Mindestlohn ist nicht gegen Insolvenzanfechtung gesichert

Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Insolvenzverwalter die Gehälter von Beschäftigten für die Insolvenzmasse zurückfordern. Und dies in voller Höhe - der Rückgewähranspruch bezieht sich uneingeschränkt auch auf den gesetzlichen Mindestlohn, hat das BAG festgestellt. 

Das Insolvenzverfahren dient dazu, das verbliebene Vermögen an die Gläubiger zu verteilen. Werden einzelne Gläubiger durch kurz vor der Insolvenz getätigte Zahlungen des Arbeitgebers benachteiligt, besteht die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, kann der Insolvenzverwalter das Geld zurückfordern.

Vorliegend erhielt eine Arbeitnehmerin kurz nach der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers noch zwei Monatsgehälter ausgezahlt - vom Konto der Mutter des Arbeitgebers. Dieses Geld forderte später der Insolvenzverwalter von ihr zurück. Zu Recht, wie das BAG jetzt entschied und damit auch die Frage beantwortete, inwieweit der Mindestlohn hier eine Rolle spielt.

Insolvenzanfechtung: Rückforderung von Lohnzahlungen und Mindestlohngesetz 

Der Insolvenzverwalter forderte die Lohnzahlungen für die Monate August und September 2016 , die an die Arbeitnehmerin gezahlt wurden, zurück. Nach seiner Auffassung waren die Zahlungen anfechtbar, da sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erfolgt seien. Da es sich um Zahlungen gehandelt habe, die über das Konto einer Dritten, in diesem Fall der Mutter des insolventen Arbeitgebers, abgewickelt worden seien und zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt hätten, läge ein Fall inkongruenter Deckung vor. Die Arbeitnehmerin vertrat die Überzeugung, dass die Rückforderung der Zahlungen zumindest in Höhe des Existenzminimums beziehungsweise des Mindestlohns unzulässig sei.

BAG: Arbeitnehmerin muss Gehalt zurückzahlen

Vor dem LAG Hessen hatte die Arbeitnehmerin mit ihrer Klage Erfolg. Die Voraussetzungen einer Anfechtung nach § 131 InO seien zwar erfüllt, der Mindestlohn könne aber nicht zurückgefordert werden. Diese Auffassung hat das BAG nun berichtigt. Die obersten Arbeitsrichter hielten die Klage in voller Höhe für begründet. In der Begründung hieß es, dass der Schutz des Existenzminimums der Beschäftigten bereits durch die Pfändungsschutzbestimmungen der Zivilprozessordnung und das Sozialrecht gewährleistet werde.

Rückzahlung in der Insolvenz ohne Mindestlohnausnahme

Was den Mindestlohnschutz betrifft, stellte das Gericht fest, dass der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch uneingeschränkt auch den gesetzlichen Mindestlohn umfasse. Werde dieser durch Zahlung erfüllt, endeten die Rechtswirkungen des Mindestlohngesetzes, machte das BAG in seiner Entscheidung deutlich. Einen Ausschluss der Anfechtbarkeit oder einen besonderen Vollstreckungsschutz habe der Gesetzgeber nicht vorgesehen.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. Mai 2022, Az: 6 AZR 497/21; Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Oktober 2021, Az: 12 Sa 587/21


Das könnte Sie auch interessieren:

BAG-Urteil zum Annahmeverzugslohn bei Insolvenz

Kein Wiedereinstellungsanspruch bei Insolvenz

PSV haftet bei Insolvenz des Arbeitgebers nicht immer für eine Betriebsrentenkürzung

Schlagworte zum Thema:  BAG-Urteil, Mindestlohn, Insolvenz