Präventionsgesetz: So profitieren Unternehmen

Das neue Präventionsgesetz ist noch längst nicht in der Praxis angekommen. Die Hoffnungen reichen von Fitnessstudios auf Rezept bis zu neuen Bonusmodellen für gesundheitsfördernde Arbeitgeber. Wir zeigen, was Betriebe tatsächlich erwarten können und warum sie sich aktiv bemühen müssen.

Bereits 2004 wurden erste Eckpunkte des Präventionsgesetzes von Bund und Ländern vorgelegt. Dass es knapp 12 Jahre gedauert hat, bis das Gesetz Anfang 2016 endlich in Kraft getreten ist, zeigt die Komplexität und die hohe Anzahl an Mitentscheidern/Lobbygruppen, die hier jeweils eigene Interessen durchzusetzen versuchten.

Das Präventionsgesetz: Hintergrund und Zielsetzung

Die Zielsetzung des Präventionsgesetzes, Prävention neben der Kuration, Rehabilitation und Pflege als vierte Säule im Gesundheitssystem zu verankern, wird zwar von allen Beteiligten als richtig betrachtet, jedoch ist der Weg dahin nicht unumstritten. Hintergrund des Präventionsgesetzes ist die Erkenntnis, dass sich durch die demografische Entwicklung, die niedrigen Geburtenraten der vergangenen Jahrzehnte und die steigende Lebenserwartung das Krankheitsgeschehen dramatisch verändert. Chronische Erkrankungen, die sogenannten Zivilisations- oder Volkskrankheiten machen derzeit rund 70 Prozent des Krankheitsgeschehens überhaupt aus. Alle haben gemeinsam, dass ihre Entstehung und ihre Schwere durch richtige Prävention beeinflussbar sind.

Im folgenden zeigen wir die wichtigsten Veränderungen für Unternehmen und geben Empfehlungen für deren Umsetzung in der Praxis. 

Mehr Geld von den Krankenkassen für BGM

Das Budget der gesetzlichen Krankenversicherung für betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) steigt deutlich: Das neue Präventionsgesetz verpflichtet die Krankenkassen bereits seit Januar 2016 jährlich mindestens zwei Euro je Versichertem in betriebliche Gesundheitsförderung zu investieren. Tun sie das nicht, geht das Geld an den Spitzenverband der GKV. Bisher waren Investitionen in betriebliche Gesundheitsförderung freiwillig und lagen je nach Kasse bei etwa 50 Cent bis einem Euro, bei einigen wenigen BKKs auch schon bei mehr als zwei Euro je Versichertem und Jahr.
Konkret heißt das: Eine gesetzliche Krankenkasse mit 500.000 Versicherten muss 1.000.000 Euro pro Jahr in betriebliche Gesundheitsförderungsmaßnahmen investieren. In welche Unternehmen die GKV investiert bleibt ihr selbst überlassen. Wichtig ist jedoch, dass die Handlungsfelder und Maßnahmen den Qualitätsanforderungen genügen, die im Leitfaden Prävention vorgeschrieben sind.

Empfehlung für die Praxis: Sprechen Sie am besten mehrere Krankenkassen und auch ihre BGM-Dienstleister aktiv darauf an, was möglich ist. Gerade jetzt haben viele gesetzliche Krankenversicherungen noch Budget, das bis Jahresende ausgegeben werden muss. GKV können sich entweder an der Finanzierung von Projekten beteiligen oder selbst bzw. durch Dienstleister Leistungen erbringen. Das reicht von der Bedarfsanalyse (zum Beispiel psychische Gefährdungsbeurteilung oder Mitarbeiterbefragungen) über die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen bis hin zur Evaluation. Vergleichen Sie am besten die Angebote verschiedener Kassen.

Mehr Unterstützung im BGM für kleine und mittlere Unternehmen durch GKV-Koordinierungsstelle

Die GKV wollen gemeinsam in regionalen Koordinierungsstellen Beratung und Unterstützung anbieten. Über das Online-Portal GKV-Koordinierungsstelle können sich hilfesuchende Unternehmen anmelden – und entweder direkt einen Berater einer bestimmten Krankenkasse aus einer Liste wählen oder dies dem Zufall überlassen.

Engere Verzahnung von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz

Nach dem neuen Präventionsgesetz sollen Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit in die Konzeption und Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung stärker eingebunden werden.

Empfehlung für die Praxis: Derzeit gibt es noch keine Erfahrungen, wie genau dies umgesetzt und kontrolliert wird. Sinnvoll ist es aber, die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilungen (psychisch/physisch) regelmäßig in der Maßnahmenplanung zu berücksichtigen und dies auch zu dokumentieren.

Betriebsärzte können Präventionsempfehlungen geben

Die Regelung nach dem neuen Präventionsgesetz, nach der nun auch Betriebsärzte Präventionsempfehlungen geben können, verknüpft die arbeitsmedizinischen Vorsorge und die primärpräventiven Angebote der gesetzlichen Krankenversicherer. Denn im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorge können Betriebsärzte jetzt Präventionsempfehlungen geben, die von GKV bei der Entscheidung über die Erbringung von Präventionsleistungen berücksichtigt werden müssen. Derzeit wird gerade diskutiert wie die Ausgestaltung in der Praxis aussehen soll, mit einem Start ist 2017 zu rechnen.

Empfehlung für die Praxis: Ziel ist es, die Mitarbeiter durch die Aussprache einer Präventionsempfehlung durch den Arzt beziehungsweise Betriebsarzt zur Vorsorge zu animieren. Von den GKV gefördert werden aber wohl nur Maßnahmen, die dem Leitfaden Prävention entsprechen – und die werden ja schon lange von den GKV gefördert. Es wird wohl eher kein Fitnessstudio auf Rezept geben. Jenseits des formelleren Charakters einer Präventionsempfehlung sollte sich für die Betriebliche Praxis aber wenig ändern. Denn gute Betriebsärzte betreiben Präventionsmedizin und sprechen bei Untersuchungen immer auch Empfehlungen aus.

Bonus für Arbeitgeber bei BGF-Maßnahmen

GKV können Unternehmen, die sich für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter engagieren dafür mit einem Bonus belohnen.

Empfehlung für die Praxis: Es gab und gibt bereits seit Jahren Bonusmodelle einzelner Krankenkassen für Arbeitgeber mit guten betrieblichen Gesundheitsleistungen. Seit Inkrafttreten der neuen Regelung sind keine neuen Bonusmodelle gesichtet worden. Klar ist, dass es einen Bonus nur für qualitätsgesicherte Maßnahmen geben kann und jede GKV einen individuellen Ansatz finden darf. Sprechen Sie mit Ihrer Kasse, was möglich ist.

Fazit: Unternehmen sollten proaktiv auf die Krankenkassen zugehen

Das Präventionsgesetz ist ein erstes gutes Signal und wird die Betriebliche Gesundheitsförderung voranbringen. Zum einen ist mehr Geld im System, zum anderen gibt es konkrete Vorgaben für das Engagement der Sozialversicherungsträger. Allerdings sind große Teile in der betrieblichen Praxis noch nicht angekommen. Das liegt auch daran, dass konkrete Ausführungsbestimmungen gerade erst erarbeitet werden. Unternehmen sind am besten beraten sich proaktiv mit mehreren GKV in Verbindung zu setzen und so auszuloten was möglich ist.

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Dr. Gregor Breucker vom BKK Dachverband sieht vom Gesetz insgesamt ein sehr positives Signal ausgehen: „Mit dem Präventionsgesetz stärkt die Politik den hohen Stellenwert der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung und legt gleichzeitig die Basis für eine engere Abstimmung und ein gemeinsames Vorgehen der GKV.“

Präventionsgesetz fördert Qualität von BGM-Maßnahmen

Doch langfristig wird das Präventionsgesetz dann einen Effekt entfalten, wenn es die Qualität der Maßnahmen noch stärker in den Fokus stellt – vor allem die Ergebnisqualität bleibt derzeit oft außen vor. „Ähnlich wie bei der Krankenhausvergütung sollte die Qualität von BGM (Pay for Performance) zunehmend in den Fokus gerückt werden.“ so Prof. Volker Nürnberg, TU München.


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