Telefonsexdienstleisterinnen können Arbeitnehmerinnen sein

Das Landesarbeitsgericht Köln hat entschieden, dass Telefonsexdienstleisterinnen Arbeitnehmerinnen und keine Freiberuflerinnen sind, wenn sie durch eine einseitige Steuerung und Kontrolle der Betriebsabläufe in einer Weise ihrer Selbstständigkeit beraubt werden, die über die mögliche Einflussnahme bei einem freien Dienstvertrag hinausgeht.

Ein Unternehmen setzt in seinen Kölner Geschäftsräumen Telefonistinnen ein, die sexuelle Dienstleistungen im Schichtbetrieb an 365 Tagen im Jahr und 24 Stunden am Tag anbieten. Sie werden als freiberufliche Mitarbeiterinnen geführt. Den Telefonistinnen wird für ihre Tätigkeit ein circa sechs bis acht Quadratmeter großer Raum mit Tisch, Stuhl, Computer und drei Telefonen zur Verfügung gestellt, wofür sie ein monatliches Entgelt von 50 Euro zu entrichten haben.

Alias-Name und Foto waren vorgegeben

Aus einem vom Unternehmen vorgehaltenen Pool wählen die Telefonistinnen einen Alias-Namen und Fotos, die auf der Internet-Seite des Unternehmens veröffentlicht werden. Die von ihnen gewünschten Einsätze können die Telefonistinnen in Dienstpläne eintragen. Ihre Tätigkeit wird durch eine an der Decke befestigte Videokamera aufgezeichnet. Die Telefonate werden mitgeschnitten. Das dienstliche Verhalten und die Beziehung zu den Kunden werden von dem Unternehmen in vielfältiger Hinsicht mitgestaltet.

Unter anderem wegen diverser Zahlungsansprüche riefen etliche Telefonistinnen das Arbeitsgericht an. Dieses verneinte zunächst eine Arbeitnehmereigenschaft der Klägerinnen und verwies die Rechtsstreitigkeiten an das Landgericht.

Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten steht offen

Auf die dagegen erhobenen Beschwerden der Klägerinnen hat das Landesarbeitsgericht Köln die Verweisungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts abgeändert und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht, da die Klägerinnen als Arbeitnehmerinnen anzusehen seien. Das beklagte Unternehmen habe sowohl durch die Audio- und Videoüberwachung als auch durch die Einbindung in seine Arbeitsorganisation eine für selbstständige Freiberuflerinnen wichtige Marktpräsenz der Klägerinnen verhindert.

Fremdbestimmung zu hoch für Selbstständigkeit

Die Klägerinnen hätten keinen vom Unternehmen unabhängigen Kundenstamm aufbauen können, da sie nach außen nicht unter eigenem Namen, sondern bildlich und namentlich unter einem Alias-Profil aufgetreten seien. Dadurch sowie durch weitere Beschäftigungsmodalitäten sei die Fremdbestimmung der Klägerinnen derart hoch, dass sie die Umstände, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen könnten, überlagere.

Die Entscheidungen des LAG Köln sind unanfechtbar.

Hinweis: Landesarbeitsgericht Köln, Beschlüsse vom 25. August 2020, Az. 9 Ta 217/19 und 9 Ta 98/20

Pressemitteilung des LArbG Köln Nr. 5/2020