Corona-Anhuster kann Kündigung rechtfertigen
Verstöße gegen die Maskenpflicht, Abstandsregeln oder Desinfektionsregeln: Die Coronapandemie hat in Unternehmen für neues Konfliktpotenzial gesorgt. Für Arbeitgeber stellt sich regelmäßig die Frage nach den möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen, wenn sich Mitarbeiter nicht an die geltenden Hygieneregeln halten. Arbeitnehmer müssen die Corona-Schutzmaßnahmen, die in betrieblichen Hygienekonzepten umgesetzt werden, grundsätzlich befolgen. Je nach Schwere des Verstoßes kann der Arbeitgeber mit einer Abmahnung bis hin zu einer fristlosen Kündigung reagieren. Vorliegend hätte das Verhalten, das dem Arbeitnehmer vorgeworfen wurde, grundsätzlich für eine fristlose Kündigung gereicht. Diese hatte vor dem LAG Düsseldorf jedoch keinen Bestand, da der Arbeitgeber den Sachverhalt nicht beweisen konnte.
Verstoß gegen Corona-Hygieneregeln: Grund für fristlose Kündigung?
Der Arbeitgeber sprach die fristlose Kündigung im April 2020 einem Arbeitnehmer gegenüber nach Zustimmung des Betriebsrats aus. Der Mitarbeiter war seit August 2015 zunächst als Auszubildender und seit Januar 2019 als Jungzerspannungsmechaniker beschäftigt. Er war zudem Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung. Der Arbeitgeber warf ihm vor, dass er sich mehrfach nicht an die wegen der Coronapandemie ergriffenen Hygienemaßnahmen sowie an die Sicherheitsabstände im Betrieb gehalten habe. In Gesprächen habe er zudem gezeigt, dass er die Maßnahmen "nicht ernst nehme" und diese nicht einhalten werde.
Corona: Arbeitnehmer verstößt gegen geltende Hygieneregelungen
Im Betrieb galten seit dem 11. März 2020 diverse Verhaltens- und Hygienemaßnahmen, wie das Bedecken von Mund und Nase beim Husten oder Niesen mit einem Papiertaschentuch oder Ärmel. Die Beschäftigten wurden zudem aufgefordert, zueinander Abstand zu halten. Über die Verhaltens- und Hygieneregeln wurde die Belegschaft in verschiedenen E-Mails und einer Abteilungsversammlung informiert, zusätzlich wurden die Regeln auf Zetteln im Betrieb verteilt.
Der Fall: Reizhusten oder vorsätzliches Anhusten eines Kollegen?
Konkret nannte der Arbeitgeber zwei Vorfälle, die zur Kündigung des Mechanikers geführt hätten. Einmal habe er einen Mitarbeiter gegen seinen Willen am Arm angefasst. Ein anderes Mal habe er einen Kollegen vorsätzlich und ohne jegliche Barriere aus einem Abstand von einer halben bis maximal einer Armlänge angehustet. Dabei habe er sinngemäß gesagt, er hoffe, dass der Kollege Corona bekäme.
Der Arbeitnehmer widersprach und machte geltend, dass er spontan habe husten müssen, wobei er ausreichend Abstand zum Kollegen gehabt habe. Als der andere Kollege sich belästigt gefühlt und dies geäußert habe, habe er entgegnet, der Kollege möge "chillen, er würde schon kein Corona bekommen". Er behauptete, dass er keine anderen Personen einer Infektionsgefahr ausgesetzt habe. Soweit es ihm möglich gewesen sei, habe er die Sicherheitsabstände und "Hustetikette" eingehalten.
Fristlose Kündigung wegen Verstoßes gegen Coronaregeln rechtmäßig?
Die Kündigungsschutzklage des Mechanikers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf Erfolg. Das Gericht stellte klar, dass die vom Arbeitgeber behauptete Version des Sachverhalts im konkreten Fall eine fristlose Kündigung hätte rechtfertigen können. Das bewusste Anhusten eines Kollegen aus nächster Nähe mit der Äußerung, man wünsche, dass der Kollege Corona bekomme, verletzt nach Auffassung der Richter in erheblicher Weise die dem Arbeitsverhältnis innewohnende Rücksichtnahmepflicht gegenüber Kollegen. Wenn der Arbeitnehmer dann noch deutlich mache, sich nicht an Arbeitsschutzvorschriften halten zu wollen, genüge auch keine Abmahnung.
Verletzung von Abstandsregeln rechtfertigt eine Abmahnung
Für den Kündigungsgrund trägt der Arbeitgeber die Beweislast. Letztlich gelang es dem Arbeitgeber nicht, den von ihm behaupteten Sachverhalt durch die umfassende Beweisaufnahme zu beweisen. Damit hatte die fristlose Kündigung keinen Bestand. Als erwiesen sah es das Gericht an, dass der Mitarbeiter die Abstandsregeln verletzt hatte. Hier wäre jedoch eine Abmahnung das richtige Mittel gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Hinweis: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2021, Az: 3 Sa 646/20; Vorinstanz: Arbeitsgericht Solingen, Urteil vom 20.08.2020, Az: 3 Ca 457/20
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