Scheinwerkverträge bei Daimler - Mitarbeiter müssen jetzt fest angestellt werden
Der aktuelle Fall ( Urteil vom 01.08.2013, Az. 2 Sa 6/13) offenbart die Tücken, die bestehen, wenn Unternehmen fremde Mitarbeiter über Werkvertrag im eigenen Betrieb einsetzen. Gliedert das Einsatzunternehmen die Arbeitnehmer in die bestehende Organisation ein und erteilt direkt arbeitsvertragliche Weisungen, so liegt kein Werkvertrag, sondern Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Folge: Ohne entsprechende Erlaubnis des Subunternehmers werden die ausgeliehenen Arbeitnehmer automatisch Arbeitnehmer des Entleihers.
Vom Fremdpersonal zu Arbeitnehmern
Im konkreten Fall hatte Daimler mit einem IT-Dienstleister ein Ticketsystem vereinbart, wonach Daimler-Mitarbeiter ihre IT-Aufträge via Tickets erteilen. Diese sollte sodann vom Subunternehmer bearbeitet werden. Für den vermeintlichen Werkunternehmer waren auch zwei IT-Fachkräfte als freie Mitarbeiter tätig. Sie arbeiteten von 2001 bis Ende 2011 bei der Daimler AG für den IT-Support in der Finanzabteilung und verlangten nun vor Gericht eine Festanstellung bei Daimler.
Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung statt Werkvertrag
Das Gericht gab der Klage statt, da der Fremdpersonaleinsatz im Wege der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung und nicht im Rahmen eines Werkvertrags erfolgt sei. Denn: Das vereinbarte Ticketsystem wurde in vielen Fällen nicht wie vereinbart genutzt. "Es kommt nicht auf den Vertrag an, sondern auf die gelebte Praxis", erklärte der Vorsitzende Richter Ulrich Hensinger. Es handelte sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis, entschied das LAG.
Kein arbeitsrechtliches Weisungsrecht bei Werkverträgen
In etwa 70 E-Mails seien bei Computerproblemen Aufträge direkt an die beiden IT-Experten gegeben worden, sagte der Vorsitzende Richter. Das sei ein häufiger Webfehler, wenn die Beschäftigten aus Werkverträgen vor Ort arbeiteten und direkten Kontakt mit fest angestellten Mitarbeitern hätten.
Eingliederung in die Daimler-Organisation
Zudem war das Berufungsgericht der Auffassung, dass die Kläger bei der Daimler AG eingegliedert waren. Jahrelang seien die IT-Fachkräfte für Daimler tätig gewesen – in den Betriebsräumen und mit Betriebsmitteln des Unternehmens.
Nach einer wertenden Gesamtbetrachtung sei deshalb von einem Scheinwerkvertrag auszugehen, urteilten die Richter. Aufgrund der gesetzlichen Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Nr. 1 AÜG sei zwischen den IT-Fachleuten und der Daimler AG ein Arbeitsverhältnis zu Stande gekommen. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen ( LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.08.2013, Az. 2 Sa 6/13).
"Wer steuert, der haftet"
Wann ein klassischer Werkvertrag vorliegt, wann illegale Leiharbeit droht und welche Lücke der Gesetzgeber noch schließen muss, das hatte Professor Peter Schüren bereits im Interview mit dem Personalmagazin ausführlich erklärt. Ein Werkvertrag setze quasi einen eigenen Betrieb im fremden Betrieb voraus – mit entsprechender Eigenverantwortung. "Wer steuert, der haftet. Ein Subunternehmer, der nicht für die Fehler seiner Leute wirtschaftlich haftet, ist nur Überlasser", stellt Schüren klar.
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