2.1 Allgemeines

2.1.1 Begriff

 

Rz. 4

Wenn Arbeitnehmer durch geplante Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG wesentliche Nachteile erleiden können, muss der Arbeitgeber nach § 112 BetrVG versuchen, mit dem Betriebsrat zu einem Interessenausgleich zu gelangen. Der Betriebsrat kann indes einen Interessenausgleich – anders als regelmäßig einen Sozialplan – nicht erzwingen, sondern er kann von Arbeitgeber und Betriebsrat nur freiwillig vereinbart werden.

Was ein Interessenausgleich ist, besagt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. § 112 BetrVG enthält lediglich eine Definition des Sozialplans. Nach der Rechtsprechung des BAG besteht der Interessenausgleich aus der Absprache zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, ob, zu welchem Zeitpunkt, in welchem Ausmaß und in welcher Form die geplante Betriebsänderung durchgeführt werden soll (BAG, Beschluss v. 27.10.1987, 1 ABR 9/86). Der Interessenausgleich betrifft m.a.W. die Ausgestaltung und den Inhalt ("ob, wann, und wie") der Betriebsänderung, der Sozialplan hingegen die Abmilderung oder den Ausgleich der Folgen der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer. Anders als der Sozialplan enthält der Interessenausgleich in der Regel keine unmittelbaren Rechtsansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber. Allerdings sind in der Praxis häufig Vermischungen anzutreffen. Dann handelt es sich um eine gemischte Vereinbarung aus Elementen des Interessenausgleichs und einer Betriebsvereinbarung. Ob im Einzelfall gewollt ist, den Arbeitnehmern Rechtsansprüche einzuräumen ist durch Auslegung zu ermitteln.[1]

 

Rz. 5

Ein Interessenausgleich kann folglich nur über konkret geplante Maßnahmen verhandelt und abgeschlossen werden. Maßnahmen, die lediglich grob abschätzbar, nicht aber bereits konkret geplant sind, können lediglich im Rahmen eines fürsorglichen (freiwilligen und nicht erzwingbaren) Sozialplans, nicht aber eines Interessenausgleichs berücksichtigt werden. Ein solcher Sozialplan würde jedoch einen späteren Versuch eines Interessenausgleichs nicht entbehrlich machen. Ausnahmsweise kann in einem vor der Durchführung der Betriebsänderung vereinbarten Sozialplan auch gleichzeitig ein Interessenausgleich liegen. Das setzt aber voraus, dass die Betriebsänderung bereits konkret geplant ist und sich die Betriebsparteien darin einig sind, die Maßnahme so durchzuführen, wie sie bei der Aufstellung des Sozialplans von Ihnen vorausgesetzt worden ist (BAG, Urteil v. 20.4.1994, 10 AZR 186/93). Im Zweifelsfall sollte der Arbeitgeber auf den Abschluss eines Interessenausgleichs – und sei es nur in der Form, dass der Betriebsrat die Maßnahme zur Kenntnis nimmt – bestehen, weil er nur so dem Risiko entgehen kann, von den nachteilig betroffenen Arbeitnehmern nach § 113 Abs. 3 BetrVG auf einen Nachteilsausgleich in Anspruch genommen zu werden.

[1] Richardi/Annuß, § 112 BetrVG Rz. 45.

2.1.2 Zuständigkeit und Verfahren

 

Rz. 6

Im Regelfall ist der Interessenausgleich mit dem Betriebsrat zu versuchen, dessen Betrieb von der geplanten Betriebsänderung betroffen ist. Erstreckt sich ein einheitliches Unternehmenskonzept zur Betriebsänderung über mehrere oder alle Betriebe eines Unternehmens, ist nach § 50 Abs. 1 BetrVG der Gesamtbetriebsrat zuständig (BAG, Beschluss v. 23.10.2002, 7 ABR 55/01; BAG, Urteil v. 20.4.1994, 10 AZR 186/93; BAG, Urteil v. 11.12.2001, 1 AZR 193/01).[1]

[1] Zum Verfahren über die Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan siehe unten Rz. 137 ff.

2.1.3 Schriftform

 

Rz. 7

Die Einigung zwischen Unternehmer und Betriebsrat über den Interessenausgleich ist schriftlich festzuhalten und von beiden Seiten zu unterschreiben. Erforderlich ist die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform nach § 126 BGB, also die eigenhändige Unterzeichnung des Interessenausgleichs durch den Betriebsratsvorsitzenden und den Unternehmer oder eine von diesem bevollmächtigte Person. Wird der Interessenausgleich in elektronischer Form geschlossen, haben Arbeitgeber und Betriebsrat abweichend von § 126a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dasselbe Dokument elektronisch zu signieren (§ 112, Abs. 1 S. 1, 2. Halbsatz).[1]

Dabei ist zu beachten, dass der Betriebsratsvorsitzende nach § 26 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat nur im Rahmen der von diesem gefassten Beschlüsse vertritt. Das bedeutet, dass der Betriebsratsvorsitzende einen Interessenausgleich nur dann wirksam unterschreiben kann, wenn zuvor der Betriebsrat dem zugestimmt hat. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Interessenausgleich eine sogenannte "Namensliste" enthält, in der die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich benannt sind. Die damit verbundenen Erleichterungen im Kündigungsschutzprozess nach § 1 Abs. 5 KSchG für den Arbeitgeber entfallen, wenn der Betriebsrat nicht durch einen entsprechenden Beschluss beschlossen hat, diesem Interessenausgleich einschließlich der Namensliste zuzustimmen. Der Arbeitgeber sollte sich daher regelmäßig versichern, dass es einen entsprechenden Betriebsratsbeschluss gibt.

Eine gemeinsame schriftliche Anzeige von Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 17 KSchG gegenüber der Agentur für Arbeit re...

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