2.8.1 Vorbemerkung

Die arbeitsrechtlich zeitversetzte Berechnung und Auszahlung von unständigen Entgeltbestandteilen kollidiert grundsätzlich mit dem sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip (§ 22 Abs. 1 SGB IV). Danach ist unabhängig von der Frage, ob arbeitsrechtlich von der monatlichen Lohnabrechnung abweichende Fälligkeitsregelungen bestehen, der Beitragsanspruch somit in dem Monat fällig, in dem der Anspruch dem Grunde nach "erarbeitet" wurde. Durch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist das Entstehungsprinzip in zahlreichen Entscheidungen immer wieder ausdrücklich bestätigt und eng ausgelegt worden.[1]

2.8.2 Rechtslage durch die vorgezogene Beitragsabführung

Seit dem 1.1.2005 müssen Beiträge zur Sozialversicherung spätestens am "drittletzten Banktag" abgeführt werden. Mit dieser Veränderung hat der Gesetzgeber dem Arbeitgeber gleichzeitig auferlegt, im Wege der Schätzung auch noch nicht entstandene Entgeltansprüche zu ermitteln. Durch diese neue Pflicht wäre es daher durchaus möglich, noch im laufenden Monat auch die voraussichtlichen unständigen Bezüge als unbekannte Lohngrößen zu schätzen und zu verbeitragen. Etwaige Verschätzungen können dann, wie nach der Rechtslage seit 1.1.2005 vorgesehen, im Folgemonat verrechnet werden.

Die Spitzenverbände haben sich jedoch in einem Rundschreiben vom 12.9.2005 ausdrücklich dafür ausgesprochen, die bisherige Verwaltungsvereinfachung beizubehalten und auf die weitere Anwendung früherer Rundschreiben verwiesen. Die Spitzenverbände hatten bereits im Jahr 1979 in einem gemeinsamen Rundschreiben (Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen des VDR und der BA vom 16/17.1.1979) zugelassen, dass unständige Entgeltbestandteile beitragsrechtlich dem "nächsten oder übernächsten" Lohnabrechnungszeitraum zugerechnet werden können.

2.8.3 Rechtslage nach Einführung des TVöD

Fraglich ist, ob durch die Formulierung des § 24 Abs. 1 Satz 3 TVöD – wonach Zeitzuschläge am Zahltag des 2. Kalendermonats nach ihrer Entstehung fällig sind – eine andere beitragsrechtliche Betrachtungsweise zu erfolgen hat. Dies wird in den Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 8.12.2005 betreffs Durchführungshinweise TVöD mit der Begründung, es handele sich bei der TVöD-Regelung – im Gegensatz zur Regelung im bis zum 30.9.2005 maßgebenden Tarifrecht BAT – um eine "Fälligkeitsregelung", behauptet. Nunmehr seien deswegen, "Abweichend vom bisherigen Recht", die unständigen Entgeltbestandteile "rückwirkend dem Arbeitsentgelt hinzuzurechnen". Dies trüge, so heißt es im Rundschreiben weiter, "dem sozialversicherungsrechtlichen Entstehungsprinzip nach § 23 SGB IV Rechnung". Diese Auffassung beruht auf der unrichtigen Annahme, dass unter dem Geltungsbereich des BAT das Entstehungsprinzip für unständige Bezüge nicht einschlägig war, sondern erst jetzt ("Abweichend vom bisherigen Recht …") durch die Neuformulierung der arbeitsrechtlichen Fälligkeit zum Tragen kommt. Verkannt wird dabei, dass auch unter dem Geltungsbereich des BAT die grundsätzliche Verbeitragung für den Monat der Arbeitsleistung gefordert war und nur durch eine von den Spitzenverbänden veranlasste Verwaltungsvereinfachung ignoriert werden durfte.

Allenfalls ist das Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern daher als Anweisung zu verstehen, statt die von den Spitzenverbänden geduldete Verwaltungsvereinfachung weiter anzuwenden, nunmehr auf die erwähnte Schätzung umzustellen.

2.8.4 Zusammenfassung

Durch die Einführung des TVöD hat sich die grundsätzliche beitragsrechtliche Betrachtung für unständige Bezüge nicht geändert. Es gilt das Entstehungsprinzip, welches durch arbeitsrechtliche Abreden nicht disponibel ist. Da seit dem 1.1.2006 die Schätzung einer "voraussichtlichen Beitragsschuld" erfolgen darf, wären die unständigen Bezüge – unbeschadet der späteren arbeitsrechtlichen Fälligkeit dieser Entgeltbestandteile – allerdings jetzt im Wege der Schätzung zu ermitteln und noch im laufenden Monat abzuführen. Da allerdings die Spitzenverbände ausdrücklich auf die Anwendung der bisherigen Vereinfachungsregel (Verbeitragung im nächsten oder übernächsten Monat) hingewiesen haben, spricht nichts dagegen, die Pflicht zum Schätzen im laufenden Monat zu ignorieren und die sozialversicherungsrechtliche Lohnabwicklung der unständigen Bezüge entgegen dem Entstehungsprinzip im Gleichklang mit den arbeitsrechtlichen Fälligkeitsregelungen durchzuführen.

Auch nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Sozialversicherungsträger vom 12.8.2005 ist es durchaus zulässig, variable Entgeltbestandteile, die im nächsten oder übernächsten Monat abgerechnet werden, wie bisher diesem Monat zuzuordnen. Sofern variable Arbeitsentgeltbestandteile zeitversetzt gezahlt werden und dem Arbeitgeber eine Berücksichtigung dieser Arbeitsentgelte bei der Beitragsberechnung für den Monat, in dem sie erzielt wurden, nicht möglich ist, können diese zur Verbeitragung dem Arbeitsentgelt des Zahlungs-/Fälligkeitsmonats hinzugerechnet werden.

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