Auch Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung können durch betriebliche Übung begründet werden. Im Bereich des Betriebsrentenrechts ist die betriebliche Übung als Rechtsquelle vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt. Nach § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG steht der Verpflichtung aus einer ausdrücklichen Versorgungszusage einer auf betrieblicher Übung beruhenden Versorgungsverpflichtung gleich.
Eine betriebliche Praxis der Gewährung von Vorteilen an die Arbeitnehmer verdichtet sich aber erst nach Ablauf einer gewissen Zeit zu einer betrieblichen Übung. Im Hinblick auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hat das BAG eine Gewährung über einen Zeitraum von 5 bzw. 8 Jahren für ausreichend erachtet. Dabei tritt die bindende Wirkung einer betrieblichen Übung auch gegenüber dem Arbeitnehmer ein, der zwar unter der Geltung der Übung im Betrieb gearbeitet, selbst jedoch die Vergünstigung noch nicht erhalten hat, weil er die nach der Übung vorausgesetzten Bedingungen noch nicht erfüllte. Vereinbart der Arbeitgeber über Jahre hinweg vorbehaltlos mit allen Arbeitnehmern nach einer bestimmten Dauer der Betriebszugehörigkeit und bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen Versorgungsrechte, ist er aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, die Versorgungsrechte auch mit anderen Arbeitnehmern zu vereinbaren, sofern sie die erforderliche Betriebszugehörigkeit erbracht haben und die übrigen Voraussetzungen erfüllen.
Auch Ansprüche auf eine bestimmte Höhe und Berechnungsweise der Betriebsrente können sich aus betrieblicher Übung ergeben. Die verpflichtende Wirkung tritt zugunsten derjenigen aktiven Arbeitnehmer ein, die unter ihrer Geltung in dem Betrieb gearbeitet haben. Solche Arbeitnehmer können darauf vertrauen, dass die Übung nach ihrem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalls fortgeführt wird.
Möglichkeit der Ablösung durch Betriebsvereinbarung
Im Falle von Versorgungsregelungen kraft betrieblicher Übung ist die Versorgung, die nach einheitlichen Regeln und damit als System erbracht wird, auf einen längeren, unbestimmten Zeitraum angelegt. Diese Versorgungsregelungen sind nach der Rechtsprechung des BAG von vornherein für die Begünstigten erkennbar einem etwaigen zukünftigen Änderungsbedarf ausgesetzt. Mit der Zusage einer Versorgung nach den jeweils beim Arbeitgeber geltenden Versorgungsregeln wird also auch die Möglichkeit für eine Ablösung auf kollektivvertraglicher Grundlage eröffnet. Eine solche Zusage erfasst alle Regelungen, mit denen betriebliche Altersversorgung gestaltet werden kann. Der Arbeitgeber kann – wenn ein Betriebsrat gewählt ist – die Ausgestaltung der geltenden Versorgungsregelungen grundsätzlich nicht einseitig ändern. Vielmehr steht dem Betriebsrat hierbei ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu, das typischerweise durch den Abschluss einer Betriebsvereinbarung ausgeübt wird. Sagt der Arbeitgeber eine Versorgung nach den jeweils bei ihm geltenden Versorgungsregeln zu, so gehören daher dazu nicht nur vom Arbeitgeber einseitig erstellte Versorgungsordnungen, sondern auch Betriebsvereinbarungen.
Gibt es eine langjährige betriebliche Praxis, wonach Arbeitnehmer und Betriebsrentner Beihilfen im Krankheitsfall erhalten, liegt es nahe, dass sich beide Gruppen darauf einrichten, indem sie auf den Abschluss von Zusatzversicherungen verzichten, weil sie darauf vertrauen, dass eine entsprechende einheitlich praktizierte Leistungsgewährung nur nach Abwägung aller maßgeblichen Gesichtspunkte und schonend für alle verschlechtert wird und nicht von einzelnen Gruppen Sonderopfer verlangt werden. Dies gilt insbesondere für die Betriebsrentner, für die es mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand in aller Regel nicht möglich ist, nachträglich Zusatzversicherungen abzuschließen. Angesichts dessen kann ein Betriebsrentner grundsätzlich davon ausgehen, dass der Arbeitgeber die betriebliche Übung gegenüber den Betriebsrentnern auch nach seinem Ausscheiden bei Eintritt des Versorgungsfalls fortführen wird.
Aus betrieblicher Übung können sich auch Ansprüche auf Anpassung der Betriebsrente über § 16 BetrAVG hinaus oder auf ein 13. Ruhegehalt ("Rentnerweihnachtsgeld") ergeben. Dies gilt grundsätzlich auch für Leistungen, die in der Leistungsordnung nicht vorgesehen sind. Auch auf die Fortgewährung einer zunächst nicht vorgesehenen, aber im Laufe der Zeit üblich gewordenen Leistung darf vertraut werden.