Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Berichtigung eines Arbeitgeberversehens bei der Berechnung des Arbeitsentgelts mit Auswirkungen auf Beitragspflicht. Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Pauschalbeiträge. Arbeitsentgelt. steuerfreie Einnahme. Bindung an ein Urteil des Finanzgerichts. Verjährung

 

Orientierungssatz

1. Mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang steht, dass Beiträge zu Unrecht entrichtet werden, wenn eine Beitragsschuld objektiv nicht besteht, (zB) weil § 14 Abs 1 Satz 3 SGB 4 aF nicht beachtet wird (vgl LSG Mainz vom 27.9.2012 - L 4 R 437/10 und vom 13.11.2013 - L 4 R 28/12, letzteres allerdings aufgehoben und zurückverwiesen durch BSG vom 16.12.2015 - B 12 R 1/14 R, das diese Frage - noch - offengelassen hat).

2. Eine rückwirkende Veränderung der Beitragslast kommt in Betracht, wenn damit einer von Anfang an bestehenden, aber erst nachträglich erkannten Beitragspflicht oder Beitragsfreiheit Geltung verschafft wird (vgl BSG vom 12.12.1990 - 12 RK 35/89 = BSGE 68, 82 = SozR 3-2200 § 381 Nr 1 und BSG vom 17.12.1996 - 12 RK 45/95 = BSGE 79, 302 = SozR 3-2500 § 251 Nr 1). Danach löst (allein) der Zufluss des Arbeitsentgelts ausnahmsweise keinen Beitragsanspruch aus, soweit es sich um eine irrtümliche Zahlung handelt, zB auf Grund eines Bankirrtums oder eines Arbeitgeberversehens (vgl BSG vom 7.2.2002 - B 12 KR 13/01 R = SozR 3-2400 § 14 Nr 24 und BSG vom 16.12.2015 - B 12 R 1/14 R).

 

Normenkette

SGB IV § 26 Abs. 2, 3 S. 1, § 27 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 28i S. 5, § 14 Abs. 1; EStG § 3 Nr. 26; SGB V § 249b S. 1; SGB VI § 172 Abs. 3 S. 1; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 25.9.2013 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 13.1.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.4.2012 verurteilt, dem Kläger überzahlte Beiträge in Höhe von EUR 4.778,64 zu erstatten.

Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen jeweils zur Hälfte.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das zweitinstanzliche Verfahren wird bis zum 17.12.2015 auf EUR 9.396,32, ab dem 18.12.2015 auf EUR 4.778,64 festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von (Arbeitgeber-)Sozialversicherungsbeiträgen.

Der klagende Verein (fortan: der Kläger) ist durch Bescheid des Finanzamtes C-Innenstadt nach § 5 Abs 1 Nr 9 Körperschaftssteuergesetz von der Körperschaftssteuer befreit, da er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten, gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51ff Abgabenordnung (AO) dient. Er ist (u.a.) Träger der Offenen Ganztagsschule (OGS) der B-schule - Gemeinschaftsgrundschule der Bundesstadt C - und beschäftigt dort im Rahmen geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse Ergänzungskräfte, die nebenberuflich die dortigen Erzieher und Erzieherinnen erzieherisch, betreuend und teilweise auch unterrichtend unterstützen. Für diese geringfügig Beschäftigten zahlt der Kläger an die Beklagte pauschale Lohnsteuer (in Höhe von 2% des Entgeltes) und Pauschalbeiträge zur Kranken- und Rentenversicherung in Höhe von 13% (bis 30.6.2006: 10%) bzw 15% (bis 30.6.2006: 13%) des Entgelts.

In den Jahren 2006-2008 beschäftigte der Kläger die folgenden nebenberuflich erzieherisch und betreuend tätigen Ergänzungskräfte und zahlte ihnen die angegebenen jährlichen Arbeitsentgelte (fortan: streitige Arbeitsentgelte):

Jahr 206

Beschäftigter - Entgelt in EUR

B - 1.020,00 EUR

B1 - 525,00 EUR

C - 15,00 EUR

L - 560,00 EUR

T - 228,75 EUR

T1 - 1.627,50 EUR

Summe = 3.976,25 EUR

Jahr 2007

Beschäftigter - Entgelt in EUR

B - 1.158,75 EUR

B1 - 630,00 EUR

N - 453,75 EUR

N1 - 240,00 EUR

O - 510,00 EUR

T - 401,25 EUR

T1 - 1.456,85 EUR

T2 - 380,63 EUR

Summe = 5.231,23 EUR

Jahr 2008

Beschäftigter - Entgelt in EUR

B - 941,25 EUR

B1 - 318,75 EUR

I - 941,24 EUR

N - 3.563,74 EUR

O - 2.255,62 EUR

S - 241,88 EUR

T - 922,49 EUR

T1 - 670,00 EUR

Summe = 9.854,97 EUR

Gesamtsumme = 19.062,45 EUR

Für 2006 entfielen auf die erste Jahreshälfte EUR 2.110,01, auf die zweite Jahreshälfte EUR 1.866,24 des Entgelts. Der Kläger entrichtete auf die streitigen Arbeitsentgelte pauschale Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 25% (bis 30.6.2006) bzw 30%, ohne eine (teilweise) Steuerfreiheit nach § 3 Nr 26 Einkommenssteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund führte in der Zeit vom 27.4. bis 9.7.2009 beim Kläger eine Prüfung nach § 28p SGB IV durch (Zeitraum vom 1.1.2005 bis 31.12.2008) und teilte ihm mit, die stichprobenweise durchgeführte Prüfung habe keine Feststellungen ergeben (Schreiben vom 14.7.2009).

Im Dezember 2009 bat der Kläger die Beklagte um rückwirkende Berücksichtigung der sog. "Übungsleiter-Pauschale" nach § 3 Nr 26 EStG für die letzten fünf Jahre; ein Betriebsprüfer habe darauf hingewiesen, dass diese Vorschrift anzuwenden sei (Schreiben vom 18.12.2009). Die Beklagte riet dem Kläger, sich wegen der Anwendung des § 3 Nr 26 EStG "an das zuständige Finanzamt" zu wenden. Soweit dieses zu einer Steuerfreiheit...

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