Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.[1] Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Durch das im Verhalten des Arbeitgebers liegende Angebot und die stillschweigende Annahme des Arbeitnehmers wird die betriebliche Übung (Vertrags-)Bestandteil der Arbeitsverhältnisse.

Nach Auffassung des BAG kommt durch die betriebliche Übung konkludent eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dabei nicht ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern wie der Erklärungsempfänger, d. h. der Arbeitnehmer die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände[2] verstehen musste und durfte.[3]

Erbringt der Arbeitgeber die Leistungen für den Arbeitnehmer erkennbar aufgrund einer anderen Rechtspflicht, kann der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen, ihm solle eine Leistung auf Dauer unabhängig von dieser Rechtspflicht gewährt werden.[4]

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung kann also nur entstehen, wenn keine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung besteht. Eine betriebliche Übung entsteht demnach nicht, wenn der Arbeitgeber zu den zu ihrer Begründung angeführten Verhaltensweisen durch andere Rechtsgrundlagen verpflichtet war. Sie entsteht auch nicht, wenn sich der Arbeitgeber irrtümlich zur Leistungserbringung verpflichtet glaubte.[5] Die Darlegungslast dafür, dass der Arbeitgeber aus Sicht des Empfängers Leistungen oder Vergünstigungen gewähren wollte, zu denen er nicht aus einem anderen Rechtsgrund verpflichtet war oder sich verpflichtet glaubte, trägt der Arbeitnehmer als Anspruchsteller.[6]

Eine allgemeinverbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen ein Arbeitnehmer erwarten darf, dass auch er die Leistung erhält, sobald er die Voraussetzungen erfüllt, gibt es nicht. Für jährlich an die gesamte Belegschaft geleistete Gratifikationen hat das BAG die Regel aufgestellt, dass eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt. Bei anderen Sozialleistungen ist auf Art, Dauer und Intensität der Leistungen abzustellen. Wie lange die Übung bestehen muss, damit die Arbeitnehmer berechtigt erwarten können, dass sie fortgesetzt werde, hängt davon ab, wie häufig die Leistungen erbracht worden sind. Dabei kommt es auf die Zahl der Anwendungsfälle im Verhältnis zur Belegschaftsstärke an. Ferner sind in die Bewertung die Anzahl der Wiederholungen und Dauer der Übungen sowie Art und Inhalt der Leistungen einzubeziehen. Bei für den Arbeitnehmer weniger wichtigen Leistungen sind an die Zahl der Wiederholungen höhere Anforderungen zu stellen als bei bedeutsameren Leistungsinhalten.[7]

Eine betriebliche Übung ist grundsätzlich bei jedem Verhalten, bezogen auf alle Arbeitsvertragsinhalte denkbar. Eine Beschränkung darauf, dass lediglich unmittelbar mit dem Arbeitsvertrag zusammenhängende Leistungen Gegenstand einer Anspruchsbegründung durch betriebliche Übung darstellen können, gibt es nicht. Der Anwendungsbereich der betrieblichen Übung ist weit gesteckt. Jede Arbeitsvertragsbedingung kann durch betriebliche Übung Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden, so z. B. Fahrtkostenzuschüsse, Fortbildungskosten oder Trennungsentschädigungen.[8] Grundsätzlich kann eine betriebliche Übung auch bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen. Dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers muss aber aus der Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen.[9]

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