6.1 Wahrheit und Wohlwollen

Das Zeugnis muss wahr sein und alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Beschäftigten von Bedeutung sind und an denen ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann.

Andererseits muss das Zeugnis von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Beschäftigten getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren.

Aus diesen Anforderungen ergibt sich:

Die Wahrheitspflicht ist oberstes Gebot.

Schwächepunkte erheblicher Art, Vorfälle, die für die Führung und Leistung von Bedeutung sind und das Gesamtbild prägen, sind daher zu erwähnen. Einzelne Vorkommnisse dagegen, die für den Beschäftigten, seine Führung und Leistung nicht charakteristisch sind – seien sie vorteilhaft oder nachteilig –, gehören nicht ins Zeugnis. Dies gilt erst recht für einzelne Vorfälle, die länger zurückliegen und sich nicht wiederholt haben.

Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Dem Arbeitgeber ist aber nicht vorgegeben, welche Formulierungen er im Einzelnen verwendet.[1] Auch steht es ihm frei, welches Beurteilungssystem er heranzieht. Benutzt er ein im Arbeitsleben übliches Beurteilungssystem, so ist das Zeugnis so zu lesen, wie es dieser Üblichkeit entspricht. Das gilt auch für eine zusammenfassende Endbeurteilung, die für das weitere Fortkommen des Beschäftigten von erheblicher Bedeutung ist. Bei einer Fülle von Bewerbungen werden eingereichte Zeugnisse vielfach nur "diagonal" überflogen und das Augenmerk auf die Schlussnote gerichtet. Deren Formulierung kann daher den Ausschlag geben, ob der Bewerber zum Vorstellungsgespräch geladen wird. Es genügt daher nicht, wenn lediglich dem Zusammenhang eines Zeugnisses zu entnehmen ist, dass es sich um ein "insgesamt" gutes Zeugnis handelt. Im Interesse des Beschäftigten muss sich aus der Schlussnote auch dem eiligen Leser erschließen, ob er sich mit der Bewerbung näher befasst.

6.2 Bewertung der Leistung und Beurteilung der Führung

Die Formulierung der Beurteilung und die Entscheidung, welche Leistungen und Eigenschaften seines Beschäftigten er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen will, ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers.

Das Zeugnis muss Angaben zur Führung und Leistung enthalten. Es ist ein einheitliches Ganzes. Alle für die Gesamtbeurteilung wesentlichen Umstände und Bewertungen sind anzuführen. Es hat sich auf die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses zu erstrecken. Einmalige Vorfälle oder zufällige Begebenheiten, die für das Gesamtverhalten und die Gesamtleistung des Beschäftigten nicht von einiger Bedeutung sind, dürfen nicht erwähnt werden.

Bei längerer Betriebszugehörigkeit muss der Arbeitgeber auf die Personalakte zurückgreifen oder er muss gar bei früheren Vorgesetzten Ermittlungen anstellen. Jedoch braucht diese Vorsorge nicht überstrapaziert werden, wenn zumindest die letzten drei Jahre zu Beurteilungen herangezogen werden können.

Bei der Darstellung der Leistungen sind u. a. folgende Faktoren von Bedeutung: Leistungsvolumen, Arbeitsqualität, Arbeitstempo, Arbeitsökonomie, Fachkenntnisse, besondere Fertigkeiten, Arbeitsbereitschaft, berufliches Engagement, Ausdrucksvermögen, Verhandlungsgeschick, erzielte Erfolge.

Bei Führungskräften sind der Führungsstil, Auswirkung auf die Mitarbeiter und wirtschaftliche Erfolge von besonderer Bedeutung.

Natürlich sind im jeweiligen Einzelfall nicht alle Kriterien einschlägig. Je nach Arbeitsgebiet und Aufgabenstellung sind jedoch zu den zu erwartenden Kriterien Aussagen zu machen. Geschieht dies nicht, ist dies ein sog. "beredtes Schweigen" (z. B. zur Ehrlichkeit einer Kassiererin).

Die Darstellung der Leistungen des Arbeitnehmers enthält ein Werturteil. Der Arbeitgeber hat sich um höchstmögliche Objektivität zu bemühen. Die Leistungsbeurteilungen sind voll nachprüfbar. Der Arbeitgeber trägt die Beweislast für unterdurchschnittliche, der Mitarbeiter für überdurchschnittliche Leistungen. Die Formulierung "zu unserer vollen Zufriedenheit" bescheinigt befriedigende und damit durchschnittliche Leistungen. Möchte der Beschäftigte "stets zu unserer vollen Zufriedenheit" also gute Leistungen bescheinigt haben, trägt er die Darlegungs- und Beweislast.[1] Die Formulierung "das Verhalten hat zu Beanstandungen keinen Anlass gegeben" bescheinigt unterdurchschnittliche Leistungen. Hier trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.[2]

Wird bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Erteilung eines "wohlwollenden Zeugnisses" vereinbart, beinhaltet dies nicht die Zusage, dass gute Leistungen bescheinigt werden.

Die Beurteilung der Führung bezieht sich auf das äußere Verhalten und das Benehmen des Bechäftigten im Betrieb: auf seine Pünktlichkeit, sein Verhältnis gegenüber den Vorgesetzten und Mitarbeitern, sein Einfügen in den betrieblichen Arbeitsablauf und die Beachtung der betrieblichen Vorschriften, aber auch seinen Umgang mit Besuchern und Kunden. Ausführungen zum Privatleben des Beschäftigten gehören grundsätzlich nicht in das Zeugnis. Hat das ...

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