Enge Auslegung des Konzernprivilegs
In vielen Konzernen ist es übliche Praxis, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen konzernintern innerhalb der Unternehmen wechseln, manchmal auch über einen längeren Zeitraum hinweg. Diesbezüglich gelten für Konzerne Sonderregelungen:
Nach dem Konzernprivileg in § 1 Abs. 3 Nr. 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist das Vorgehen zulässig und nicht als Arbeitnehmerüberlassung zu qualifizieren, wenn der Arbeitnehmer nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt wird und auch nicht zum Zweck der Überlassung beschäftigt wird. Das BAG hat sich vorliegend für eine enge Auslegung des Konzernprivilegs entschieden und damit die gängige Praxis für Konzerne erschwert.
Der Fall: Arbeitnehmerüberlassung oder Konzernprivileg anwendbar?
Der Arbeitnehmer war seit 2008 bis zum Jahr 2020 in einem Automobilunternehmen als Sitzefertiger angestellt. Seine 12-jährige Tätigkeit übte er auf dem Werksgelände eines anderen Konzernuntenehmens aus, wobei auch seine Firma dort einen Bereich hatte. Die näheren Einzelheiten, unter denen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbrachte, sind zwischen den Parteien streitig. Sicher ist, dass beide Unternehmen zu dieser Zeit Teil eines Konzerns waren.
Der Arbeitnehmer wollte als Sitzefertiger weiterbeschäftigt werden und machte vor Gericht geltend, dass zwischen ihm und dem Werkunternehmen nach § 10 Abs. 1 iVm. § 9 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Er dort von Beginn an unter Verletzung der Vorgaben des AÜG als Leiharbeitnehmer eingesetzt worden. Die vertragliche Zusammenarbeit zwischen den beiden Konzernunternehmen basiere nicht auf Werk- oder Dienstverträgen, sondern sei als Leiharbeit zu qualifizieren.
BAG: Enge Auslegung des Konzernprivilegs
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen verneinte das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses, da die Schutzvorschriften des AÜG, insbesondere die §§ 9 und 10 AÜG, keine Anwendung finden würden. Zu Gunsten des Arbeitgebers gelte das Konzernprivileg gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG, da der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt worden sei.
Anders sah es nun das Bundesarbeitsgericht. Es stellte richtig, dass das Konzernprivileg entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht nur dann keine Anwendung finde, wenn die Einstellung "und" die Beschäftigung zum Zweck der Überlassung erfolgen. Die Konjunktion "und" in § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG sei als Aufzählung der bezeichneten Sachverhalte zu verstehen. Nach dem Willen des Gesetzgebers komme das Konzernprivileg auch dann nicht zur Anwendung, so das BAG, wenn der Arbeitnehmer zum Zweck der Überlassung eingestellt "oder" beschäftigt wird.
Wenn ein Unternehmen, das einem Konzern angehört, einen Arbeitnehmer seit Beginn des Arbeitsverhältnisses über mehrere Jahre einem anderen Konzernunternehmen überlässt, sei davon auszugehen, dass die Beschäftigung des Arbeitnehmers zum Zweck der Überlassung erfolgte. In diesem Fall könne sich das entleihende Unternehmen nicht auf das Konzernprivileg im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) berufen.
LAG muss Arbeitnehmerüberlassung prüfen
Um sich auf das Konzernprivileg berufen zu können müssen folglich beide Voraussetzungen gegeben sein. Da vorliegend unklar war, ob der Arbeitnehmer "zum Zweck der Überlassung" beschäftigt wurde, verwies das BAG die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht Niedersachsen zurück. Dieses müsse die erforderlichen Tatsachenfeststellungen treffen, um beurteilen zu können, ob tatsächlich eine Arbeitnehmerüberlassung gegeben war und das AÜG Anwendung finde. Hier komme es darauf an, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Arbeitsorganisation des Werkunternehmens eingegliedert war und deren Weisungen unterlag oder allein seine ursprüngliche Firma ihm gegenüber weisungsbefugt war.
Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12. November 2024, Az. 9 AZR 13/24; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 9. November 2023, Az. 5 Sa 180/23
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