Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 6. November 1991 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Umstritten ist, ob eine Krankenkasse Schadenersatz verlangen kann, wenn eine Zahlstelle von Versorgungsbezügen keine Beiträge einbehalten hat.

Der Rentner H. A. (Versicherter) war krankenversicherungspflichtig und Mitglied der klagenden Ersatzkasse. Er erhielt neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1984 Versorgungsbezüge von der beklagten Zusatzversorgungskasse (Zahlstelle). Dies zeigte er der Klägerin Mitte 1984 an und entrichtete nach Erhalt eines entsprechenden Beitragsbescheids die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Oktober 1984 unmittelbar an die Klägerin. In diesem Bescheid teilte die Klägerin dem Versicherten auch mit, vom 1. November 1984 an werde die Beklagte die Beiträge einbehalten. Die hierüber unterrichtete Beklagte bestätigte der Klägerin durch Übersendung eines am 16. August 1984 ausgefüllten Vordrucks, sie werde für den Versicherten die „Krankenversicherungsbeiträge 01.11.1984” im Zahlstellenverfahren selbst berechnen und abführen. Die Beklagte führte die für November 1984 von den Versorgungsbezügen einbehaltenen Beiträge an die Klägerin ab. Infolge einer fehlerhaften EDV-Vorgabe unterblieben Einbehalt und Abführung der Beiträge jedoch für die Folgezeit.

Als dies im Jahre 1989 bemerkt wurde, behielt die Beklagte die von 1989 an aus den Versorgungsbezügen zu entrichtenden Beiträge ein. Die Beiträge für die Zeit von Dezember 1984 bis Dezember 1988 forderte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 30. Oktober 1989 vom Versicherten. Als dieser die Beitragsentrichtung ablehnte, nahm die Klägerin von der Beitragserhebung gegenüber dem Versicherten Abstand (Abhilfebescheid vom 27. November 1989). Sie forderte Ersatz für den Beitragsausfall jedoch von der Beklagten. Diese lehnte eine Zahlung ab.

Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht (SG) Klage auf Schadensersatz in Höhe von 2.380,72 DM wegen Ausfalls der noch nicht verjährten Beiträge für die Jahre 1985 bis 1988 erhoben. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 6. November 1991 abgewiesen. Es hat den Rechtsweg bejaht, einen Schadenersatzanspruch aber verneint. Es könne offenbleiben, ob es eine Anspruchsgrundlage gebe. Jedenfalls treffe die Beklagte nur leichte Fahrlässigkeit wegen einer fehlerhaften EDV-Vorgabe. Dem stehe auf Seiten der Klägerin ein Mitverschulden, nämlich ein Organisationsmangel von erheblichem Gewicht gegenüber, weil sie von der Beklagten übersandte Beitragslisten nicht abgeglichen und den Eingang der Beiträge nicht überwacht habe. Das grob fahrlässige Verhalten der Klägerin überwiege gegenüber der allenfalls leichten Fahrlässigkeit der Beklagten derart, daß ein Schadenersatzanspruch jedenfalls aus diesem Grunde scheitere.

Mit der Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 393a Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG vom 6. November 1991 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie (die Klägerin) 2.380,72 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht ein Schadenersatzanspruch nicht zu, weil es an einer Rechtsgrundlage fehlt.

Für den Rechtsstreit ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung (§ 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes SGG), soweit der Klageanspruch aus dem Recht der Sozialversicherung hergeleitet wird. Damit haben die angerufenen Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit als Gerichte des zulässigen Rechtsweges nach § 17 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) i.d.F. des Art 2 Nr. 1 des Vierten Änderungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I 2809) den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden. Dazu gehört auch, ob für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch eine deliktische Grundlage besteht (vgl. BGHZ 114, 1, 2/3: anders bei einer – hier nicht vorliegenden – Mehrheit prozessualer Ansprüche). Ausgenommen von einer Entscheidung im Sozialrechtsweg sind nach § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG nur Ansprüche auf Enteignungsentschädigung und aus Amtshaftung. Richtige Klageart für die Geltendmachung von Schadenersatz durch eine Krankenkasse gegen eine Zahlstelle von Versorgungsbezügen ist nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 23. Mai 1989 (BSGE 65, 100, 104 = SozR 2200 § 393a Nr. 4) die Leistungsklage, welche die Klägerin auch erhoben hat.

Die Klägerin verlangt Schadenersatz, weil ihr für die Jahre 1985 bis 1988 Beiträge von Versorgungsbezügen entgangen sind. Beitragspflicht und Beitragszahlung richteten sich damals nach den Vorschriften der RVO. Danach ergaben sich aufgrund des § 381 Abs. 2 Satz 1, 3 i.V.m. § 180 Abs. 5 Nr. 2, Abs. 8 Satz 1, 2 Nr. 2 RVO i.d.F. des Art 2 Nr. 11 Buchst b bzw. Nr. 2 Buchst c des Gesetzes über die Anpassung der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 (RAG 1982) vom 1. Dezember 1981 (BGBl. I 1205) für die genannte Zeit Beiträge in einer Gesamthöhe von 2.380,72 DM. Die Beitragserhebung war in der Weise geregelt, daß zunächst der Versicherte die Höhe seiner Versorgungsbezüge und deren Zahlstelle seiner Krankenkasse zu melden hatte (§ 317 Abs. 8 Satz 1 RVO i.d.F. des Art 2 Nr. 9 Buchst c RAG 1982). Sodann teilte nach § 393a Abs. 2 Satz 1 RVO i.d.F. des Art 2 Nr. 15 RAG 1982 die Krankenkasse dem Versicherten und der Zahlstelle die Höhe der nach den Versorgungsbezügen zu zahlenden Beiträge mit (sogenanntes Krankenkassen-Verfahren) und zog die Beiträge ein; teilweise wurde jedoch die Beitragsberechnung aufgrund einer sogenannten Zahlstellen-Vereinbarung von den Zahlstellen übernommen (sogenanntes Zahlstellen-Verfahren). Zahlstellen, die regelmäßig an mehr als 30 beitragspflichtige Versicherte Versorgungsbezüge auszahlten („große Zahlstellen”), hatten nach § 393a Abs. 2 Satz 2 RVO für Versicherungspflichtige, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, die Beiträge von den Versorgungsbezügen einzubehalten und an die Krankenkasse zu entrichten. Waren in einem Monat keine Beiträge einbehalten worden, so durfte das nach Satz 5 nur bei der nächsten Zahlung von Versorgungsbezügen nachgeholt werden. Wenn die Einbehaltung weiterer Beiträge ohne Verschulden der Zahlstelle unterblieben war, so oblag nach Satz 6 der Beitragseinzug der zuständigen Krankenkasse. Die Zahlstellen hatten der zuständigen Krankenkasse gemäß Satz 10 die einbehaltenen Beiträge nachzuweisen. Die Entrichtung der Beiträge nach Abs. 2 wurde nach § 393a Abs. 4 Satz 1 RVO von der zuständigen Krankenkasse überwacht.

Nach den Feststellungen des SG hatte der Versicherte der Klägerin seine Versorgungsbezüge und die Beklagte als Zahlstelle gemeldet, die Klägerin der Beklagten die Beitragspflicht mitgeteilt und dieser nach der Zahlstellen-Vereinbarung die Beitragsberechnung überlassen. Sodann hatte die Beklagte als große Zahlstelle die Beiträge von den Versorgungsbezügen einzubehalten und an die Klägerin als Krankenkasse zu entrichten (§ 393a Abs. 2 Satz 2 RVO), dieses jedoch für die Zeit nach November 1984 wegen einer fehlerhaften EDV-Vorgabe versäumt. Damit war es der klagenden Krankenkasse verwehrt, ihrerseits nach § 393a Abs. 2 Satz 6 RVO die Beitragsforderung noch beim Versicherten geltend zu machen (vgl. BSG SozR 2200 § 393a Nr. 2). Sie kann sich deswegen bei der Beklagten jedoch nicht schadlos halten.

In dem abgestuften und differenzierten System von Vorschriften der RVO, mit denen der Eingang von Krankenversicherungsbeiträgen sichergestellt werden sollte, war eine Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme der Zahlstelle auf Beiträge oder Schadenersatz nicht enthalten. Die weitestgehende Sicherung enthielt § 393 Abs. 1 Satz 1 RVO, der bei versicherungspflichtig Beschäftigten eine Zahlungspflicht und damit eine eigene Beitragsschuldnerschaft des Arbeitgebers auch hinsichtlich der Beitragslast des Arbeitnehmers (Arbeitnehmeranteil an den Beiträgen) begründete. Sofern eine Beitragsschuldnerschaft nicht bestand, war für verschiedene Fallgestaltungen eine Haftung für Beiträge vorgesehen. So haftete bei Arbeitnehmerüberlassung der Entleiher nach § 393 Abs. 3 Satz 1 RVO wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Erfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers. Bei Mehrfachbeschäftigten hafteten nach § 396 Abs. 1 RVO die Arbeitgeber als Gesamtschuldner auf die vollen Beiträge (vgl. dazu BSGE 57, 253, 256 = SozR 2200 § 396 Nr. 1). Bei Auftraggebern von Hausgewerbetreibenden konnte nach § 472 Abs. 3 RVO in der Satzung („Statut”) eine Haftung für Beiträge vorgesehen werden. Im übrigen dienten vornehmlich Melde- und Mitteilungspflichten der vollständigen Erhebung der Beiträge. Dazu gehörte auch die Meldepflicht des Versicherungspflichtigen gegenüber der Krankenkasse über die Höhe seiner Versorgungsbezüge und die Zahlstelle nach § 317 Abs. 8 Satz 1 RVO, die Mitteilungspflicht der Krankenkasse gegenüber der Zahlstelle nach § 317 Abs. 8 Satz 2 RVO sowie die Mitteilungspflicht der Zahlstelle gegenüber der Krankenkasse bei Veränderungen der Versorgungsbezüge nach § 317 Abs. 9 RVO. Die Verletzung mancher Melde- und Mitteilungspflichten konnte nach § 530 RVO als Ordnungswidrigkeit geahndet werden, von den in § 317 Abs. 8 und 9 RVO geregelten Pflichten jedoch nur eine Verletzung der Meldepflicht durch den Versicherten (§ 317 Abs. 8 Satz 1, § 530 Abs. 1 Nr. 1 RVO), nicht hingegen eine Verletzung der Mitteilungspflichten durch die Krankenkasse oder die Zahlstelle. Soweit die Krankenkassen selbst als Einzugsstellen Beiträge zur Rentenversicherung zu erheben hatten, waren sie bei Pflichtverletzungen kraft ausdrücklicher Regelung im Gesetz schadenersatzpflichtig (§ 1436 Abs. 1 RVO, § 158 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes AVG), erhielten andererseits aber für den Beitragseinzug eine Vergütung (vgl. § 1434 RVO, § 158 AVG i.V.m. der RV-Beitragseinzugs-Vergütungsverordnung vom 10. Juli 1985 BGBl. I 1497, geändert durch Verordnung vom 18. Dezember 1987 BGBl. I 2813, sowie heute § 28 I des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung SGB IV).

In § 393a Abs. 2 RVO findet sich keine Rechtsgrundlage für eine Inanspruchnahme der Beklagten wegen nicht einbehaltener Beiträge. Der Senat hat in seinem Urteil vom 23. Mai 1989 (BSGE 65, 100 = SozR 2200 § 393a Nr. 4) zu dieser Vorschrift bereits entschieden, daß eine Zahlstelle von Versorgungsbezügen, die es schuldhaft unterlassen hat, Beiträge einzubehalten, dadurch nicht selbst Schuldnerin der Beiträge wird. Trotz der erwähnten naheliegenden Vorbilder ist aus § 393a Abs. 2 RVO auch eine Haftung, die möglicherweise durch Verwaltungsakt geltend zu machen wäre, oder eine Schadenersatzregelung nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Für eine Inanspruchnahme der Zahlstellen muß jedoch, weil die Beitragserhebung zum Abgabenrecht gehört und mit Zahlstellen Außenstehende „indienstgenommen” werden, eine klare Rechtsgrundlage verlangt werden (vgl. BSGE 69, 255, 259 = SozR 3-1500 § 24 Nr. 4). So ist etwa im Steuerrecht eine Steuerpflichtigkeit oder eine Haftung dessen, der Steuern einzubehalten und abzuführen hat, klar geregelt (vgl. §§ 33, 43 der Abgabenordnung und § 44 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes). An entsprechenden Vorschriften fehlt es hier. Jedenfalls hinsichtlich der Zahlstellen ist das gesetzliche Regelungssystem der RVO zur Beitragsschuldnerschaft, zur Haftung, zum Schadenersatz und zu Sanktionen geschlossen und nicht erweiterungsfähig.

Diesen Grundsätzen werden die in der Literatur vertretenen Auffassungen nicht gerecht, wonach unter der Geltung der RVO eine Inanspruchnahme der Zahlstellen als Beitragsschuldner, als Haftende oder auf Schadenersatz zulässig gewesen sein soll (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 454a; Hauck/Haines, Komm zum Sozialgesetzbuch, § 256 SGB V Rdnr. 18; Kierstein/Krückel/Rühling/Renner, Die Krankenversicherung der Rentner, Kennzahl 285 Anm. 3.2 und 3.5; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, § 393a RVO Anm. 3.2.3; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 393a RVO Anm. 4). Zur Begründung wird hierzu lediglich angeführt, aus Satz 6 des § 393a Abs. 2 RVO müsse im Umkehrschluß entnommen werden, daß die Zahlstelle für Verschulden hafte, wenn der Beitragseinzug endgültig erfolglos bleibe (Kierstein/Krückel a.a.O. Anm. 3.5). Mit dieser Vorschrift, nach der bei schuldlosem Unterbleiben des Einbehalts eine Nachholung der Beitragserhebung beim Versicherten durch die Krankenkasse erfolgt, läßt sich eine Haftung oder Schadenersatzpflicht der Zahlstellen bei Verschulden jedoch nicht begründen. Sie verlagert lediglich die Zuständigkeit für den Einzug von den Zahlstellen auf die Krankenkassen, wenn der Einbehalt durch die Zahlstellen schuldlos unterblieben ist, und läßt erkennen, daß bei schuldhaftem Verhalten der Zahlstellen (oder der Krankenkassen) der Versicherte frei wird (vgl. BSG SozR 2200 § 393a Nr. 2). Aus dieser Regelung darüber hinaus bei schuldhaftem Verhalten der Zahlstellen eine Haftung oder Schadenersatzpflicht herleiten zu wollen, ist nicht zwingend. Denn es ist durchaus denkbar, daß der Gesetzgeber bewußt davon abgesehen hat, eine derartige Pflicht der Zahlstellen zu begründen. Für sie ist, obwohl sie außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung stehen und ihnen ein erheblicher Verwaltungsaufwand aufgebürdet ist, eine Vergütung nicht vorgesehen. Außerdem ist wegen der genannten Melde- und Mitteilungspflichten sowie der Überwachungspflicht der Krankenkassen (§ 393a Abs. 4 Satz 1 RVO) die Gefahr von Beitragsausfällen ursprünglich möglicherweise als gering eingeschätzt und in Kauf genommen worden, zumal insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Trägern von Zahlstellen davon ausgegangen werden konnte, daß sie die gesetzliche Pflicht zum Einbehalt der Beiträge auch ohne Sanktionen erfüllen würden. Wenn es dennoch zu größeren Beitragsausfällen gekommen ist, so beruhte dieses darauf, daß manche Versicherte ihrer Meldepflicht (§ 317 Abs. 8 Satz 1 RVO) nicht nachkamen, die technische Durchführung des Verfahrens zwischen Krankenkassen und Zahlstellen auf Schwierigkeiten stieß und es Fehler bei Zahlstellen sowie bei manchen Krankenkassen, bei diesen auch in der Überwachung des Beitragseingangs gab. Die gesamte Regelung hat sich nach alledem als unvollkommen erwiesen und ist vom 1. Januar 1989 an in den §§ 202, 256 i.V.m. § 255 des Sozialgesetzbuchs – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) umgestaltet worden. Die Beitragsausfälle der Vergangenheit können nicht dadurch ausgeglichen werden, daß eine im Gesetz nicht enthaltene Schadenersatzpflicht der Zahlstellen angenommen wird.

Ein Schadenersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus der Nichterfüllung vertraglicher oder vertragsähnlicher Pflichten entsprechend § 280 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) oder nach den Grundsätzen über die positive Vertragsverletzung. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Mai 1989 (BSGE 65, 100, 104 = SozR 2200 § 393a Nr. 4) erwogen, daß es sich bei dem Verhältnis zwischen Krankenkassen und Zahlstellen um ein Auftragsverhältnis ähnlich dem zwischen Rentenversicherungsträgern und Krankenkassen als Einzugsstellen hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung handeln könne. Insofern bestehen jedoch erhebliche Unterschiede: Die Einzugsstellen entschieden nach früherem Recht auch für die Rentenversicherung über Versicherungs- und Beitragspflicht; die Rechtsbeziehungen zwischen Einzugsstelle und Rentenversicherungsträger waren als Treuhandverhältnis näher geregelt (§ 1399 Abs. 3, 4, §§ 1433 ff. RVO; § 121 Abs. 3, 4, §§ 155 ff. AVG; vgl. das Urteil vom 22. September 1993 – 12 RK 16/91, zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. nunmehr § 28h und § 28r SGB IV). Demgegenüber lag die Entscheidung über die Beitragspflicht der Versorgungsbezüge bei den Krankenkassen (§ 393a Abs. 2 Satz 1 RVO) und war nicht den Zahlstellen übertragen, zu denen die Beziehungen auch im übrigen nicht wie in einem Auftragsverhältnis ausgestaltet waren. Vielmehr waren Einbehalt und Einzahlung der Beiträge an die Krankenkassen als eigene (gesetzliche) Pflichten der Zahlstellen geregelt. Damit lagen zwischen Krankenkassen und Zahlstellen weder durch öffentlich-rechtliche Verträge (§§ 53 ff. des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – SGB X) noch durch Gesetz begründete Auftragsverhältnisse vor, wie sie (nur) unter (Sozial-) Leistungsträgern in den §§ 88 bis 93 SGB X geregelt sind und auf die möglicherweise nach § 61 Satz 2 SGB X ergänzend die Vorschriften des BGB entsprechend angewandt werden könnten. Soweit die Krankenkassen und die Zahlstellen in Form der Zahlstellen-Vereinbarungen öffentlich-rechtliche Verträge geschlossen haben, ist damit lediglich die Abwicklung des gesetzlichen Beitragseinzugsverfahrens näher geregelt und dieses teilweise abgewandelt worden. Daraus kann eine ansonsten nicht bestehende und auch in den Zahlstellen-Vereinbarungen nicht vorgesehene Schadenersatzpflicht nicht hergeleitet werden. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Zahlstellen sind auch im übrigen nicht vertragsähnlich. Die Zahlstellen stehen zu den Krankenkassen nicht in Versicherungsverhältnissen und sind auch nicht an solchen beteiligt, weil die Versorgungsbezüge keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung begründen und die Zahlstellen – anders als Arbeitgeber und Rentenversicherungsträger – auch keinen eigenen Beitragsanteil an den Versorgungsbezügen zu tragen haben. Inwieweit sich Schadenersatzpflichten ergeben, wenn innerhalb von Versicherungsverhältnissen Pflichten verletzt werden, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. dazu BSGE 45, 119 = SozR 2200 § 1542 Nr. 1; BSGE 66, 176 = SozR 3-4100 § 155 Nr. 1; BSGE 70, 186, 193 = SozR 3-1200 § 53 Nr. 4).

Eine entsprechende Anwendung von Auftragsrecht würde auch daran scheitern, daß eine nähere Ausgestaltung durch die Rechtsprechung nicht möglich wäre. Die §§ 88 bis 93 SGB X sind inhaltlich von den Besonderheiten der Auftragsverhältnisse unter (Sozial-) Leistungsträgern geprägt und auch aus diesem Grunde auf die beitragsrechtlichen Beziehungen zwischen Krankenkassen und Zahlstellen nicht übertragbar. Bei einer entsprechenden Anwendung von zivilrechtlichem Auftragsrecht wären die Krankenkassen als Auftraggeber verpflichtet, den Zahlstellen als Auftragnehmern ihre Aufwendungen zu ersetzen (§ 670 BGB; vgl. auch § 91 SGB X). Ein dahingehender Wille des Gesetzgebers ist jedoch nicht erkennbar und kann ausgeschlossen werden. Wegen der Vielzahl der Versicherten, bei denen Beiträge auf Versorgungsbezüge zu erheben sind, wäre im übrigen allein ein pauschalierter Aufwendungsersatz praktikabel, wie er bei der Einzugsstellenvergütung geregelt ist (Vomhundertsatz der eingezogenen Beiträge). Für die angemessene Höhe eines pauschalierten Aufwandes der Zahlstellen fehlt den Gerichten jeder Maßstab. Mußten demnach die Zahlstellen den Einbehalt und die Einzahlung der Beiträge an die Krankenkassen ohne Aufwendungsersatz vornehmen, so ist bei einer entsprechenden Anwendung von Auftragsrecht eine Haftung auch für leichte Fahrlässigkeit (BGHZ 30, 40, 47) nicht mehr gerechtfertigt. Vielmehr müßte erwogen werden, die Haftung der Zahlstellen wie beim Schenker oder beim Verleiher auf grobe Fahrlässigkeit (§§ 521, 599 BGB) oder wie beim unentgeltlichen Verwahrer auf eigenübliche Sorgfalt (§ 690 BGB) zu beschränken. Dabei könnte im Zivilrecht die Haftung sogar weiter bis auf Vorsatz beschränkt werden (vgl. § 276 Abs. 2 BGB). Welcher Maßstab hiernach zwischen Zahlstellen und Krankenkassen angemessen wäre, läßt sich im Wege der Rechtsanwendung nicht bestimmen.

Auch ein Anspruch auf Schadenersatz nach § 823 Abs. 2 BGB scheidet aus. Nach dem Vorstehenden ist die Vorschrift des § 393a Abs. 2 Satz 2 RVO über die Einbehaltungs- und Einzahlungspflicht der Zahlstellen kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB (zum Schutzgesetzcharakter von Normen allgemein BSGE 66, 176, 182/183 = SozR 3-4100 § 155 Nr. 1; zum fehlenden Schutzgesetzcharakter des § 202 Satz 2 SGB V Urteil vom 18. November 1993 – 12 RK 39/92, zur Veröffentlichung bestimmt). Es handelt sich vielmehr um eine nicht mit Sanktionen ausgestattete Regelung über die Heranziehung von Zahlstellen, um durch einen für die Krankenversicherung kostenlosen Quellenabzug den Einzug der Beiträge zu erleichtern. Für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S. des § 826 BGB besteht im vorliegenden Verfahren kein Anhalt.

Eine gewisse Bestätigung dafür, daß nach dem Recht der RVO keine Haftung oder Schadenersatzpflicht der Zahlstellen für den schuldhaft unterbliebenen Einbehalt von Beiträgen bestand, ist in der seit dem 1. Januar 1989 geltenden Neuregelung der §§ 255, 256 SGB V zu finden. Darin ist, wenn die Beiträge von Renten oder Versorgungsbezügen nicht einbehalten werden, eine Haftung der Rentenversicherungsträger oder der Zahlstellen grundsätzlich nicht vorgesehen. Vielmehr ist der Einbehalt von den weiterhin zu zahlenden Bezügen vorzunehmen (§ 255 Abs. 2 Satz 1, § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Ist dies nicht mehr möglich, weil Renten oder Versorgungsbezüge nicht mehr gezahlt werden, so obliegt der Einzug der rückständigen Beiträge den Krankenkassen (§ 255 Abs. 2 Satz 2, § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Die Träger der Rentenversicherung hafteten nach § 256 Abs. 2 Satz 3 SGB V lediglich mit dem Beitragszuschuß (Satz 3 aF) und haften heute mit dem von ihnen zu tragenden Beitragsanteil (Satz 3 nF). Demnach soll eine weitergehende Haftung der Rentenversicherungsträger für eine Verletzung der in § 255 SGB V geregelten Pflichten anscheinend nicht bestehen. Entsprechend würde eine Haftung der Zahlstellen für Beitragsausfälle, die auf einer Verletzung der Pflichten nach § 256 SGB V beruhen, ganz ausscheiden. Denn es gibt keinen von den Zahlstellen zu tragenden Beitragszuschuß oder Beitragsanteil, so daß folgerichtig in § 256 Abs. 2 Satz 1 SGB V der Satz 3 des § 255 Abs. 2 SGB V nicht für entsprechend anwendbar erklärt wird. Angesichts dieser Neuregelung kann für Versehen von Zahlstellen, wie sie in der mit zahlreichen rechtlichen Zweifeln und praktischen Schwierigkeiten behafteten Anfangsphase der Beitragserhebung von Versorgungsbezügen vorgekommen sind, eine Haftung oder Schadenersatzpflicht der Zahlstellen umso weniger angenommen werden.

Hiernach erwies sich die Revision der Klägerin als unbegründet und war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 582830

BSGE, 217

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