Längeres Verfallsdatum für Abmahnungen?

Im konkreten Fall wurde eine Verwaltungsangestellte abgemahnt, da das Kassenbuch für die ihr übertragene Zahlstelle eines Planetariums verschwunden war. Vor Gericht verlangte sie vom Arbeitgeber, die Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.
Aus den nun veröffentlichten Entscheidungsgründen (Az. 2 AZR 782/11) geht hervor, dass das BAG seine bisherige Auffassung bestätigte: Bei einer rechtmäßigen Abmahnung gibt es kein festes Verfallsdatum. Das BAG widersprach – wie bereits in früheren Entscheidungen - der verbreiteten Vorstellung in der Praxis, dass eine Abmahnung nach zwei oder drei Jahren wieder aus der Personalakte zu streichen sei, wenn der Arbeitnehmer dies verlangt und sich in dieser Zeit keine vergleichbare Verfehlung zuschulden kommen ließ. Andererseits, entschied das BAG, seien Abmahnungen auch nicht per se für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses wirksam. Vielmehr entscheide eine individuelle Prüfung, der berühmte Einzelfall also.
Änderungen für die Praxis möglich
Neues für die Praxis könnte diese Rechtsprechung im Lichte anderer Urteile des BAG bringen. So galt etwa bei der Emmely-Entscheidung – dort ging es um eine Verdachtskündigung einer Kassiererin, die einen Geldbetrag von 1,30 Euro unterschlagen haben soll – gerade der langjährige störungsfreie Verlauf des Arbeitsverhältnisses als wichtiges Argument dafür, dass eine Kündigung der Mitarbeiterin unverhältnismäßig und daher unwirksam ist. Sind jedoch rechtmäßige Abmahnungen nach zwei oder drei Jahren "guter Führung" zwingend aus der Personalakte zu entfernen, blieben gerade schwere Verfehlungen beispielsweise in einem viele Jahre später stattfindenden Kündigungsprozess ohne Berücksichtigung.
Nur rechtlich bedeutungslose Abmahnungen entfernen
Nun stellte das BAG klar: "Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen kann. Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten muss für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sein."
Rechtlich von Belang sei die Abmahnung, führt das BAG in der aktuellen Entscheidung aus, "solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung von Bedeutung sein kann."
Dokumentationsinteresse des Arbeitgebers
Eine solche Konstellation dürfte häufiger vorliegen und damit auch ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers, die Pflichtverletzung des Mitarbeiters in der Personalakte zu dokumentieren. Daher kann es sich lohnen, zunächst alle Abmahnungen in der Personalakte zu belassen, wenn auch nicht in jedem Fall für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses. Letztlich wird es auch künftig wichtig sein, wie schwerwiegend der Arbeitnehmer seine Pflichten verletzt hat. Im Streitfall müssen die Gerichte zwischen den Interessen des Arbeitgebers und dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers abwägen.
(BAG, Urteil vom 13. Juli 2012, Az. 2 AZR 782/11)
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