Leitsatz (amtlich)

Verwertet eine Bank sicherungsübereignete Sachen eines mit ihr in laufender Geschäftsverbindung stehenden Schuldners, so ist dessen Anspruch auf den der Bank nicht gebührenden Mehrerlös in der Regel kontokorrentgebunden und unterliegt nicht der Pfändung durch einen anderen Gläubiger des Schuldners.

 

Normenkette

HGB §§ 355, 357; BGB § 399; ZPO § 829

 

Verfahrensgang

LG Berlin

KG Berlin

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 23. Oktober 1980 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagte Bank als Drittschuldnerin aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wegen einer ihm gegen den Fahrschulinhaber S… (nachfolgend Schuldner) zustehenden Forderung in Anspruch.

Gegen den Schuldner hat der Kläger eine Forderung aus einer vollstreckbaren Urkunde auf Zahlung von 50.000,– DM zuzüglich Zinsen. Wegen dieser Forderung ließ er am 3. Juli 1979 der Beklagten ein vorläufiges Zahlungsverbot zustellen, in dem er die bevorstehende Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte „auf Zahlung der derzeitigen und zukünftigen Guthaben der Konten Nr. …” ankündigte. Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 16. Juli 1979, der der Beklagten am 20. Juli 1979, zugestellt wurde, wurden die im vorläufigen Zahlungsverbot genannten angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen die Beklagte für den Kläger gepfändet und diesem zur Einziehung überwiesen.

Die Eheleute G… hatten gegen den Schuldner, eine vollstreckbare Forderung über 108.000,– DM zuzüglich Zinsen. Sie ließen der Beklagten am 29. Juni 1979 ein vorläufiges Zahlungsverbot zustellen, in dem sie die bevorstehende Pfändung der Ansprüche des Schuldners auf „Rückübereignung der (der Beklagten) sicherungsübereigneten Fahrzeuge 2-× Golf und 2 × Ascona ankündigten”. In dem nachfolgenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 18. Juli 1979, der der Beklagten am 19. Juli 1979 zugestellt wurde, wurde die angebliche Forderung des Schuldners „aus dem Bank- und Kreditvertrag zwischen Schuldner und (der Beklagten) … auf Auszahlung gegenwärtigen und zukünftigen Guthabens (bei der Beklagten) geführten Konten einschließlich Depotkonten, auf Rückübereignung zweier Pkw Typ Golf und zweier Pkw Typ Ascona, einschließlich Herausgabe der Kfz-Briefe” gepfändet und den Eheleuten Grünberg zur Einziehung überwiesen.

Die Beklagte veräußerte die ihr sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge und schrieb den nach Abzug ihrer Forderung gegen den Schuldner verbleibenden Betrag dem Konto Nr. … gut. Diesen Betrag überwies sie den Eheleuten G…, weil nach ihrer Ansicht deren Pfandrecht demjenigen des Klägers vorging. Der Kläger hält sein Pfandrecht für vorrangig und verlangt von der Beklagten Zahlung von 10.992,68 DM nebst Zinsen. Das Landgericht gab der Klage in Höhe von 10.879.08 DM statt. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos.

Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe an dem Anspruch des Schuldners auf Auszahlung der Guthaben auf dem Konto Nr. … ein Pfandrecht erworben, das, sich nicht nur auf das am 3. Juli 1979 vorhandene, Guthaben erstreckt, sondern bis zur vollständigen Befriedigung des Klägers alle zukünftigen Aktivsalden auf dem Konto erfaßt habe. Mit diesen Ausführungen die von der Revision nicht angegriffen werden, befindet sich das Berufungsgericht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 80, 172).

Entgegen der Ansicht der Revision, ist dem Berufungsgericht auch darin beizupflichten, daß es der Einhaltung der in § 798 ZPO vorgesehenen Wartefrist für den Beginn der Zwangsvollstreckung aus einer vollstreckbaren Urkunde nicht bedurfte. Diese Frist brauchte der Kläger im Hinblick auf den Sicherungszweck der Vorpfändung und deren Eilbedürftigkeit nach herrschender Meinung nicht einzuhalten(Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 39. Auf. § 845 Anm. 4 D; Thomas/Putzo, ZPO 11. Aufl. § 845 Anm. 2; Zöller/Scherübl, ZPO 13. Aufl. § 845 Anm. II 1 m. w. N.).

II.

Das Berufungsgericht ist zu Recht der Auffassung, daß die Pfändung des Anspruchs des Schuldners auf Rückübereignung der der Beklagten sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge zugunsten der Eheleute G… gleichfalls wirksam ist.

III.

Das. Berufungsgericht nimmt an, daß das Pfandrecht des Klägers demjenigen der Eheleute G… vorgehe. Dem der Beklagten am 19. Juli 1979 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluß zugunsten der Eheleute komme nämlich keine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des vorläufigen Zahlungsverbots vom 29. Juni 1979 zu, weil diese sogenannte Vorpfändung sich allein auf die Rückübereignung sicherungsübereigneter Kraftfahrzeuge bezogen habe. Es werde zwar die Meinung vertreten, daß bei der Pfändung eines Herausgabeanspruchs nach der Veräußerung der sicherungsübereigneten Sache durch den Drittschuldner der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung des Übererlöses an die Stelle des Herausgabeanspruchs trete. Hier ergebe indessen die Auslegung des von den Eheleuten G… erwirkten vorläufigen Zahlungsverbots, daß diese sich „zunächst” nur den Anspruch des Schuldners auf Rückübereignung von Kraftfahrzeugen hätten sichern wollen. Eine ausdehnende Auslegung des vorläufigen Zahlungsverbots scheitere daran, daß die vom vorpfändenden Gläubiger zu bezeichnende Forderung des Schuldners zumindest bestimmbar sein müsse, was hinsichtlich des Anspruchs auf einen etwaigen Mehrerlös nicht der Fall sei. Eine Surrogation sei nicht eingetreten. Überdies erfasse ein Pfandrecht das Surrogat nur in den gesetzlich geregelten Fällen. Ein derartiger Fall sei hier nicht gegeben. Schließlich sei ein Anspruch auf Auszahlung des bei der Veräußerung der Kraftfahrzeuge durch die Beklagte erzielten Mehrerlöses nicht als Nebenrecht anzusehen und daher nicht gem. § 401 BGB auf die Eheleute G… übergegangen. Die vom Landgericht zuerkannten 10.879,08 DM nebst Zinsen stünden mithin dem Kläger zu.

Die Revision gegen dieses Urteil hat im Ergebnis keinen Erfolg.

1. Es kann dahingestellt bleiben, ob entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nach der Veräußerung der Kraftfahrzeuge anstelle des von den Eheleuten G… gepfändeten Rückübereignungsanspruchs des Schuldners der Anspruch auf den nach Befriedigung der Beklagten verbleibenden Mehrerlös tritt, was allerdings naheliegt (vgl. RG WarnRspr. 1914 Nr. 347 = S. 487, 490; BGH, Urteil vom 28. April 1965 – VIII ZR 113/63 = WM 1965, 517 = LM ZPO § 857 Nr. 8; Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. III § 34 Anm. III 3 = S. 238 ff.).;

2. Das Berufungsurteil erweist sich nämlich aus einem anderen Grunde als zutreffend (§ 563 ZPO).

a) Der Anspruch auf den bei der Verwertung der Kraftfahrzeuge erzielten Mehrerlös war kontokorrentgebunden. Besteht, wie in der Regel bei einem Bankkonto, eine Kontokorrentabrede, so unterliegen nach § 355 HGB die sich aus der Geschäftsverbindung ergebenden gegenseitigen Ansprüche und Leistungen der Kontokorrentbindung (Canaris, Großkommentar zum HGB, 3. Aufl. § 355 Anm. 43). Im Zweifel sind alle Ansprüche und Leistungen, die aus der Geschäftsverbindung entstanden sind, kontokorrentzugehörig (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1958 – II ZR 127/57 = WM 1959, 81, 83 = NJW 1959, 1068), sofern es sich nicht nach Art und Umfang um ungewöhnliche Geschäfte handelt (Canaris, a.a.O.).

b) Hier sind Anhaltspunkte dafür, daß die Kontokorrentbindung ausnahmsweise ausgeschlossen worden sei, nicht ersichtlich. Im Gegenteil spricht für die Kontokorrentbindung des Anspruchs auf den Mehrerlös, daß die Beklagte die ihr sicherungsübereignete Fahrzeuge zur Abdeckung ihrer aus der Geschäftsverbindung mit dem Schuldner entstandenen Forderungen verwertete. Dementsprechend ist die Beklagte auch verfahren. Sie hat für den Mehrerlös nicht ein Separatkonto geführt, worin möglicherweise eine Herausnahme der Forderung aus, dem Kontokorrent gesehen werden könnte (Canaris, a.a.O.). Es kommt hinzu, daß die beklagte Bank nicht geltend gemacht hatte, daß die Kontokorrentbindung ausgeschlossen worden sei, obgleich diese Behauptung für ihre Rechtsverteidigung in dem Prozeß günstig gewesen wäre.

c) Ist ein Anspruch kontokorrentgebunden, so tritt diese Bindung mit der Entstehung des Anspruchs ein. Folge der Kontokorrentzugehörigkeit einer Forderung ist deren Unabtretbarkeit (BGH, Urteil vom 21. Dezember 1970 – II ZR 52/68 = WM 1971, 178) und deren Unpfändbarkeit (BGHZ 80, 172, 175/176). Das folgt aus § 357 HGB, weil diese Vorschrift ersichtlich nur die Saldopfändung zulassen will und überflüssig wäre, wenn eine Pfändung der einzelnen kontokorrentgebundenen Forderungen möglich wäre (Canaris, a.a.O., § 355 Anm. 62).

d) Der Anspruch auf den Mehrerlös war daher – nicht gesondert pfändbar, so daß die Pfändung der Eheleute G… ins Leere ging. Dabei kann offenbleiben, ob der Anspruch des Schuldners auf Auskehrung des Mehrerlöses im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Pfändung der Eheleute G… sich der Höhe nach mit dem Guthaben auf dem Konto Nr. … deckte. Es wird zwar die Meinung vertreten, die Pfändung einer kontokorrentgebundenen Einzelorderung könne unter Umständen in eine Saldopfändung umgedeutet werden (Baumbach/Duden, HGB, 24. Aufl. § 357 Anm. 8 A; Liesecke WM 1975, 314, 320). Indessen muß im Interesse der Rechtssicherheit bei der Pfändung einer Forderung diese so bestimmt bezeichnet sein, daß bei einer sachgerechten Auslegung die Identität der gepfändeten Forderung sich aus dem Beschluß wenigstens in allgemeinen Umrissen für die Parteien wie für Dritte erkennbar ergibt (BGH, Urteil vom 26. April 1978 – VIII ZR 18/77 = WM 1978, 613 = MDR 1978, 839). Ob die Beklagte oder die Eheleute G… bei der Vorpfändung überhaupt an eine Pfändung der Saldoforderung dachten, ist fraglich. Jedenfalls der Kläger konnte nicht erkennen und brauchte nicht zu prüfen, ob möglicherweise die Pfändung des Rückübereignungsanspruchs bzw. des Anspruchs auf den Mehrerlös sich auf den Saldo erstreckte, und dieser demnach für eine eigene Pfändung frei war. Die Vorpfändung der Eheleute G… kann daher nicht dahin ausgelegt werden, daß die Pfändung sich auf den Saldo bezog. Daß mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 18. Juli 1979 auch der Anspruch auf Auszahlung der Guthaben auf den bei der Beklagten geführten Konten des Schuldners zugunsten der Eheleute gepfändet wurde, ist unerheblich, weil diese Pfändung erst nach derjenigen des Klägers wirksam wurde.

3. Da das Berufungsgericht demnach im Ergebnis darin Recht hat, daß der Mehrerlös dem Kläger zusteht, war die Revision der Beklagten zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609705

NJW 1982, 1150

ZIP 1982, 292

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