2.1 Zielsetzung

 

Rz. 3

§ 45 hat dem Grunde nach wegen § 7 Abs. 1 für die gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung nur eine deklaratorische Bedeutung, weil die Fördervoraussetzungen in den jeweiligen rehabilitationsträgerspezifischen Leistungsgesetzen geregelt sind. Ansprüche auf eine Förderung der Selbsthilfe ergeben sich letztendlich

  • in der gesetzlichen Krankenversicherung aus § 20h SGB V und
  • in der gesetzlichen Rentenversicherung aus § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI (Kann-Bestimmung) i. V. m. den "Muster-Richtlinien über Zuwendungen durch die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung an Einrichtungen, die auf dem Gebiet der Rehabilitation forschen oder die Rehabilitation fördern (Zuwendungsrichtlinien)" (Text vgl. Komm. zu § 31 SGB VI).

Für die gesetzliche Unfallversicherung ermöglicht § 39 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII einen Freiraum zur Beteiligung an den Kosten der Selbsthilfe im Rahmen der sonstigen Leistungen zur Erreichung und zur Sicherstellung des Erfolges der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe. Nach Auffassung des Autors betrifft diese Förderung nicht eine Selbsthilfeinstitution als solche, sondern lediglich eine versichertenbezogene Förderung. Die Unfallversicherungsträger werden jedoch nicht daran gehindert, an der Erarbeitung einheitlicher Fördergrundsätze nach § 45 SGB IX teilzunehmen, um die Verteilung der zur Verfügung stehenden Fördergelder usw. nach einheitlichen Grundsätzen zu regeln.

Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) sieht durch die Träger der Kriegsopferfürsorge im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung eine Förderung gemäß § 27d Abs. 2 BVG vor. Sie beinhaltet die Erbringung von Leistungen in Einzelfällen für die individuelle Teilnahme an Angeboten der Selbsthilfe. Im Übrigen ergibt sich die gleiche Rechtsfolge wie bei der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Vorschriften der Träger der Jugend- und Eingliederungshilfe enthalten keine Regelung zur Förderung der Selbsthilfe als Institution. Sie sind an der Erarbeitung der Gemeinsamen Empfehlung zur Förderung der Selbsthilfe gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX auch nicht beteiligt, weil § 26 Abs. 2 Nr. 6 keine Beteiligung der Träger der Jugend- und Eingliederungshilfe vorsieht. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe sollen sich aber bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben an dieser Gemeinsamen Empfehlung orientieren. Sie können ihr auch beitreten (vgl. § 26 Abs. 5 Satz 2; vgl. auch BT-Drs. 13/9514 S. 29).

Da aus § 45 als solche keine konkreten Förderungsansprüche von Selbsthilfeinstitutionen hergeleitet werden können, hat § 45 im Wesentlichen lediglich eine zwischen

  • der Bundesagentur für Arbeit
  • den Trägern der Kranken-, Renten- und Unfallversicherung sowie
  • den Trägern der Kriegsopferversorgung und -fürsorge (im Rahmen des Rechts der sozialen Entschädigung bei Gesundheitsschäden)

durchzuführende Förderabstimmung zum Inhalt (Soll-Vorschrift). Ziel ist, die Förderung der Selbsthilfe transparent und abgestimmt – also in ihrer Gesamtheit "gerecht"– vorzunehmen. Damit wird vermieden, dass Projekte und Institutionen ungerechtfertigt doppelt bezuschusst oder gefördert werden und andere Projekte/Institutionen insgesamt gesehen keine Förderung erhalten.

§ 45 hat nur für die Selbsthilfeeinrichtungen Bedeutung, die sich dem Bereich der Gesundheitsförderung im rehabilitativen Bereich widmen.

Art und Umfang der Förderung und ihre Verteilung liegen im Ermessen der oben aufgeführten Rehabilitationsträger; eine Selbsthilfeinstitution hat somit keinen Rechtsanspruch auf eine Unterstützung, selbst wenn sie sich ausschließlich der rehabilitativen Gesundheitsförderung verschrieben hat. Sie kann nur die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens seitens der Rehabilitationsträger beanspruchen (Gleichheitsgrundsatz).

 

Rz. 4

In welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen gefördert werden sollten, haben die Träger der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 6 in einer Gemeinsamen Empfehlung zur Förderung der Selbsthilfe geregelt (Fundstelle vgl. Rz. 17). Diese trat aufgrund der Vorgängervorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 6 am 1.7.2004 in Kraft und wurde zum 23.2.2012 zuletzt überarbeitet. Bis zum Inkrafttreten einer auf § 45 beruhenden Gemeinsamen Empfehlung kann die bestehende Empfehlung als Orientierung dienen.

2.2 Definition der Selbsthilfe

 

Rz. 5

Die Selbsthilfe i. S. d. § 45 versteht sich als eine Erweiterung und Ergänzung der professionellen Hilfsangebote. Ihre Aktivitäten sind dabei auf eine Verbesserung der Lebenssituation vorwiegend von chronisch und schwer Erkrankten ausgerichtet. Wichtig ist nämlich, dass sich behinderte Menschen mit gleichen "Leiden" bzw. Funktions- oder Fähigkeitsstörungen in Gruppen treffen, untereinander austauschen und gegenseitig unterstützen. Charakteristisch für die Selbsthilfe ist ihre Betroffenenkompetenz (eigene Erfahrung durch eigenes Erleben – als Betroffener oder als Angehöriger). Diese schafft die Akzeptanz bei den Adressaten und ermöglicht langjährige und wirksame nied...

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