Arbeitgeber dürfen PCR-Tests im Betrieb anordnen

Arbeitgeber sind aufgrund ihres Direktionsrechts berechtigt, von Beschäftigten Corona-Tests zu verlangen. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Fall einer Flötistin der Bayrischen Staatsoper nun in einem Grundsatzurteil entschieden.

Wie ist mit Beschäftigten umzugehen, die Corona-Schutzmaßnahmen im Unternehmen verweigern? Diese Frage hat während Pandemiezeiten mit hohen Infektionszahlen regelmäßig für rechtliche Auseinandersetzen gesorgt. Im konkreten Fall verweigerte eine Flötistin der Bayrischen Staatsoper im Jahr 2020 die vom Arbeitgeber vorgeschriebenen PCR-Tests für die Teilnahme an Proben und Aufführungen. Der Arbeitgeber stellte sie von der Arbeit ohne Gehalt frei. Die Klage der Musikerin auf Zahlung ihres Gehalts blieb in den Vorinstanzen und auch jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht ohne Erfolg.

Die obersten Arbeitsrichter entschieden, dass die Anordnung der Corona-Tests durch den Arbeitgeber vom Direktionsrechts umfasst war. Damit durfte er die Mitarbeiterin zu Recht ohne Gehalt von der Arbeit freistellen. Die Entscheidung des BAG, dass Arbeitgeber in Pandemiezeiten Corona-Tests anordnen können, dürfte für mehr Sicherheit bei Unternehmen sorgen, falls die Corona-Infektionen im Herbst erneut drastisch steigen sollten.

Der Fall im Detail: Arbeitgeber ordnet regelmäßige Coronatests am Arbeitsplatz an

Die Arbeitnehmerin war als Flötistin bei der Bayrischen Staatsoper beschäftigt. Ihr Arbeitgeber stellte für die Spielzeit 2020/2021 ein Corona-Hygienekonzept auf, um den Betrieb zu ermöglichen. Das sah vor, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig einen negativen PCR-Test für Proben und Aufführungen vorweisen müssen. Dafür organisierte der Arbeitgeber Testungen, die durch medizinisch geschultes Personal als Nasen-Rachen-Abstrich vorgenommen wurden. Die Mitarbeitenden durften aber auch selbst qualifizierte Testbefunde mitbringen.

Testverweigerin wird von der Arbeit freigestellt

Die Orchestermusikerin verweigerte die angeordneten Coronatests mit der Begründung, diese stellten einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Zudem fürchtete sie Verletzungen im Nasen- oder Rachenbereich, denn gerade Spieler von Blasinstrumenten könnten bereits bei geringen Verletzungen dieser Körperstellen arbeitsunfähig werden. Der Arbeitgeber stellte sie ohne Gehalt frei.

Arbeitnehmerin verlangt Beschäftigung und Bezahlung ohne Coronatests

Vor Gericht klagte die Arbeitnehmerin daraufhin auf Beschäftigung und Bezahlung auch ohne Coronatest. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sah vor, dass der Arbeitgeber bei gegebener Veranlassung durch einen Vertrauensarzt (-zahnarzt) oder das Gesundheitsamt feststellen lassen kann, ob der Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist.

LAG München: Bei Testverweigerung keine Beschäftigung und Vergütung

Das LAG München entschied, dass der Arbeitgeber die Flötistin weder beschäftigen muss, noch, dass sie einen Anspruch auf Vergütung hat. Das Gericht hat damit die Entscheidung des Arbeitsgerichts München bestätigt. In der Begründung verwies das Gericht auf den Tarifvertrag. Danach sei der Arbeitgeber berechtigt, die Testung der Mitarbeiterin zu verlangen, auch ohne, dass konkrete Symptome für eine Erkrankung vorlagen. Bei einer Sars-Cov-2-Virus-Infektion handele es sich um eine ansteckende Erkrankung im Sinne der Tarifnorm. Die Krankheit werde auch von symptomfreien Personen übertragen und führe bei einem erheblichen Anteil der Erkrankten, insbesondere älteren Personen, zum Tod sowie bei einem erheblichen Anteil der Personen mit leichteren Verläufen zu Langzeitschäden.

Arbeitgeber durfte Testpflicht anordnen

Das LAG München hielt die Testpflicht für verhältnismäßig, da der Schutz der Orchesterkollegen vor Ansteckung gerade bei der Tätigkeit als Flötistin anderweitig nicht möglich sei. Zudem habe der Arbeitgeber akzeptiert, dass die Beschäftigten einen PCR-Test bei einem Arzt ihres Vertrauens in Form eines reinen Rachenabstrichs durchführen können. Hierin liege kein unzulässiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit. Auch einen Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen konnte das Gericht nicht erkennen.

BAG: Arbeitgeber können Corona-Tests anordnen

Das BAG ist in seinem Urteil nicht auf die tarifvertragliche Regelung eingegangen. Es hat dagegen deutlich gemacht, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden schon im Rahmen des Direktionsrechts vorschreiben können, Corona-Tests im Betrieb durchzuführen. Diese Testpflicht müsse verhältnismäßig sein und die Interessen beider Seiten berücksichtigen. Zur Begründung verwiesen die obersten Arbeitsrichter auf die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber, wonach diese verpflichtet seien, Beschäftigte bei der Arbeit gegen Gefahren für Leben und Gesundheit zu schützen.

Coronatests zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Vorgaben sind verhältnismäßig

Deren Inhalt werde durch die Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisiert. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen könne der Arbeitgeber den Beschäftigten folglich im Rahmen von billigem Ermessen Weisungen erteilen, stellte das Gericht fest. Die Anordnung von Corona-Tests in der Bayrischen Staatsoper im Rahmen eines Hygienekonzepts hielt es vorliegend für rechtmäßig.

Dazu machte das BAG deutlich, dass der minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten durch die Corona-Test verhältnismäßig sei. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sah das Gericht durch die Testanordnung nicht verletzt, zumal ein positives Testergebnis zu diesem Zeitpunkt mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt werde.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2022, Az: 5 AZR 28/22; Vorinstanzen: LAG München, Urteil vom 26.10.2021, Az. 9 Sa 332/21; Arbeitsgericht München, Urteil vom 24.03.2021, Az: 19 Ca 11406/20


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