BAG Urteil: Massententlassung

Steht eine Massenentlassung an, ist vor den Kündigungen ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat erforderlich. Dieses kann als ordnungsgemäß durchgeführt gelten, wenn der Arbeitgeber die Verhandlungen für gescheitert ansehen muss, entschied nun das Bundesarbeitsgericht (BAG). 

Das Konsultationsverfahren gehört zu den häufigsten Fehlerquellen bei Massenentlassungen. Vielen Unternehmen ist die Wichtigkeit der Vorschriften für Massenentlassungen, §§ 17 ff. Kündigungsschutzgesetz (KSchG), nicht bewusst. Im konkreten Fall hatte das BAG über die Wirksamkeit von Kündigungen im Zusammenhang mit Massenentlassungen zu entscheiden. Das Gericht entschied zugunsten des Arbeitgebers, dass das Konsultationsverfahren zumindest in einem Fall ausreichend durchgeführt worden sei: Der Betriebsrat hatte keine weitere Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen.

Vorgaben von Konsultationsverfahren und Massenentlassungsanzeige

In dem Fall ging es um ein Unternehmen, welches Passagedienstleistungen, also insbesondere Fluggastabfertigung, Ticketverkauf, Gepäckermittlung, VIP-Services oder Passagierschlangen-Steuerung an Flughäfen erbrachte. Die einzige Auftraggeberin kündigte sämtliche Aufträge zu Ende März 2015. Nachdem ein Interessenausgleich im Dezember 2014 scheiterte, leitete das Unternehmen ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG ein und entschied Ende Januar 2015, den Betrieb zum 31. März 2015 stillzulegen. Nach Erstattung einer Massenentlassungsanzeige kündigte sie alle Arbeitsverhältnisse.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte diese Kündigung für unwirksam erachtet. Ebenso entschieden die LAG-Richter zur später erfolgten zweite Kündigung. Auch diese sei unwirksam.

Konsultationsverfahren ordnungsgemäß - auch ohne Betriebsrat?

Denn nachdem einige Kündigungsschutzklagen wegen vermeintlicher Mängel im Verfahren nach § 17 KSchG erstinstanzlich erfolgreich gewesen waren, entschloss sich der Arbeitgeber erneut, Kündigungen zu klären. Dazu leitete das Unternehmen ein weiteres Konsultationsverfahren ein und beriet mit dem Betriebsrat über eine mögliche „Wiedereröffnung“ des Betriebs. Eine solche kam für das Unternehmen allenfalls bei einer Absenkung der bisherigen Vergütungen in Betracht. Der Betriebsrat ließ keine Bereitschaft erkennen, an entsprechenden Maßnahmen mitzuwirken. Daraufhin kündigte das Unternehmen - nach einer erneuten Massenentlassungsanzeige - die verbliebenen Arbeitsverhältnisse vorsorglich ein zweites Mal.

BAG zur Massenentlassung: Zweite Kündigung wirksam

Die Revision hatte vor dem Bundesarbeitsgericht teilweise Erfolg. Anders als die Vorinstanz erachtete das BAG nur die erste Kündigung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG in Verbindung mit  § 134 BGB für nichtig, weil das Unternehmen in der Massenentlassungsanzeige den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat nicht korrekt dargelegt habe.

Die zweite Kündigung sei dagegen wirksam erfolgt, lautete das Urteil des Gerichts. Hier habe der Arbeitgeber das erforderliche Konsultationsverfahren auch unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben ordnungsgemäß durchgeführt. In der Begründung erklärten die Richter, dass nicht nur dem Betriebsrat alle erforderlichen Auskünfte erteilt wurden, um auf den Entschluss, an der Betriebsstilllegung festzuhalten, einwirken zu können. 

Auch habe der  Arbeitgeber die Verhandlungen aufgrund der Tatsache, dass der Betriebsrat keine weitere Verhandlungsbereitschaft hatte erkennen lassen, als gescheitert ansehen dürfen. Die zweite Massenentlassungsanzeige sei also zu Recht bei der, für den Unternehmenssitz zuständigen Agentur für Arbeit, erfolgt. 

 

Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22. 9. 2016, Az. 2 AZR 276/16; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. 2. 2016, Az. 15 Sa 1953/15

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