Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionsbeklagte

 

Tatbestand

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht gegenüber dem Kläger eine Sperrzeit festgestellt hat. Mit Verfügung vom 13. Juni 1978 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) ab 1. Juni 1978 für die Dauer von 234 Tagen bewilligt. Das Arbeitsamt bot ihm im Rahmen seiner Vermittlungsbemühungen am 11. Juli 1978 durch die Arbeitsvermittlerin B… (B.) eine Stelle bei der Firma F… (F.) in R… an. Eine Einstellung kam nicht zustande, weil der Kläger die angebotene Stelle nicht antrat. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) hat die Arbeitsvermittlerin B… dem Kläger bei dem Vermittlungsvorschlag eine Rechtsfolgenbelehrung dahin erteilt, er habe im Falle eines von ihm zu vertretenden Scheiterns der Vermittlung die leistungsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Daß Frau B… dabei den Fachausdruck "Sperrzeit" gebraucht hat, hat sie bei ihrer Vernehmung als Zeugin selbst nicht behauptet.

Mit Bescheid vom 24. August 1978 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 1978 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 18. Juli bis 14. August 1978 fest. Außerdem hob sie die Entscheidung über die Bewilligung der Leistungen aufgrund von § 151 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) für die Dauer der Sperrzeit auf und forderte die für diesen Zeitraum gezahlten 300,- DM zurück.

Das Sozialgericht (SG) hat die Arbeitsvermittlerin B… unter Angabe des Beweisthemas "Belehrung des Klägers" als Zeugin zu dem Termin am 8. Mai 1979, an dem gleichzeitig auch mündlich verhandelt und entschieden werden sollte, geladen. Den Kläger lud es zu diesem Termin mit dem Hinweis, es könne im Falle seines Ausbleibens auch ohne ihn nach Aktenlage verhandelt und entschieden werden. Nachdem die Zeugin B… unter Hinweis auf ihre Versetzung nach M… gebeten hatte, von der Pflicht zum Erscheinen entbunden zu werden, forderte der Vorsitzende die Zeugin zur Abgabe einer dienstlichen Äußerung auf, welche am 17. April 1979 erfolgte. Diese Äußerung stellte er kommentarlos dem Kläger zu, ohne diesen davon zu unterrichten, daß die Ladung der Zeugin durch Verfügung vom 24. April 1979 inzwischen aufgehoben war. Mit Verfügung vom 26. April 1979 wurde der Kläger nunmehr persönlich geladen und darauf hingewiesen, die Terminsmitteilung vom 19. März 1979 sei hinfällig. Mit dem Schreiben vom 1. Mai 1979, das am 3. Mai1979 beim SG einging, informierte der Kläger das Gericht, er wohne inzwischen in K…. Daraufhin sandte das SG unter dem 3. Mai 1979 an den Kläger per Einschreiben eine weitere Verfügung, in der es hieß, das persönliche Erscheinen zum Termin am 8. Mai 1979 sei nicht notwendig. Die Ladung vom 26. April1979 sei aufgrund des Wohnsitzwechsels hinfällig. Die Terminsmitteilung vom 19. März 1979 werde aufrechterhalten. Es werde darauf hingewiesen, daß die dem Kläger durch die Wahrnehmung des Termins am 8. Mai 1979 entstehenden Kosten von der Staatskasse nicht übernommen würden, sofern er den Rechtsstreit verlieren sollte. Zum Termin erschien der Kläger nicht. Das SG hat nach Durchführung der Verhandlung die Klage mit Urteil vom 8. Mai 1979 abgewiesen. Es erachtete die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und hat die Berufung nicht zugelassen.

Mit der Berufung hat der Kläger u.a. gerügt, das SG habe die ordnungsgemäße Ladungsfrist (§ 110 Sozialgerichtsgesetz -SGG-, § 217 Zivilprozeßordnung) nicht gewahrt. Infolgedessen habe er nicht fristgemäß um Bewilligung des Armenrechts nachsuchen und - nach dessen Bewilligung - persönlich erscheinen und den Sachverhalt aufklären können. Durch die Art und Weise, in der er geladen worden sei, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Aufgrund der Verfügung vom 26. April 1979 habe er nämlich davon ausgehen können, daß er zum 8. Mai 1979 persönlich geladen war und daher auch seine Fahrkosten erstattet bekommen würde. Die Aufhebung dieser Ladung bzw. ihre Ersetzung durch die Verfügung vom 3. Mai 1979 sei so kurzfristig erfolgt, daß er sich auf die neue Lage nicht mehr habe einstellen und entweder Vertagung beim Gericht oder Kostenvorschuß bei der Sozialbehörde hätte beantragen können.

Das LSG hat mit Urteil vom 13. Oktober 1981 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und ausgeführt: Das Rechtsmittel sei zwar an sich gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, weil es sich um Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen bis zu 13 Wochen (3 Monaten) handele. Ungeachtet dessen sei die Berufung gem. § 150 Nr. 2 SGG zulässig, weil der Kläger einen Verfahrensmangel gerügt habe, der auch durchgreife. Da er keine Gelegenheit gehabt habe, sich vor Erlaß der Entscheidung des SG zum Prozeßstoff und insbesondere zu der am 17. April 1979 von der Zeugin B… abgegebenen dienstlichen Äußerung abschließend zu erklären, sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. In der Sache sei die Berufung jedoch nicht begründet. Die Beklagte habe zu Recht den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen festgestellt. Der Kläger habe die ihm angebotene Arbeit bei der Firma F… nicht angetreten. Einen wichtigen Grund für sein Verhalten habe er nicht gehabt. Er sei auch über die Rechtsfolgen belehrt worden, die eintreten könnten, falls er die angebotene Arbeit ablehnen würde, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Zwar habe die Zeugin B… nicht behauptet, daß sie den Fachausdruck "Sperrzeit" gebraucht habe. Für die Rechtsfolgenbelehrung genüge es jedoch auch, daß sie den Kläger auf die Zumutbarkeit einer Tätigkeit als Papierschneider in seinem Falle hingewiesen und ihm vor Augen geführt habe, im Falle eines von ihm zu vertretenden Scheiterns der Vermittlung habe er die leistungsrechtlichen Konsequenzen zu tragen.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 119 Abs. 1 AFG. Er trägt vor, das LSG habe nicht beachtet, daß die Arbeitsvermittlerin B… ihm nicht die erforderlichen Informationen gegeben habe, die für seine Entscheidung, ob er das Angebot annehme oder ablehne, notwendig gewesen seien. Ihm habe entgegen der Auffassung des LSG ein wichtiger Grund für die Ablehnung des Arbeitsangebotes zur Seite gestanden. Darüber hinaus entspreche die ihm erteilte Rechtsfolgenbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Außerdem beruhe das Urteil des LSG auf Verfahrensmängeln.

Der Kläger beantragt, die Urteile der Vorinstanzen und die Bescheide der Beklagten vom 24. August und 8. November 1978 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es entspreche hinsichtlich des Inhalts des Arbeitsangebotes der jüngeren Rechtsprechung des Senats (SozR 4100 § 119 Nr. 15). Bezüglich des Vorliegens einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung könne das Urteil des LSG ebenfalls auf diese Rechtsprechung gestützt werden. Ebenso wie ein nicht ausreichendes Arbeitsangebot durch Aufsuchen des Arbeitgebers und die hiermit eröffnete Möglichkeit, noch offene Fragen zu klären, geheilt werde, müsse auch eine evtl. nicht vollständige mündliche Rechtsfolgenbelehrung durch die dabei bestehende Möglichkeit zur Klärung von Unklarheiten im Beratungsgespräch als ausreichende Rechtsfolgenbelehrung behandelt werden. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich bisher nur zur schriftlichen Rechtsfolgenbelehrung festgelegt. Bei einer mündlichen Belehrung könne eine Konkretisierung, wenn erforderlich, erfragt werden. Bei dem vom LSG angenommenen Intelligenzgrad des Klägers hätte ihm das Fragen überlassen werden können.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist begründet.

Der Senat konnte in der Sache entscheiden. Die Berufung des Klägers war zulässig, was bei einer zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen ist. Die vom Kläger angefochtenen Verwaltungsakte enthalten zwei Aussprüche, einmal die Feststellung der Sperrzeit mit der Aufhebung der Bewilligung des Alg und zum anderen die Rückforderung des für diese Zeit gezahlten Algs in Höhe von 300,- DM. Hinsichtlich des ersten Ausspruchs ist die Berufung an sich gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, weil sie Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten) betrifft; soweit die Rückerstattung der 300,- DM im Streit ist, ist die Berufung an sich gem. § 149 SGG ausgeschlossen, weil der Beschwerdewert 1.000,- DM nicht übersteigt. Ungeachtet dessen ist sie jedoch, wie das LSG richtig erkannt hat, gem. § 150 Nr. 2 SGG zulässig. Der Kläger hat vor dem LSG einen wesentlichen Mangel im Verfahren des SG gerügt, der auch vorliegt. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, hat das SG auf dem Wege zu seiner Entscheidung gegen den Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanzen sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig. Mit ihnen ist die Bewilligung von Alg für die Zeit der festgestellten Sperrzeit zu Unrecht gem. § 151 Abs. 1 AFG (a.F.) aufgehoben worden. Damit ist auch die Grundlage für eine Rückforderung gem. § 152 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 AFG a.F. weggefallen. Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit gem. § 119 Abs. 1 AFG haben nicht vorgelegen. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG tritt eine Sperrzeit von vier Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger die ihm am 11. Juli 1978 angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte dies nicht den Eintritt einer Sperrzeit auslösen. Es fehlt eine ausreichende Rechtsfolgenbelehrung.

Wie der Senat schon mehrfach ausgeführt hat, hat die Rechtsfolgenbelehrung nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG zwingenden formalen Charakter; deshalb muß sie im Zusammenhang mit jedem einzelnen Vermittlungsangebot erneut und wirksam erfolgen. Dies folgt aus ihrem übergeordneten sozialen Schutzzweck, nämlich den Arbeitslosen vor den Folgen einer unbegründeten Arbeitsablehnung - Sperrzeit - zu warnen (vgl. BSG SozR 4100 § 119 Nrn. 5, 9, 15, 18). Die Rechtsfolgenbelehrung muß deshalb als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit konkret, richtig, vollständig und verständlich sein, d.h. sie muß dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch die ohne wichtigen Grund erfolgende Ablehnung des ihm soeben unterbreiteten Arbeitsangebotes nach sich ziehen kann. Das ist vom Zweck der Rechtsfolgenbelehrung her selbstverständlich, entspricht der Absicht des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. V/4110, Begründung zu § 108a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 - S. 21 -) und wird in der Rechtsprechung (s. die vorstehend aufgeführten Entscheidungen) und Literatur im Ergebnis nicht anders verstanden (vgl. Schönefelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, RdNr. 15 zu § 119; Hennig/Kühl/Heuer, Kommentar zum AFG, Erl. 7 zu § 119 - 28. Erg.-Lfg. -; Eckert u.a., Gemeinschaftskommentar zum AFG, RdNr. 36 zu § 119; Krebs, Kommentar zum AFG, RdNr. 24 zu § 119).

Diesen Erfordernissen genügt die von der Arbeitsvermittlerin B… erteilte Rechtsfolgenbelehrung nicht. Sie ging nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG dahin, der Kläger habe im Falle eines von ihm zu vertretenden Scheiterns der Vermittlung die leistungsrechtlichen Konsequenzen zu tragen. Sie erklärte damit nicht konkret, vollständig und richtig, mit welchen Rechtsfolgen der Kläger zu rechnen habe, wenn er ohne wichtigen Grund das Arbeitsangebot ablehnen sollte. Hierzu ist die verständliche Aussage erforderlich, daß er in diesem Falle den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen verursacht, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Herabsetzung von zwei Wochen vorlagen, daß während dieser Zeit der Anspruch auf Alg ruht und sich um die Tage der Sperrzeit die Dauer des Anspruchs auf Alg mindert.

Zu Unrecht meint die Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 21. Juli 1981 (SozR 4100 § 119 Nr. 15), ebenso wie bei einem nicht ausreichenden Arbeitsangebot könne ein entsprechender Mangel der Rechtsfolgenbelehrung durch die dabei bestehende Möglichkeit der Klärung im Beratungsgespräch beseitigt werden. Eine Konkretisierung der Rechtsfolgenbelehrung könne, wenn erforderlich, erfragt werden. Die Beklagte übersieht dabei, daß der Senat in dem vorstehend aufgeführten Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen hat, daß die Erwägungen über den Verlust des Rechtes, sich auf die Unbestimmtheit eines Angebotes berufen zu können, bei einer unvollständigen oder aus sonstigen Gründen unzureichenden Rechtsfolgenbelehrung keine Anwendung finden. In seinem Urteil vom 10. Dezember 1981 (SozR 4100 § 119 Nr. 18) hat dies der Senat nochmals bekräftigt und darauf hingewiesen, daß es für die Frage, ob eine richtige Rechtsfolgenbelehrung vorliegt, nicht auf das Kennen oder Kennenmüssen der Rechtsfolgen durch den Arbeitslosen, sondern auf das Handeln dessen ankomme, der das Arbeitsangebot unterbreite. Als formale und zwingende Bedingung für den Eintritt des Erfolges "Sperrzeit" müsse deshalb die Rechtsfolgenbelehrung mit jedem einzelnen Vermittlungsangebot erneut erfüllt werden, und zwar in einem eindeutigen zeitnahen und sachlichen Zusammenhang. Der Senat sieht keine Veranlassung, von dieser Auffassung abzuweichen, auch wenn die Rechtsfolgenbelehrung nur mündlich erteilt wird.

Die angefochtenen Bescheide und die Urteile der Vorinstanzen sind daher aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518384

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