[3] Auch ein Anspruch auf Vergütung nach § 326 Abs. 2 Satz 1 BGB bei fehlendem Annahmeverzug scheitert am erforderlichen Verschulden des Arbeitgebers als dem Gläubiger der Arbeitsleistung.[4]

Der Arbeitnehmer muss seine Arbeitskraft angeboten haben.[5] In Betracht kommen dabei:

  • Das tatsächliche Angebot durch Erscheinen am Arbeitsplatz als der Regelfall im laufenden Arbeitsverhältnis. Dazu gehört auch die Einhaltung der gesetzlichen (Arbeitsschutz etc.) und vertraglichen (z. B. Kleidung) Vorgaben für die Erbringung der Arbeitsleistung. Hierzu kann auch die Einhaltung einer Impfpflicht gehören.
  • Das wörtliche Angebot, bei dem der Arbeitnehmer lediglich seine Leistungsbereitschaft mitteilt, sich jedoch nicht zum Arbeitsplatz begeben muss. Das wörtliche Angebot reicht in den Fällen aus, in denen der Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er die Arbeitsleistung nicht annehmen werde oder er eine erforderliche Mitwirkungshandlung unterlässt. Praktisch relevante Fälle sind der Ausspruch einer Kündigung, die Verweigerung des Zutritts zum Betrieb[6] oder Arbeitsplatz und das Vorenthalten von notwendigen Arbeitsmitteln.
  • Die Entbehrlichkeit des Angebots ergibt sich vor allem, wenn der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Kündigung die Arbeitsleistung nicht annimmt, die Kündigung sich aber im Nachhinein als unwirksam erweist.[7]

Schließlich muss der Arbeitnehmer leistungsfähig i. S. v.§ 297 BGB sein. Erfasst wird die tatsächliche und rechtliche objektive Leistungsfähigkeit sowie die subjektive Leistungswilligkeit.[8] Die tatsächliche Leistungsfähigkeit fehlt z. B. im Fall der Arbeitsunfähigkeit. Die rechtliche Leistungsfähigkeit knüpft an Beschäftigungsverbote oder Arbeitserlaubnisse an.[9] Insoweit kann die Verweigerung gesetzlich vorgeschriebener Impfungen ein rechtliches Hindernis hinsichtlich der Leistungsfähigkeit darstellen. Gleiches gilt für infektionsschutzrechtliche Quarantäneanordnung.

Sämtliche Voraussetzungen müssen auch dann vorliegen, wenn ein Leistungsangebot entbehrlich ist.

Unter Umständen kann eine Pflicht des Arbeitgebers bestehen, die Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Dies kann z. B. durch Einrichtung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes erfolgen.[10]

Weiterhin muss der Arbeitgeber die Annahme der Arbeitsleistung verweigern. Darunter fällt auch die Zuweisung einer nicht vom Direktionsrecht gedeckten Tätigkeit und die Weigerung, das aktuell fällige bzw. bereits rückständige Entgelt zu zahlen.[11]

Ausnahmsweise kann die Leistungsannahme dem Arbeitgeber bei besonders groben Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers unzumutbar sein. Diese Einschränkung wird jedoch nur in besonders gelagerten Fällen von Vertragsverletzungen mit z. B. strafrechtlicher Relevanz oder bei vorsätzlicher Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter eingreifen.[12]

Beendet wird der Annahmeverzug durch die Erklärung des Arbeitgebers, die Arbeitsleistung in der vertraglich geschuldeten Form wieder annehmen zu wollen. Dazu bedarf...

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