Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Berufsrecht Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlungen, die ein Betriebsinhaber an den Gläubiger seines im Betrieb unentgeltlich mitarbeitenden Ehegatten gemäß § 850h Abs. 2 ZPO erzwungenermassen leistet, sind für ihn Betriebsausgaben, für den Ehegatten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. EStG 1955 §§ 4 Abs. 4 Satz 1, 19.

 

Normenkette

EStG § 4/4/1, § 19; ZPO § 850h Abs. 2

 

Tatbestand

Der Bg. hat in dem Gewerbebetrieb seiner Ehefrau ohne Gehaltszahlung mitgearbeitet. Wegen einer Zollforderung sind seine gemäß § 850h Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) zu unterstellenden Ansprüche gegen die Ehefrau in Höhe von 7 802,75 DM gepfändet worden. Diesen Betrag hat die Ehefrau im Jahre 1955 bezahlt. Streitig ist die Behandlung dieses Betrages bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1955.

Das Finanzamt hat es abgelehnt, die Ausgabe von 7 802,75 DM von den gewerblichen Einkünften der Ehefrau abzuziehen und hat die Ehegatten - weil diesfalls für sie günstiger - gemeinsam veranlagt. Der Bg. hat getrennte Veranlagung beantragt, wobei der Betrag von 7 802,75 DM bei seiner Frau als Betriebsausgabe abzurechnen, bei ihm als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu versteuern sei. Das Berufungsgericht hat die Steuer für die Eheleute getrennt festgesetzt, und zwar für die Ehefrau auf 9 905 DM nach Abzug des erwähnten Betrages in Höhe von 7 802 DM aus einem Einkommen von 33 500 DM, für den Ehemann auf 1 224 DM aus 7 802 DM Einkünften aus Kapitalvermögen abzüglich 200 DM Sonderausgabenpauschbetrag. Das Finanzgericht verneint ein Arbeitsverhältnis zwischen den Ehegatten, weil im Jahr 1955 weder klare Vereinbarungen vorgelegen hätten noch die praktischen Folgerungen aus einem etwa vereinbarten Arbeitsverhältnis gezogen worden sind. Es nimmt jedoch eine stille Beteiligung des Bg. an dem Betrieb seiner Ehefrau an, weil dessen Tätigkeit im Jahr 1955 für den Betrieb von wesentlicher Bedeutung gewesen sei.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit der Rb. Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Seiner Ansicht nach ist die Bezahlung der Zollforderung als eine Privatentnahme anzusehen. Er beantragt, die Berufungsentscheidung aufzuheben und die Einspruchsentscheidung wieder herzustellen.

Der Bg. hat Anschlußbeschwerde erhoben. Mit dieser beantragt er, unter teilweiser änderung des Berufungsurteils sein Einkommen nicht der Einkommensteuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern der Lohnsteuer zu unterwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rb. kann nicht gefolgt werden. Die Anschlußbeschwerde ist begründet.

Der Bf. rügt zunächst, die angefochtene Entscheidung beruhe auf einem Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten (ß 288 Ziff. 1 AO). Die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsurteils lassen jedoch einen solchen Verstoß nicht erkennen. Im einzelnen sind in der Beschwerdebegründung auch keine tatsächlichen, sondern nur rechtliche Rügen erhoben.

Dem Finanzgericht ist darin beizutreten, daß die Zahlung der 7 802,75 DM keine Privatentnahme, sondern eine Betriebsausgabe (ß 4 Abs. 4 Satz 1 EStG 1955) der Ehefrau des Bg. ist. Denn diese hat nicht als Ehefrau freiwillig eine Schuld des Mannes erfüllt, sondern eine Schuld getilgt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Inhaberin des gewerblichen Betriebs durch die Pfändung des Hauptzollamts als eigene Schuld angefallen war (ß 361 Satz 2 AO).

Nach dem hier angewandten § 850h Abs. 2 Satz 1 ZPO gilt im Verhältnis des Pfandgläubigers zu dem Empfänger der von dem Schuldner - hier: Bg. - erbrachten Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet, wenn der Schuldner diesem Dritten - hier: seiner Ehefrau - unentgeltlich oder gegen eine verhältnismäßig geringe Vergütung in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste leistet, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden. Diese Arbeiten oder Dienste sind dem gewerblichen Betrieb der Ehefrau des Bg. zugute gekommen; ihre durch § 850h Abs. 2 ZPO erzwungene Vergütung ist daher eine Betriebsausgabe dieses Betriebs und mindert als solche den Betriebsgewinn (ß 4 Abs. 4 EStG 1955).

Die Frage nach der steuerlichen Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Ehegatten kann im vorliegenden Fall nicht auftreten. Denn § 850h Abs. 2 Satz 1 ZPO in der hier maßgeblichen Alternative setzt ja gerade voraus, daß ein Arbeitsverhältnis im bürgerlich-rechtlichen Sinne nicht besteht oder zumindest nicht beweisbar ist. § 850h Abs. 2 Satz 1 ZPO schützt den Gläubiger davor, daß sich sein Schuldner der Vollstreckung dadurch entzieht, daß er ein nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zu entlohnendes Arbeits- oder Dienstverhältnis vermeidet. Die besonders sorgfältige Prüfung der Ehegattenarbeitsverhältnisse soll dagegen verhindern, daß zu Lasten des Steuergläubigers im wirtschaftlichen Sinn nicht ernstlich gemeinte, bürgerlich-rechtlich aber wirksame Dienst- und Arbeitsverträge berücksichtigt werden.

In den Fällen des § 850h Abs. 2 ZPO ist grundsätzlich davon auszugehen, daß die maßgebenden Arbeiten oder Dienste dem Betrieb tatsächlich geleistet worden sind. Eine Zahlung auf Grund des § 850h Abs. 2 ZPO könnte deshalb nur dann nicht als eine Betriebsausgabe, sondern als eine Privatentnahme angesehen werden, wenn der Gläubiger bei Erwirkung oder Vollzug des Vollstreckungstitels oder der Drittschuldner bei Erfüllung des behaupteten Anspruchs Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts oder des Zivilprozeßrechts mißbraucht hätte (ß 6 Abs. 1 und 2 StAnpG). Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben.

Zutreffend beanstanden dagegen beide Parteien, daß das Berufungsgericht von einer stillen Beteiligung des Bg. an dem Betrieb seiner Ehefrau ausgegangen ist. Eine stille Gesellschaft im Sinne des § 335 HGB scheidet schon deshalb aus, weil es an einer entsprechenden Vereinbarung der Eheleute fehlt. Das Finanzgericht hat eine solche nicht festzustellen vermocht; beide Parteien bestreiten sie. Das schließt freilich eine bürgerlich-rechtliche Innengesellschaft (§§ 705 ff. BGB) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bd. 8 S.249; Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 705 Nr. 5 BGB) nicht aus. Bereits in dem Urteil des erkennenden Senats I 116/58 U vom 26. August 1958 (BStBl 1958 III S. 445, Slg. Bd. 67 S. 450) - auf das sich das Finanzgericht zu Unrecht beruft - ist aber dargelegt, daß eine solche faktische Innengesellschaft, deren Konstruktion allein den Unzuträglichkeiten des damaligen Güterrechts abzuhelfen bestimmt war, für das Steuerrecht nicht anerkannt werden kann. Die umgekehrte Interessenlage des vorliegenden Falles rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die dem Bg. durch Befreiung von seiner Zollschuld zugeflossenen Einkünfte sind solche aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1955. Denn sie sind ein Vorteil, der für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt worden ist. Daß ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts nicht vorgelegen hat, ist hier unerheblich (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 134/57 U vom 18. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 384, Slg. Bd. 67 S. 290). Ebenso ist es gleichgültig, daß der Bg. selbst möglicherweise keinen Rechtsanspruch auf die von seiner Ehefrau erbrachte Leistung hatte (ß 19 Abs. 1 Satz 2 EStG 1955).

Demzufolge war die gegen den Ehemann gerichtete Vorentscheidung auf dessen Anschlußbeschwerde ersatzlos aufzuheben. Die von diesem geschuldete Steuer ist nach den für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (ß 2 Abs. 3 Ziff. 4, § 19 EStG 1955) geltenden Vorschriften - im besonderen unter Berücksichtigung der Pauschbeträge des § 9a Satz 1 Ziff. 2, § 10c Ziff. 1 EStG 1955 - nach den Grundsätzen der Nettolohnbesteuerung - also aus dem Bruttobetrag, der nach Abzug der Lohnsteuer den Betrag von 7 802,75 DM ergibt - im Verfahren gemäß §§ 38 ff. EStG zu erheben.

Damit ist es aber auch notwendig, die gegen die Ehefrau gerichtete Vorentscheidung, die infolge Einlegung der Rb. des Vorstehers des Finanzamts zu deren Gunsten zu überprüfen ist, aufzuheben. Denn der für das Jahr 1955 ausgewiesene Gewerbegewinn mindert sich nicht nur um die von dem Finanzgericht bereits angerechnete Zahlung von 7802,75 DM, sondern auch um die aus diesem Nettobetrag von ihr abzuführende Lohnsteuer, für die eine Rückstellung gebildet werden kann.

Insoweit wird die Sache gemäß § 296 Abs. 3 AO an das Finanzamt zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411308

BStBl III 1964, 621

BFHE 1965, 407

BFHE 80, 407

BB 1964, 1284

DB 1964, 1503

DStR 1964, 653

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