Entscheidungsstichwort (Thema)

Telefonkosten als Werbungskosten bei doppelter Haushaltsführung

 

Leitsatz (NV)

Bei einer beruflich veranlaßten doppelten Haushaltsführung kann ein Arbeitnehmer dann, wenn er in einer Woche keine Familienheimfahrt durchführt, in der Regel nur die Kosten für ein höchstens fünfzehnminütiges Telefongespräch mit seiner Familie als Werbungskosten geltend machen. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer heranwachsende und noch erziehungsbedürftige Kinder hat.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist seit dem Jahre 1988 Richter in X, wo er ein möbliertes Appartement bewohnt. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist an dem Familienwohnsitz in Y als Richterin berufstätig. Aufgrund seiner hohen Arbeitsbelastung fuhr der Kläger im Streitjahr 1990 nur an etwa jedem zweiten Wochenende zu seiner Familie nach Y. Der Kläger bezifferte die Aufwendungen für seine Telefonate mit der Klägerin und seinem 1983 geborenen Sohn auf 1 200 DM und machte diesen Betrag als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) berücksichtigte nur Telefonkosten in Höhe von 300 DM als Werbungs kosten. Er sah ein fünfzehnminütiges Telefongespräch in den Wochen als notwendig i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) an, in denen der Kläger keine Familienheimfahrten unternahm. Nach dem niedrigsten Tarif führte dies zu einem Gebührenanteil in Höhe von 144,99 DM. Die anteilig darauf entfallenden Grundgebühren schätze das FA auf 155,01 DM.

Die Kläger vertraten demgegenüber die Auffassung, es seien nicht nur die Telefonkosten zu berücksichtigen, die den zur Mitwirkung am Familienhaushalt erforderlichen Informationsaustausch beträfen. Vielmehr müßten auch solche Aufwendungen Berücksichtigung finden, die der Pflege der persönlichen Gemeinschaft, insbesondere der Ehe und der Beziehung zum Kind dienten. Die Nichtberücksichtigung dieser Telefonkosten verstoße gegen Art. 6 des Grundgesetzes (GG).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte aus: Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in typisierender Weise in dem Urteil vom 18. März 1988 VI R 90/84 (BFHE 153, 526, BStBl II 1988, 988) anstelle der wöchentlichen Familienheimfahrt in der Regel Aufwendungen für ein fünfzehnminütiges Telefongespräch als notwendige Mehraufwendungen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG anerkannt habe, könne dem nicht gefolgt werden. Die Kostenbegrenzung auf ein fünfzehnminütiges Telefonat sei aus dem Gesetz direkt nicht abzuleiten. Deshalb müsse bei den Telefonkosten die Frage der Notwendigkeit allein nach der persönlichen Situation des Steuerpflichtigen und seiner Familie im Einzelfall beurteilt werden.

Das FA rügt mit seiner Revision eine Divergenz zu dem BFH-Urteil in BFHE 153, 526, BStBl II 1988, 988.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht auch solche Telefonkosten als notwendige Mehraufwendungen i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG angesehen, die über ein fünfzehnminütiges Telefongespräch in den Wochen, in denen der Kläger keine Familienheimfahrten unternommen hat, hinausgegangen sind.

Nach dem Senatsurteil in BFHE 153, 526, BStBl II 1988, 988 können Kosten für ein Telefongespräch, das im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung in einer Woche geführt wird, in der der auswärts beschäftigte Steuerpflichtige keine Familienheimfahrt durchführt, als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG abziehbar sein. Der Senat hat es im Interesse der steuerlichen Gleichbehandlung als geboten erachtet, die Frage nach der Notwendigkeit des Telefongesprächs losgelöst von subjektiven Vorstellungen des einzelnen Arbeitnehmers zu beantworten. Er hat die wöchentliche Kontaktaufnahme durch ein Telefongespräch insoweit als notwendig angesehen, als das Gespräch den Austausch der zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt erforderlichen Informationen ermögliche. Im Regelfall werde es nicht zu beanstanden sein, wenn der Arbeitnehmer die Kosten eines fünfzehnminütigen Gesprächs wöchentlich als Werbungskosten geltend mache. Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest.

Die dagegen vorgebrachten Einwendungen des FG vermögen nicht zu überzeugen. Die Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe gehört zu den Aufgaben eines Revisionsgerichts. Es ist anerkannt, daß im Interesse einer aus Gründen der Steuer gerechtigkeit gebotenen einheitlichen Rechtsanwendung und der Praktikabilität die Gerichte bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe auch zu sog. "Quantifizierungen" befugt sind (vgl. BFH- Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655).

Soweit die Kläger meinen, daß eine einheitliche Quantifizierung der notwendigen Telefonkosten für die Fälle der vorübergehenden und der langdauernden doppelten Haushaltsführung ungleiche Sachverhalte zu Unrecht gleich behandele, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Er hält die jeweils einzelne Dauer der Abwesenheit von der Familienwohnung für die Notwendigkeit der Telefonkosten für ausschlaggebend. Er sieht sich mit dieser Wertung im Einklang mit der gesetzlichen Regelung, die die Anzahl der als notwendig erachteten Familienheimfahrten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 3 EStG in der bis 1995 gültigen Fassung) ebenfalls nicht von der voraussichtlichen gesamten Dauer der doppelten Haushaltsführung abhängig macht.

Der Senat hält auch an der Auffassung fest, daß als notwendig i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG nur die Kosten anzusehen sind, die den Austausch der zur persönlichen Mitwirkung am Familienhaushalt erforderlichen Informationen ermöglichen. Er erachtet dafür weiterhin im Regelfall ein fünfzehnminütiges Telefongespräch pro Woche ohne Familienheimfahrt für ausreichend. Eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG vermag er darin nicht zu erkennen.

Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen. Das FA hat Aufwendungen für jeweils ein fünfzehnminütiges Telefongespräch in den Wochen als Werbungskosten anerkannt, in denen der Kläger keine Familienheimfahrten durchgeführt hat. Die Kläger haben keine Tatsachen oder sonstigen Umstände vorgetragen, die im Streitjahr einen über den Regelfall hinausgehenden Bedarf für Telefongespräche als notwendig erscheinen lassen. Daß Steuerpflichtige, die einen doppelten Haushalt führen, heranwachsende und noch erziehungsbedürftige Kinder haben, ist kein außergewöhnlicher Sachverhalt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66137

BFH/NV 1997, 472

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