Digitalisierung: Vorsicht bei der Online-Betriebsratswahl

Den Betriebsrat online zu wählen, das wäre in Zeiten der Digitalisierung modern sowie für Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Betriebsrat praktisch und vorteilhaft. Es wäre aber auch riskant, wie Rechtsanwalt Manteo Eisenlohr mit Blick auf ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg darlegt.

Mit der zunehmenden Digitalisierung von Arbeit werden auch viele Prozesse interner Entscheidungsfindung mit digitalen Mitteln vereinfacht. Das gilt auch für Abstimmungen, sei es bei der Aufstellung von Urlaubsplänen oder für soziale Angelegenheiten wie bei der Bestimmung des Tages einer Weihnachtsfeier. Daher ist es naheliegend, auch bei betrieblichen Wahlen digitale Mittel in Form von computergestützten Wahlprogrammen einzusetzen – zum Beispiel bei Wahlen zum Betriebsrat oder der Arbeitnehmervertreter in Aufsichtsräten.

Betriebsräte online wählen: Weniger Fehler, höhere Beteiligung

Zumal Onlinewahlsysteme eine Reihe an Vorteilen versprechen: So wird das Wahlverfahren durch ein Computerprogramm unterstützt, wodurch typische Fehler des Wahlverfahrens nahezu vollständig verhindert werden können. Das gilt insbesondere bei der Erstellung der Wählerverzeichnisse und Kandidatenlisten. Wahlberechtigte, die sich regelmäßig oder dauerhaft außerhalb des Betriebs befinden, können einfacher an Wahlen teilnehmen, ohne in den Betrieb kommen zu müssen. Dadurch erhöht sich die Wahlbeteiligung und mit ihr die Legitimation der gewählten Kandidaten. Dieser Effekt der Onlinewahlsysteme erhöht die Akzeptanz des Wahlergebnisses und stärkt die Position der Gewählten.

Positive Erfahrungen mit der Online-Betriebsratswahl?

Auch Arbeitszeit wird gewonnen, weil direkt vom Arbeitsplatz ausgewählt werden kann, ohne Anstehen an den Wahlkabinen. Zudem werden Kosten, zum Beispiel für die Herstellung der Wahlunterlagen, vermieden. Abgegebene Stimmen können schneller erfasst und Wahlergebnisse schneller festgestellt werden. Bei der Auszählung der Stimmen kann die Fehlerquote der manuellen Auszählung auf null reduziert werden. Damit erhöht sich die Rechtssicherheit und die Zahl erfolgreicher Wahlanfechtungen dürfte stark abnehmen. Und bei genauer Untersuchung kann man feststellen, dass das Onlinewahlsystem ohne Zweifel die demokratischen Grundsätze, also unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen, einhält.

Erste Erfahrungen in Betrieben mit Online-Wahlsystemen sind durchaus positiv. Arbeitgeber, Mitarbeiter und Betriebsräte sprechen sich zunehmend für das Verfahren aus. Onlinewahlsysteme scheinen also auf dem Vormarsch zu sein und einen weiteren Bereich des betrieblichen Alltags zu digitalisieren.

Arbeitsgericht: Betriebsratswahl mangels Rechtsgrundlage anfechtbar

Trotz aller Vorteile ist aus arbeitsrechtlicher Sicht noch Vorsicht geboten: Gesetzlich ist das Onlinewahlverfahren weder vorgesehen noch reglementiert. Technische Voraussetzungen für ein Onlinewahlsystem sind gesetzlich nicht definiert, die einschlägigen Wahlordnungen sowohl für die Betriebsratswahl als auch für die Wahl nach den Gesetzen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten sehen ein solches Verfahren nicht vor. Konsequenterweise hat das Arbeitsgericht Hamburg in einem jüngst ergangenen Beschluss (Az. 15 BV 16/16) aus dem Umstand der fehlenden gesetzlichen Regelung den Schluss gezogen, dass eine digital durchgeführte Betriebsratswahl an einem wesentlichen Mangel leide – weshalb die Anfechtung der Betriebsratswahl erfolgreich war.

Online-Wahl: Der Gesetzgeber ist gefragt

Der Gesetzgeber ist daher gefragt, das in vielerlei Hinsicht vorteilhafte Onlinewahlverfahren zu reglementieren und es so zu einem rechtmäßigen System für betriebliche Wahlen zu machen. Solange diese gesetzliche Grundlage jedoch fehlt, könnten auch andere Gerichte betriebliche Onlinewahlen für ungültig erklären. Bis zur Ergänzung der Wahlordnungen bleibt folglich eine rechtliche Unsicherheit, die Arbeitgebern wie Betriebsräten bewusst sein sollte.

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