Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob der Kläger ab 1. August 1992 seinen monatlichen Pflichtbeitrag nach der Beitragsklasse 2 in voller Höhe (von damals 184, 00 DM) zahlen muß oder eine Beitragsermäßigung auf ein Drittel verlangen kann.

Der Kläger ist Polizeibeamter im Dienste des Landes Baden-Württemberg, verheiratet und hat zwei Kinder. Er selbst hat nach Landesrecht Anspruch auf freie Heilfürsorge gegen seinen Dienstherrn; für seine Ehefrau und seine Kinder ist er beihilfeberechtigt. Seit Januar 1984 ist er außerdem als landwirtschaftlicher Unternehmer Pflichtmitglied der beklagten Landwirtschaftlichen Krankenkasse (LKK). Diese stellte mit Bescheid vom 6. März 1984 seine Versicherungs- und Beitragspflicht fest, stufte ihn in die Beitragsklasse 2 ein und ermäßigte den vollen Monatsbeitrag (damals 132, 00 DM) auf 44, 00 DM. Grund hierfür war, daß nach § 67 Abs. 2 i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 5 des (Ersten) Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10. August 1972 (KVLG 1972) der Beitrag auf ein Drittel zu ermäßigen war, solange der Versicherte nach dienstrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Heilfürsorge hatte, weil während dieser Zeit sein Anspruch auf Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten, auf Krankenhilfe, Mutterschaftshilfe und auf sonstige Hilfen ruhte. Hingegen wurde eine dem § 67 Abs. 2 KVLG 1972 entsprechende Vorschrift in das am 1. Januar 1989 als Art 8 des Gesundheitsreformgesetzes in Kraft getretene (zweite) KVLG 1989 nicht übernommen. Die LKK verfügte mit Bescheid vom 18. Januar 1989, der Kläger habe ab Januar 1989 den vollen Monatsbeitrag seiner Beitragsklasse zu entrichten. Diesen Bescheid nahm sie im April 1992 zurück, weil er an einem ungeheilten Anhörungsmangel litt. Nach Anhörung des Klägers verfügte die Beklagte mit dem streitigen Bescheid vom 15. Juli 1992, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 30. September 1992, unter Abänderung des Bescheides vom 6. März 1984, der Kläger habe ab 1. August 1992 den vollen Monatsbeitrag in der Klasse 2 (damals 184, 00 DM) zu entrichten.

Das Sozialgericht (SG) Ulm hat die Klage durch Urteil vom 21. April 1993 abgewiesen. Das SG ist folgender Ansicht: Seit dem 1. Januar 1989 sei bei bestehender Familienversicherung trotz des Ruhens von Leistungsansprüchen des Versicherten der volle Beitrag zu entrichten. Zwar erhebe die Beklagte aufgrund eines Schreibens des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 5. Januar 1989 - abweichend von der gesetzlichen Neuregelung - für ledige Landwirte mit gesetzlicher Heilfürsorge auch ab 1. Januar 1989 weiterhin nur Beiträge von einem Drittel des vollen Beitragssatzes. Das sei nicht gesetzwidrig und verstoße nicht gegen § 243 Abs. 2 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), nach dem satzungsrechtliche Beitragsabstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 SGB V besteht, unzulässig sind. Wenn eine Familienversicherung bestehe, sei nicht zu beanstanden, daß auch in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung wie in der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung beim Ruhen der Ansprüche des Versicherten keine Beitragsermäßigung vorgesehen werde. Daher komme es nicht darauf an, daß nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, der gemäß § 8 Abs. 1 KVLG 1989 (vorbehaltlich von abweichenden Bestimmungen in diesem Gesetz) anzuwenden sei, der Anspruch des Versicherten auf Leistungen i.S. von § 11 SGB V ruhe, solange er nach dienstrechtlichen Vorschriften Anspruch auf Heilfürsorge habe. Diese Rechtslage sei nicht verfassungswidrig.

Zur Begründung der - vom SG zugelassenen (Sprung-) Revision trägt der Kläger vor, er benötige für seine Person keine Krankenversicherung; für die Ehefrau und die Kinder habe er beihilferechtlich Ansprüche in Höhe von 70 bzw. 80 vH; nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ruhe sein Anspruch gegenüber der LKK. Wenn ihm trotzdem der volle Beitrag abverlangt werde, sei dies verfassungswidrig. Das Schreiben des BMA zeige, daß man nur an freiwillig versicherte Heilfürsorgeberechtigte gedacht habe. Die Empfehlung des BMA, die Beiträge bei Versicherten ohne familienversicherte Angehörige weiterhin auf ein Drittel zu ermäßigen, sei gesetzwidrig. Richtig sei nur, daß das KVLG 1989 nachgebessert werden müsse, weil eine Ungleichbehandlung vorhanden sei. Eine Beitragsabstufung nach Familienstand sei unzulässig (§ 243 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Verheiratete Landwirte mit Anspruch auf freie Heilfürsorge würden schlechter gestellt als unverheiratete mit solchem Anspruch. Ein lediger Polizeibeamter mit freier Heilfürsorge müsse beitragsfrei gestellt, der Beitrag eines Verheirateten auf ein Drittel ermäßigt werden. Die neue Gesetzeslage verstoße gegen das Sozialstaatsprinzip, das Äquivalenzprinzip der Sozialversicherung, gegen das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip, gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen die Eigentumsgarantie, gegen Treu und Glauben und enthalte eine unzulässige Enteignung. Wegen des weiteren Vorbringens des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 16. Juni 1993 (Bl 18 bis 38 der Akte des Bundessozialgerichts [BSG]) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

1.

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. April 1993 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1992 aufzuheben,

2.

anzuordnen, daß bei ledigen Landwirten mit freier Heilfürsorge die Beitragszahlung ruhen muß,

3.

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art 100 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) darüber einzuholen, ob der Wegfall des § 42 Abs. 1 Nr. 5 KVLG (gemeint wohl: § 67 Abs. 2 KVLG) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit nur Beamte hiervon betroffen sind.

Die Beklagte beantragt,

1.

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 21. April 1993 zurückzuweisen,

2.

den Antrag des Klägers, "daß bei ledigen Landwirten mit freier Heilfürsorge die Beitragszahlung ruhen muß", als unzulässig zu verwerfen.

Sie meint, die vom Kläger angesprochene Frage der Versicherungs- und Beitragspflicht von Beamten mit Anspruch auf freie Heilfürsorge in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung sei bereits geklärt (Hinweis auf: Bundesverfassungsgericht [BVerfG] SozR 5420 § 94 Nr. 2; BSG SozR 5420 § 2 Nr. 4; BSG SozR 5420 § 3 Nr. 12). In dieser Rechtsprechung, die der Kläger nicht erwähnt habe, sei im einzelnen auf jene Argumente eingegangen worden, die jetzt mit der Revision vorgetragen würden. Der Wegfall der Beitragsermäßigung des früheren § 67 Abs. 2 KVLG 1972 führe zu keinen anderen rechtlichen Folgerungen. Versicherungspflicht und Beitragspflicht des Klägers bestünden unverändert fort; dies sei auch nicht unverhältnismäßig. Nach dem Solidaritätsprinzip orientiere sich in der gesetzlichen Krankenversicherung die Höhe der Leistung nicht an der Höhe des Beitrages, sondern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Mitglieds. Nach dem Grundsatz des sozialen Ausgleichs trügen die leistungsfähigeren Mitglieder die schwächeren mit. Der Kläger, der in der Beitragsklasse 2, der zweitniedrigsten Klasse, versichert sei, habe für einen Monatsbeitrag von 184, 00 DM vollen Krankenversicherungsschutz für seine Ehefrau und zwei Kinder; die freie Heilfürsorge erstrecke sich nicht auf die Angehörigen. Aber auch ihm selbst stünden Leistungsansprüche nach dem KVLG 1989 zu, nämlich etwa Ansprüche auf Betriebs- und Haushaltshilfe. Solche Leistungen würden im Rahmen der freien Heilfürsorge nicht gewährt; außerdem sei die Beihilfeberechtigung für Ehefrau und Kinder nur eine Teilsicherung. Ihm werde durch den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz auch der Abschluß einer privaten Krankenversicherung erspart. Der Antrag zu 2) enthalte eine Popularklage und sei schon deshalb unzulässig.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

II

Der Antrag des Klägers, anzuordnen oder festzustellen, daß bei ledigen Landwirten mit freier Heilfürsorge die Beitragszahlung ruhen muß, ist unzulässig. Mit der Revision kann gemäß § 162 SGG nur begehrt werden, daß das BSG das angefochtene Urteil daraufhin prüft, ob es eine Vorschrift des Bundesrechts (iS von § 162 SGG) verletzt. Der Kläger hat vor dem SG einen solchen Antrag nicht gestellt. Eine Klageänderung im Revisionsverfahren ist unzulässig (§ 168 Satz 1 SGG). Schon deshalb ist nicht aufzuzeigen, daß der Antrag als Popularklage auch aus anderen Gründen unzulässig ist.

Das in der Revisionsbegründung mehrfach wiederholte Begehren, "eine präzise Stellungnahme zur Zusatzproblematik" (der Enteignung) abzugeben, ist kein Rechtsschutzantrag. Das BSG ist nicht befugt, Stellungnahmen zu abstrakten Rechtsfragen abzugeben. Soweit der Kläger dahingehend verstanden werden kann, er bitte im Rahmen der Begründung des Revisionsurteils, zur Enteignungsproblematik Stellung zu nehmen, hat das BSG gemäß §§ 128 Abs. 1 Satz 2, 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG die nach seiner Überzeugung für seine Entscheidung leitend gewesenen Gründe ohnehin mitzuteilen.

Die im übrigen zulässige (Sprung-) Revision des Klägers ist unbegründet; die Voraussetzungen für eine Vorlage des Rechtsstreits an das BVerfG gemäß Art 100 Abs. 1 GG liegen nicht vor.

Die streitigen Verwaltungsentscheidungen entsprechen dem Gesetz: Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mußte die Beklagte den Bescheid vom 6. März 1984 mit Wirkung für die Zukunft, d.h. für den Monat nach Bekanntgabe des streitigen Bescheides vom 15. Juli 1992, insoweit aufheben, als verfügt worden war, der Kläger müsse Pflichtbeiträge nur in Höhe von einem Drittel der für ihn maßgeblichen Beitragsklasse 2 entrichten. Denn im Blick hierauf war seit dem 1. Januar 1989 eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten. Das KVLG 1989 ermächtigte (anders als § 67 Abs. 2 KVLG 1972) die Träger der landwirtschaftlichen Krankenkassen nicht mehr, u.a. Heilfürsorgeberechtigten Beitragsermäßigungen zu gewähren. Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der streitigen Verwaltungsentscheidungen sind vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.

Soweit die Revision rügt, daß das Bestehen der Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten verfassungswidrig sei, weil der Kläger wegen seines Anspruchs auf freie Heilfürsorge keinen Krankenversicherungsschutz brauche oder seine Mitgliedschaft wegen der Regelung des § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V unverhältnismäßig belastend sei, hat der Senat hierüber nicht zu entscheiden. Denn der Bescheid vom 6. März 1984 ist mit seinen Verfügungssätzen, der Kläger sei versicherungs-und beitragspflichtig, bindend (§ 77 SGG) und insoweit durch den streitigen Bescheid vom 15. Juli 1992 nicht abgeändert worden. Zu prüfen ist allein, ob die streitige Beitragshöhe zu Recht neu festgesetzt worden ist. Dies ist - wie ausgeführt - der Fall. Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß die Frage der Verfassungsmäßigkeit der §§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 KVLG (1972, insoweit im KVLG 1989 nicht geändert) Gegenstand einer bindenden (§ 31 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes) Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 44, 70, 96ff. = SozR 5420 § 94 Nr. 2) war.

Es ist unter keinem von der Revision angesprochenen Gesichtspunkt mit dem GG unvereinbar, daß der Kläger als heilfürsorgeberechtigter Nebenerwerbslandwirt mit Familienangehörigen, die aus dem Mitgliedschaftsverhältnis des Landwirts zur LKK eigene Leistungsansprüche haben können (§ 7 KVLG 1989 i.V.m. § 10 SGB V), keine Ermäßigung seiner Pflichtbeiträge mehr erhält:

Eine vom sozialversicherungsrechtlichen Prinzip des sozialen Ausgleichs nicht gerechtfertigte, insbesondere unverhältnismäßige Abweichung von dem im gesetzlichen Krankenversicherungsrecht ohnehin nur ansatzweise ausgestalteten Äquivalenzprinzip liegt nicht vor. Der Kläger selbst kann eigene Leistungsansprüche gegen die LKK haben, z.B. solche auf Betriebs- und Haushaltshilfe nach §§ 9 bis 11 KVLG 1989. Denn die Ruhensvorschrift des § 16 Abs. 1 Nr. 3 SGB V tritt nur ein, soweit der Dienstherr nach dienstrechtlichen Vorschriften verpflichtet ist, den in § 11 SGB V durch Angabe von Leistungsarten umschriebenen Bedarf des Versicherten durch Gewährung von Naturalleistungen oder ihnen gleichwertigen Geldleistungen zu befriedigen und er diese Verpflichtigung auch tatsächlich erfüllt (BSG SozR 2200 § 313 Nr. 9; KassKomm-Peters SGB V § 16 Rz 10). Freie Heilfürsorge erfaßt aber gerade z.B. die spezifischen landwirtschaftlichen Versicherungsleistungen der Betriebs- und Haushaltshilfe nicht; schon deswegen trifft der Vortrag des Klägers nicht zu, er könne Leistungen nach dem KVLG 1989 nicht beanspruchen. Darüber hinaus ergibt sich aus seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten für seine Ehefrau und seine Kinder im Rahmen der Familienversicherung des § 7 KVLG i.V.m. § 10 SGB V ein umfassender Krankenversicherungsschutz. Abgesehen davon, daß seine Beihilfeberechtigung für die Familienangehörigen ihm nur eine Teilsicherung bietet, die im übrigen als gegenüber eigenen Ansprüchen des Versicherten nachrangige Fürsorgeleistung des Dienstherrn ausgestaltet ist, kann es weder als unverhältnismäßig noch gar als sozialstaatswidrig bezeichnet werden, daß das Gesetz für die Angehörigen eines landwirtschaftlichen Unternehmers einen umfassenden Krankenversicherungsschutz vorsieht.

Das KVLG 1989 verstößt - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht etwa deshalb gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG, weil die vollziehende Gewalt ledigen Versicherten mit Heilfürsorgeberechtigung eine im Gesetz weder vorgeschriebene noch zugelassene (§ 31 SGB I - Gesetzesvorbehalt) Beitragsermäßigung gewährt. Daß § 243 Abs. 1 (oder § 244) SGB V diese Verwaltungspraxis nicht rechtfertigt, bedarf keiner Darlegung (vgl. KassKomm-Peters SGB V § 243 Rz 1 m.w.N.). Schon deswegen kommt es auf die Ausführungen der Revision zu dem Schreiben des BMA vom 29. Mai 1989 (Vb 4 - Sozialgericht Reutlingen) und auf die Stellungnahme des BMA vom 10. März 1989 (Va 2 - 44428; in: Rundschreiben des Bundesverbandes der landwirtschaftlichen Krankenkassen vom 16. März 1989, Nr. 117/89) nicht an. Der Senat hat hierüber aber nicht zu entscheiden, weil der Kläger verheiratet ist und seine Angehörigen aus seiner Mitgliedschaft bei der Beklagten Leistungsansprüche aus Familienversicherung haben können. Wäre nämlich die Ermäßigungspraxis bei Ledigen rechtswidrig, könnte der Kläger Gleichstellung im Unrecht aufgrund des Art 3 Abs. 1 GG nicht beanspruchen; wäre sie aber (wogegen alles spricht) gesetzmäßig, würde das unterschiedliche Ausmaß der möglichen Belastungen für die Versichertengemeinschaft eine dementsprechende differenzierende Beitragsgestaltung durch den parlamentarischen Gesetzgeber i.S. von Art 3 Abs. 1 GG rechtfertigen. Nach § 243 Abs. 1 und 2 Satz 2 SGB V ist hingegen nur eine differenzierende Beitragsabstufung nach Familienstand oder der Zahl der familienversicherten Angehörigen durch Kassensatzung unzulässig, wenn für einzelne Mitgliedergruppen der Umfang der Versicherungsleistungen von vornherein beschränkt ist (nicht: einzelne Anspruchsleistungen zum Ruhen gebracht sind) und deswegen der Beitragssatz entsprechend durch Satzung zu ermäßigen ist. Familienstand und Zahl der Angehörigen des Versicherten sind also für den Satzungsgeber kraft Gesetzes insoweit unzulässige Unterscheidungsmerkmale.

Die Aufhebung des § 67 Abs. 2 KVLG 1972 und die sich daraus ergebende Pflicht, Pflichtbeiträge ohne Ermäßigung zahlen zu müssen, ist keine Enteignung i.S. von Art 14 Abs. 3 GG. Denn es liegt kein zielgerichteter hoheitlicher Zugriff auf konkrete vermögenswerte Rechte vor, die für einen konkreten Gemeinwohlzweck benötigt werden (vgl. BVerfGE 70, 191, 200 ff; E 83, 201, 212f.). Auch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht verletzt. Wird die Auferlegung von - hier nicht konfiskatorischen - Sozialversicherungsbeiträgen am Maßstab der Eigentumsgarantie gemessen (vgl. BVerfGE 14, 221, 224; E 50, 57, 104), enthält das in den §§ 37ff. KVLG 1989 geregelte Beitragsrecht der landwirtschaftlichen Krankenversicherung im Blick auf den vom Kläger repräsentierten Personenkreis eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung. Denn die Pflichtmitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten wird auf ihrer Pflichtenseite durch eine angemessene Beitragsgestaltung konkretisiert. Diese trägt - unter Berücksichtigung des sozialen Ausgleichs - dem Umfang des Versicherungsschutzes hinreichend Rechnung. Dies erkennt in der Sache auch der Kläger an, wenn er darauf verweist, daß er eine private Krankenversicherung nur zu ungünstigeren Bedingungen abschließen könnte; es ist auch nicht ersichtlich, daß es schwer und unzumutbar wäre, für den vollen Krankenversicherungsschutz von drei weiteren Personen (Ehefrau und zwei Kinder) und für den eigenen, wenn auch gegenüber der freien Heilfürsorge zT nachrangigen, jedoch im Blick auf Betriebs- und Haushaltshilfe primären und vollwertigen Versicherungsschutz monatlich ab August 1992 insgesamt 184, 00 DM aufwenden zu müssen.

Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art 2 Abs. 1 GG, falls von Art 14 Abs. 1 GG nicht verdrängt) des Klägers ist durch die Beitragsregelung des KVLG 1989 und die hierauf gestützten Verwaltungsentscheidungen verfassungsgemäß begrenzt worden. Insbesondere ist das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip nicht verletzt worden; der Gesetzgeber ist nicht gehindert, von ihm als änderungsbedürftig angesehene Rechtslagen mit Wirkung für die Zukunft zu verändern (vgl. BVerfGE 31, 275, 285, 290; E 70, 191, 200). Eine Rückwirkung i.S. einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen oder auch nur einer tatbestandlichen Rückanknüpfung liegt nicht vor; die Beitragshöhe ist zukunftsorientiert neu gestaltet worden und knüpft an die landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit im jeweiligen Beitragsmonat an. Frühere Aufwendungen des Klägers sind nicht im nachhinein entwertet worden.

Nicht nachvollziehbar ist, daß der Gesetzgeber gegen "Treu und Glauben" verstoßen haben soll. Insbesondere ist der Gesetzgeber nicht gehalten, die Pflichtversicherung der landwirtschaftlichen Unternehmer nach dem Prinzip auszugestalten, daß diese Beitragspflicht nur bei solchen Landwirten auslösen darf, die nach ihren sonstigen Lebensumständen noch einen Bedarf nach Krankenversicherungsschutz haben. Schon deswegen ist nicht darauf einzugehen, daß das Vorbringen des Klägers zur Abstufung des Versicherungsschutzes innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 3 KVLG der nach dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegebenen Rechtslage nicht entspricht.

Nach alledem war die Revision des Klägers gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des SG Ulm zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG.4 RK 2/93

BUNDESSOZIALGERICHT

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518428

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