Beteiligte

Klägerin und Revisionsbeklagte

Beklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Beitragszuschlag von 4.701,31 DM, den die Beklagte der Klägerin für das Jahr 1976 auferlegt hat, rechtmäßig ist.

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Mit Beitragsausgleichsbescheid vom 25. April 1977 verlangte die Beklagte von der Klägerin einen Zuschlag für das Jahr 1976. Dabei berücksichtigte sie u.a. ihr entstandene Kosten aus einem Arbeitsunfall in Höhe von 27.626,92 DM, den der bei der Klägerin arbeitende H… durch Verschulden eines nicht im Betrieb der Klägerin arbeitenden Arbeitnehmers erlitten hatte. Der Haftpflichtversicherer des Arbeitgebers des Unfallverursachers erstattete der Beklagten 17.397,37 DM.

Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. September 1977). Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Bescheid der Beklagten insoweit aufgehoben, als darin Kosten des Arbeitsunfalls des Versicherten in Höhe von mehr als 10.229,55 DM berücksichtigt wurden, und die weitergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Dezember 1978).

Die Beklagte hat mit Einverständnis der Klägerin die vom SG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung des § 725 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).

Die Beklagte beantragt sinngemäß,das Urteil des Sozialgerichts Berlin aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.

Da die Klägerin das Urteil des SG hingenommen hat, ist nur noch streitig, ob die Beklagte berechtigt gewesen ist, im Beitragsausgleichsbescheid nicht nur die Unfallkosten der Zuschlagsberechnung zugrunde zu legen, die im Geschäftsjahr endgültig bei ihr verblieben sind, sondern auch die Kosten, die ihr im Regreßwege von der Versicherung des Unfallverursachers erstattet wurden. Letzteres hat das SG zu Recht verneint.

Nach § 725 Abs. 2 RVO in der hier anzuwendenden Fassung des § 15 Nr. 5 des 19. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) vom 3. Juni 1976 (BGBl. I 1373) haben die Berufsgenossenschaften unter Berücksichtigung der anzuzeigenden Arbeitsunfälle (§ 1552 Abs. 1 RVO) den versicherten Unternehmern Zuschläge aufzuerlegen oder Nachlässe zu bewilligen. Wegeunfälle (§ 550 RVO) bleiben dabei außer Ansatz. Die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richtet sich nach der Zahl, der Schwere oder den Kosten der Arbeitsunfälle oder nach mehreren dieser Merkmale. Anstelle von Nachlässen oder zusätzlich zu den Nachlässen können nach der Wirksamkeit der Unfallverhütung gestaffelte Prämien gewährt werden. Das Nähere bestimmt die Satzung; dabei kann sie Berufskrankheiten sowie Arbeitsunfälle, die durch höhere Gewalt oder durch alleiniges Verschulden nicht zum Unternehmen gehörender Personen eintreten, ausnehmen. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte mit Wirkung ab 1. Januar 1976 in § 26 Abs. 1 ihrer Satzung insoweit Gebrauch gemacht, als sie neben den gesetzlich vorgeschriebenen Wegeunfällen auch Berufskrankheiten von den Zuschlägen und Nachlässen ausgenommen und verfügt hat, die Höhe der Zuschläge und Nachlässe richte sich nach den Kosten der Arbeitsunfälle. Zur Unfallbelastung gehören alle Kosten, die der Beklagten "im Geschäftsjahr aus den im Geschäftsjahr und in dem diesem vorangegangenen Jahr anzuzeigenden Arbeitsunfällen erwachsen sind" (§ 26 Abs. 5 der Satzung). Diese Satzungsregelungen sind von § 725 Abs. 2 RVO gedeckt. Sie sind rechtlich bedenkenfrei.

Die Aufwendungen des für den durch Verschulden eines Dritten verursachten Arbeitsunfalles waren nach § 26 Abs. 2 der Satzung mit 27.626,92 DM als Kosten des Arbeitsunfalls in das Ausgleichsverfahren einzubeziehen. Damit durfte es aber nicht sein Bewenden haben. Die Beklagte mußte vielmehr, um satzungsgerecht einen Zuschlag ermitteln zu können, entgegen der Auffassung der Beklagten auch den im Geschäftsjahr vom Haftpflichtversicherer im Regreßwege geleisteten Betrag von 17.397,37 DM mit bei der Zuschlagsberechnung berücksichtigen. Wenn auch § 725 Abs. 2 RVO und § 26 der Satzung der Beklagten den Begriff der Kosten nicht definieren, folgt doch schon aus der Fassung des § 26 Abs. 5 der Satzung: "Zur Unfallbelastung gehören alle Kosten, die der Berufsgenossenschaft … erwachsen sind", daß die Beklagte nur solche Kosten beim Beitragsausgleich zu berücksichtigen hat, die ihr tatsächlich entstanden sind. Bei natürlichem Sprachverständnis "erwachsen" Kosten nur, wenn sie jemand endgültig treffen. Das bedeutet: Die Aufwendungen der Beklagten gegenüber dem Versicherten sind, um die ihr zugeflossenen Rückgriffsleistungen des Haftpflichtversicherers zu kürzen. Der daraus errechnete Unterschiedsbetrag (Saldo) ist jedenfalls der Berechnung des Zuschlags oder des Nachlasses dann zugrunde zu legen, wenn die beiden Beträge wie hier - in ein und dasselbe Geschäftsjahr fallen, wie dies § 25 Abs. 2 der Satzung zur Berechnungsvoraussetzung macht.

Aber nicht nur der Wortlaut des § 26 Abs. 5 der Satzung der Beklagten stützt das Ergebnis. Hierfür sprechen auch der Sinn und Zweck dieser Satzungsbestimmung. Ersichtlich strebt die Satzung an, die Zuschläge und Nachlässe der Beiträge möglichst gerecht zu berechnen. Die Unternehmer sollen an dem wirtschaftlichen Ergebnis eines Geschäftsjahres gerade auch unter Berücksichtigung ihres Risikos teilhaben. Das wirtschaftliche Ergebnis eines Geschäftsjahres ist aber nicht darauf beschränkt, was der Unfallversicherungsträger für seine Leistungen aufzuwenden hat. Vielmehr wird das wirtschaftliche Ergebnis auch durch die Einnahmen aus Regressen maßgeblich beeinflußt. Wäre, wie dies die Beklagte will, bei der Berechnung von Zuschlägen und Nachlässen nicht auf den in einem Geschäftsjahr ermittelten Saldo zwischen den Entschädigungsleistungen, des Unfallversicherungsträgers und der ihm zugeflossenen Rückgriffsleistung des Haftpflichtversicherers, sondern nur auf die Entschädigungsleistungen abzuheben, würde eine solche Berechnungsmethode zu unbilligen Ergebnissen führen. Abgesehen davon, daß der Unternehmer der Natur der Sache nach kaum etwas von sich aus veranlassen kann, um Arbeitsunfälle, die auf Verschulden eines unternehmensfremden Dritten zurückzuführen sind zu vermeiden, würde zwar eine Regreßleistung dem allgemeinen Haushalt des Unfallversicherungsträgers zugute kommen, nicht aber dem Einzelkonto des Unternehmens. Besonders kraß würde sich der Standpunkt der Beklagten bei dem Unternehmer auswirken, bei dem alle in einem Geschäftsjahr angezeigten Arbeitsunfälle zwar - zunächst - hohe Aufwendungen des Unfallversicherungsträgers erfordert hätten, dieser aber in demselben Geschäftsjahr in allen Fällen im Regreßwege volle Erstattung seiner Aufwendungen erlangt hätte, so daß er in demselben Geschäftsjahr im Ergebnis nicht belastet wäre. Sollten Regreßforderungen in demselben Geschäftsjahr ganz oder teilweise nicht befriedigt werden, etwa deshalb, weil ein Rechtsstreit wegen der Regreßforderung anhängig ist oder weil der Regreßschuldner die Regreßforderung nur ratenweise abträgt, müßten die Aufwendungen des Unfallversicherungsträgers und die Regreßeingänge jeweils in dem Geschäftsjahr zur Berechnung von Zuschlägen oder Nachlässen herangezogen werden, in dem sie tatsächlich anfallen. Zwar könnte der Unternehmer so zunächst zu Zuschlägen veranlagt werden; in einem späteren Geschäftsjahr, in dem die Regreßforderung dem Unternehmer tatsächlich ganz oder teilweise zufließt, wäre ein solcher Forderungseingang jedenfalls dem Unternehmer gutzubringen, so daß ihm u. U. ein Nachlaß zu gewähren wäre.

Das SG hat das hier gebilligte Ergebnis auch auf Parallelen zu §§ 723 Abs. 1, 724 Abs. 1 RVO gestützt. Dies geht indes nicht an, wie der Revision zuzugeben ist. Es ist zwar zutreffend, daß Regreßeinnahmen die Beitragsumlage aller versicherten Unternehmen mindern können (vgl. Bereiter/Hahn/Schieke, Unfallversicherung, 4. Auflage 1978, § 723 Anm. 1; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, 47. Nachtrag, April 1977, S. 40 e; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. 1979, 31. Lieferg. Juli 1977, § 723 Anm. 2 c; Göbelsmann Schwarzenberg, in: RVO-Gesamtkommentar, März 1977 - 48. TL. § 723 Anm. 2). Jedoch sind die Beitragsumlage und die Zuschläge sowie Nachlässe wesensverschieden. Die Beitragsumlage betrifft die Unternehmer schlechthin, während die Zuschläge oder Nachlässe (§ 725 Abs. 2 RVO) das Risiko eines einzelnen Unternehmers berücksichtigen.

Der Lösung steht das Urteil des 2. Senats, des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2. Mai 1979 - 2 RU 95/78 - nicht entgegen. Der 2. Senat hatte in einem Streit über einen Beitragsnachlaß bei voller Regreßerfüllung den dortigen Satzungsbegriff "gezahlte Leistungen" auszulegen, der sich deutlich von dem hier maßgebenden Satzungsbegriff der "erwachsenen Kosten" unterscheidet. Das gezahlte Leistungen und erwachsene Kosten nach dem Sprachgebrauch unterschiedliche Bedeutung haben, ergibt sich daraus, daß es einerseits allein auf die tatsächliche Zahlung ankommt, während im anderen Fall auf die erwachsenen (verbleibenden) Kosten abzustellen ist. Mit der Neufassung des § 725 Abs. 2 RVO war nicht nur beabsichtigt, einen finanziellen Anreiz zur Unfallverhütung zu bieten, sondern auch, die genossenschaftlich haftenden Mitglieder gerechter an dem finanziellen Ergebnis eines Geschäftsjahres teilhaben zu lassen (Brackmann a.a.O., S. 542 e; Bereiter/Hahn/Schieke, a.a.O., § 725 Anm. 3; Lauterbach, a.a.O., § 725 Anm. 10 a; RVO-Gesamtkomm., § 725 Anm. 1). Dieser Zweck würde vor allem in den Fällen vereitelt, in denen das Fremdverschulden im Vordergrund steht. Anstrengungen zur Unfallverhütung somit kaum ins Gewicht fallen können. Nicht ohne vernünftigen Grund wurde deshalb in der Satzung der Beklagten auf die tatsächliche Belastung, d.h. auf die erwachsenen Kosten abgestellt, die als wirtschaftliche Größe nicht mit nur vorübergehenden Leistungen zu vergleichen sind. Im übrigen hat der 2. Senat (a.a.O.) in dem anders gelagerten Fall eingeräumt, daß die Einbeziehung von Arbeitsunfällen durch alleiniges Fremdverschulden bei vollem Regreß in das Ausgleichsverfahren an die Grenze des mit § 725 Abs. 2 RVO verfolgten Sinnes und Zweckes der Beitragsgestaltung stößt. Um so mehr besteht begründeter Anlaß, diesen Bedenken zu folgen, wenn dies der auslegungsbedürftige Wortlaut der Satzung erlaubt. In solchen Fällen ist zwischen erfolgreichem und erfolglosem Regreß zu unterscheiden. Hinzunehmen ist dagegen die Auswirkung eines Teilungsabkommens zwischen der Beklagten und einem Versicherer, soweit es den Regreß schmälert. Denn in diesem Fall erwachsen der Beklagten höhere Kosten, wie das SG ebenfalls richtig erkannt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.8a RU 4/79

Bundessozialgericht

 

Fundstellen

Haufe-Index 518674

BSGE, 231

Breith. 1980, 378

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