Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die einem freiberuflich tätigen Arzt für die Aufgabe seiner Praxisräume gezahlte Abfindung ist einkommensteuerlich als Betriebseinnahme zu behandeln.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 3, § 8/1, § 11/1, § 18/1/1

 

Tatbestand

Streitig ist bei den Einkommensteuerveranlagungen 1958 und 1959, ob eine Abfindung, die der Bf. für die Aufgabe seiner Wohn- und Praxisräume erhielt, teilweise zu den einkommensteuerpflichtigen Betriebseinnahmen zu rechnen ist.

Der Bf. ist Facharzt für Frauenkrankheiten. Am 16. August 1953 mietete er im Hause X. in Y Praxis- und Wohnräume. Der Mietvertrag war auf zehn Jahre unkündbar. Vom 1. Januar 1954 an übte der Bf. in diesen Räumen eine selbständige Praxis aus. Das Grundstück wurde am 1. November 1956 an die Firma A. verkauft. Unmittelbar danach nahm A. Verhandlungen mit dem Bf. auf, um ihn zu einem Verzicht auf die Rechte aus dem für zehn Jahre abgeschlossenen Mietvertrag zu bewegen. Hierzu war der Bf. nur bei Gestellung von Ersatzräumen in unmittelbarer Nähe der bisherigen Praxis bereit. Im Juni 1958 konnte A. dem Bf. geeignete Räume nachweisen, die der Bf. mietete. Daneben verlangte der Bf. von A. im September 1958 eine Abfindung von 75.000 DM zuzüglich Erstattung von Anwaltskosten und Maklergebühren. Im Vertrag vom 15. Oktober 1958 verzichtete der Bf. auf seine Rechte aus dem bis Ende 1963 laufenden Mietvertrag und verpflichtete sich, sie bis zum 15. Januar 1959 freizumachen. A. dagegen sagte eine Zahlung von 75.000 DM als einmalige Abfindung und die Erstattung des Honorars von 2.500 DM für die in der Mietsache tätig gewesenen Anwälte sowie für die Vermittlungsgebühr für den Hausmakler von 980 DM zu. Diese Beträge wurden wie folgt an den Bf. gezahlt:

15. Oktober 1958 ---------- 8.000 DM, 30. Oktober 1958 ---------- 3.480 DM, 16. Januar 1959 ---------- 67.000 DM.Seit Januar 1959 benutzt der Bf. die neu gemieteten Wohn- und Praxisräume.

In seiner Einkommensteuererklärung 1959 bezeichnete der Bf. 50 v. H. der Abfindung = 37.500 DM als Einkünfte aus selbständiger Arbeit und beantragte gleichzeitig, ihm für diesen Betrag die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 a EStG zu gewähren. Er wies darauf hin, daß er wegen des Umzugs im Januar und Februar keine Einnahmen gehabt habe. Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1958 und 1959 sah das Finanzamt 1/3 der Abfindung, d. h. 2.666 DM für 1958 und 22.333 DM für 1959 als Entschädigung für Einnahmeausfall während der Praxisverlegung an und unterwarf diese Beträge dementsprechend dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG. Von dem Restbetrag sah es 2/3 als Betriebseinnahmen an, d. h. 3.556 DM für 1958 und 29.778 DM für 1959 und unterwarf sie der Einkommensteuer, 1/3 erachtete es als auf den privatgenutzten Teil der Wohnung entfallend als steuerfrei. Dadurch ergab sich eine Gewinnerhöhung insgesamt von 6.222 DM für 1958 und 52.111 DM für 1959.

Im Einspruchsverfahren machte der Bf. in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen geltend, daß die Abfindung nicht für Verdienstausfall gezahlt worden sei. Ein solcher sei nicht eingetreten, weil sich die neue Praxis in unmittelbarer Nähe der alten befinde und an dem bisherigen Grundstück ein Jahr lang ein Schild mit dem Hinweis auf die Praxisverlegung angebracht gewesen sei. Die Abfindung dürfe überhaupt nicht zur Einkommensteuer herangezogen werden, da sie unter keine der im EStG aufgezählten Einkunftsarten falle. Jedenfalls sei sie keine Einnahme aus der freiberuflichen Tätigkeit als Arzt. Wenn er für die Aufgabe des Mietrechts ein Entgelt erhalten habe, so habe das nichts mit seiner Praxis und freiberuflichen Tätigkeit zu tun. Dies sei vielmehr ein in die private Sphäre fallender Akt der Vermögensmehrung.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es ging davon aus, daß die Zahlungen der A. zu 2/3 als Betriebseinnahme dem normalen Steuersatz mit Rücksicht darauf zu unterwerfen seien, daß der Bf. durch die Praxisverlegung nach seinem eigenen Vorbringen keinen Einnahmeausfall gehabt habe. 1/3 sei steuerfrei zu belassen.

Mit der Berufung wiederholte der Bf. seinen Antrag, die Abfindung aus der Besteuerung auszunehmen, weil sie mit der ärztlichen Tätigkeit nichts zu tun habe. Das Mietrecht sei kein Vermögensgegenstand im steuerrechtlichen Sinne. Hilfsweise beantragte er, die Zahlung von A. als Entschädigung für die Nichtausübung der ärztlichen Tätigkeit in den bisherigen Räumen dem begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Ziff. 2 in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 b EStG zu unterwerfen. Schließlich beantragte er hilfsweise, die Entschädigung nicht im Jahre des Zufließens voll zu versteuern, sondern auf die Jahre zu verteilen, für welche die Verzichtserklärung gewirkt habe, d. h. auf die Veranlagungszeiträume 1958 bis 1963.

Auch die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ging dabei davon aus, daß die Abfindung im Rahmen eines Hilfsgeschäfts in der ärztlichen Praxis des Bf. angefallen sei. Da der Bf. lediglich seine Praxisräume verlegt habe, könne die Abfindung auch nicht nach § 24 Ziff. 1 b in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und 2 Ziff. 2 EStG steuerbegünstigt behandelt werden. Auch könne die Abfindung nicht auf die Laufzeit des Mietvertrags, auf dessen Rechte er verzichtet habe, verteilt werden. Die entsprechenden Einnahmen seien gemäß § 11 EStG vielmehr innerhalb des Kalenderjahres als bezogen anzusehen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen seien.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. ist unbegründet.

Betriebseinnahmen sind alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen seines Betriebes zufließen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß die Betriebseinnahmen dem Steuerpflichtigen aus Geschäften zufließen, die den Hauptgegenstand seines Betriebes ausmachen. Betriebseinnahmen sind hiernach nicht nur die durch die eigentliche gewerbliche oder berufliche Tätigkeit vereinnahmten Beträge, z. B. die Entgelte für verkaufte Waren oder sonstige geschäftliche oder berufliche Leistungen, darunter fallen vielmehr auch die aus sogenannten Hilfs- oder Nebengeschäften herrührenden Einnahmen, sofern diese sich nur im Rahmen des Betriebes halten.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so haben die Vorinstanzen mit Recht 2/3 der Zahlungen als Einnahmen des Bf. aus freiberuflicher Tätigkeit (§§ 4 Abs. 3, 18 Abs. 1 EStG) angesehen und der Einkommensteuer unterworfen. Die Abfindung ist zwar nicht für das Tätigwerden des Bf. als Arzt geleistet worden. Sie ist aber im Rahmen eines Hilfsgeschäftes in seiner Praxis angefallen. Wohl setzt die Betriebseinnahme einen sachlichen Zusammenhang mit dem Betrieb als solchem voraus. Es genügt jedoch ein mittelbarer Zusammenhang, den die Vorinstanz zutreffend aus dem Umstand herleitet, daß der Bf. auf sein Recht auf Nutzung der seiner ärztlichen Berufstätigkeit dienenden Räume gegen Entgelt verzichtete. Entscheidend ist allein, daß das im Rahmen des Hilfsgeschäfts aufgegebene Recht dem Betrieb diente und betrieblichen Aufwand veranlaßte. Dies ist aber hier der Fall. Zur Zeit der Verzichtserklärung wurde das Mietrecht zu 2/3 im Rahmen der freiberuflichen Tätigkeit genutzt und der laufende Aufwand als Betriebsausgabe dafür geltend gemacht. Demgegenüber kann sich der Bf. auch nicht darauf berufen, daß die Abfindung schon deswegen nicht zu den Betriebseinnahmen zu rechnen sei, weil es sich insoweit um der freiberuflichen Tätigkeit eines Arztes fremde Geldgeschäfte handele. Wohl bestehen bei den freien Berufen anders als bei den Gewerbetreibenden gewisse durch die Berufsauffassung gezogene Grenzen für die Betätigung in geschäftlichen Dingen, Geldgeschäfte, wie die Hingabe von Darlehen, übernahme von Bürgschaften und ähnliche Geschäfte, kann der Gewerbetreibende jederzeit im Rahmen seines Betriebes vornehmen, falls sie aus seiner Buchführung zweifelsfrei als Betriebsvorgang hervorgehen. Dagegen sind derartige Geschäfte grundsätzlich dem freien Beruf fremd. Im Streitfall handelt es sich jedoch nicht um ein Geldgeschäft in diesem Sinne. Vielmehr liegt hier ebenso wie bei der Veräußerung von Praxisinventar bzw. eines teilweise betrieblich und teilweise privatgenutzten PKW ein betrieblicher Vorgang vor, der zumindest in einem mittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Bf. steht. Der Bf. kann sich auch nicht darauf berufen, daß den beruflichen Interessen durch die Gestellung von Ersatzpraxisräumen bereits ausreichend Rechnung getragen worden sei und die Zahlung des Betrages von 75.000 DM daher in keinem Zusammenhang mit der Praxisausübung stehen könnte. Mit Recht weist die Vorinstanz in diesem Zusammenhang darauf hin, daß sowohl die Vermittlung der neuen Räume als auch die Vereinbarung über die Zahlung der Abfindung bei vernünftiger Betrachtungsweise eine Einheit bildeten. Sinn und Zweck aller Verhandlungen zwischen A. und dem Bf. war, die Räume freizubekommen gegen Stellung neuer Räume und Zahlung einer Entschädigung. Hierfür spricht auch eindeutig die Höhe der Abfindung, die, wenn sie ausschließlich die Gegenleistung für die Aufgabe der privatgenutzten Räume wäre, nach der Lebenserfahrung als bei weitem überhöht anzusehen wäre.

Die Hilfsanträge des Bf. haben die Vorinstanzen gleichfalls zu Recht abgelehnt. Nach § 24 Ziff. 1 b in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und 2 Ziff. 2 EStG sind nur Entschädigungen, die für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit gezahlt werden, steuerbegünstigt zu behandeln. Der Bf. hätte demnach als Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung seine ärztliche Tätigkeit aufgeben müssen oder nicht mehr ausüben dürfen. Davon kann aber im Streitfall keine Rede sein, da er nur seine Praxisräume verlegt hat. Ebensowenig ist eine Verteilung der Abfindung auf die Restlaufzeit des Mietvertrags möglich. Der Bf. ermittelt seinen Gewinn durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG). Gemäß § 11 EStG sind daher Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres zur Besteuerung heranzuziehen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Das Zufließen liegt vor, wenn der Steuerpflichtige wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. Dabei ist es auch gleichgültig, für welchen Zeitraum eine Einnahme erfolgt. Dementsprechend sind die Vorinstanzen vorgegangen.

Anmerkung: Für die Umsatzsteuer s. das Urteil V 227/62 U vom 28. Oktober 1964 (BStBl 1965 III S. 34).

 

Fundstellen

Haufe-Index 411380

BStBl III 1965, 12

BFHE 1965, 33

BFHE 81, 33

StRK, EStG:18 R 329

NJW 1965, 1103

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Personal Office Platin. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge