Rz. 44

Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss eines Interessenausgleichs folgt aber nicht ohne Weiteres seine Zuständigkeit auch für den Abschluss eines Sozialplans. Vielmehr ist gesondert zu prüfen, ob der Ausgleich oder die Abmilderung der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile zwingend unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend geregelt werden muss. Maßgeblich hierfür ist der Inhalt de Interessenausgleichs. Regelt ein mit dem Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG vereinbarter Interessenausgleich eine Betriebsänderung, die sich nur auf einen Betrieb beschränkt oder werden die Betriebe durch die Betriebsänderung unterschiedlich und unabhängig voneinander betroffen, so ist ein unternehmensweit zu findender Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile im Sozialplan nicht zwingend. In diesem Fall verbleibt es bei der Zuständigkeit der von der Betriebsänderung jeweils betroffenen Betriebsräte. Erfassen die im Interessenausgleich vereinbarten Betriebsänderungen hingegen mehrere oder sogar sämtliche Betriebe des Unternehmens und ist die Durchführung des Interessenausgleichs abhängig von betriebsübergreifend einheitlichen Kompensationsregelungen in dem noch abzuschließenden Sozialplan, so kann diese Aufgabe von den Betriebsräten der einzelnen Betriebe nicht mehr wahrgenommen werden, sie ist dem Gesamtbetriebsrat zugewiesen (BAG, Beschluss v. 23.10.2002, 7 ABR 55/01[1]). Dies ist z. B. der Fall, wenn der Interessenausgleich betriebsübergreifende Versetzungen und Umsetzungen vorsieht und für die betroffenen Arbeitnehmer Nachteile in Form von zusätzlichen Wegezeiten, Fahrtkosten, Umzugskosten, Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung etc. entstehen. In diesen Fällen ermöglicht nur eine unternehmenseinheitliche Konzeption, die die Interessen aller von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer koordiniert, eine sachgerechte Verteilung der für den Nachteilsausgleich zur Verfügung stehenden Mittel (BAG, Beschluss v. 23.10.2002, 7 ABR 55/01[2]).

 

Rz. 45

Hingegen genügt der Umstand, dass die Mittel für den Sozialplan von ein und demselben Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden müssen, alleine nicht, um die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Sozialplans zu begründen. Etwas anderes gilt, wenn ein mit dem Arbeitgeber im Rahmen eines Interessenausgleichs vereinbartes, das gesamte Unternehmen betreffendes Sanierungskonzept nur auf der Grundlage eines bestimmten, auf das gesamte Unternehmen bezogenen Sozialplanvolumens realisiert werden kann (BAG, Beschluss v. 3.5.2006, 1 ABR 15/05[3]).

 

Rz. 46

Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Sozialplan ist auch begründet, wenn aufgrund konkreter Umstände (z. B. Insolvenzgefahr) nur ein begrenztes Sozialplanvolumen zur Verfügung steht. Das für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats hinsichtlich des Sozialplans erforderliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen unternehmensweiten oder betriebsübergreifenden Betriebsänderungen und einer darauf abstellenden Sozialplanregelung ist z. B. gegeben, wenn für das Gesamtunternehmen ein Insolvenzantrag gestellt wurde. Soll zur Abwendung der Insolvenz ein Interessenausgleich über ein unternehmenseinheitliches Sanierungskonzept zwischen dem Arbeitgeber und dem Gesamtbetriebsrat gefunden werden und kann dieses Sanierungskonzept nur auf der Grundlage eines bestimmten, auf das gesamte Unternehmen bezogenen Sozialplanvolumens realisiert werden, kann die hiermit notwendig verbundene Entscheidung darüber, wie dieses Gesamtvolumen auf die betroffenen Arbeitnehmer verteilt werden soll, nur unternehmenseinheitlich und damit auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats getroffen werden. Eine zur Abwendung der drohenden Insolvenz unumgänglich notwendige Verzahnung zwischen dem vereinbarten Interessenausgleich und den korrespondierenden Sozialplanregelungen wäre durch eine Vielzahl von Vereinbarungen auf der Ebene der einzelnen Betriebe nicht erreichbar (BAG, Urteil v. 11.12.2001, 1 AZR 193/01[4]).

 

Rz. 47

Der die Initiativlast tragende Arbeitgeber muss bei Zweifeln über den zuständigen Verhandlungspartner für einen Interessenausgleich die in Betracht kommenden Arbeitnehmervertretungen zur Klärung der Zuständigkeitsfrage auffordern. Weist er einen möglichen Verhandlungspartner zurück, trägt er das Risiko, dass der Interessenausgleich nicht "versucht" ist, wenn dieser zuständig gewesen wäre (BAG, Urteil v. 24.1.1996, 1 AZR 542/95[5]).

[3] NZA 2007 S. 1245, 1247 f.; BAG, Urteil v. 11.12.2001, 1 AZR 193/01, NZA 2002 S. 688; Schwab, NZA-RR 2007 S. 505, 508.
[4] NZA 2002 S. 688, 690.
[5] NZA 1996 S. 1107.

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