Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Einstellungsgespräch. Frage nach früheren Arbeitsverhältnissen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitnehmer ist bei dem Einstellungsgespräch verpflichtet, die Frage des Arbeitgebers nach den früheren Arbeitgebern und der Dauer der jeweiligen Beschäftigungsverhältnisse wahrheitsgemäß zu beantworten. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Teilnahme an einer Entziehungstherapie verheimlichen und so seine Wiedereingliederung in das Arbeitsleben erreichen will.

 

Normenkette

BGB §§ 123, 611

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 21.03.1995; Aktenzeichen 4 Ca 1661/94)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.03.1995 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 4 Ca 1661/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger war seit dem 10.08.1992 bei der Beklagten als Planschneider zu einer Bruttovergütung von zuletzt 2.817,– DM beschäftigt.

In der Zeit vom 24.06. bis 22.10.1989 war der Kläger bei der Firma R. Service, der jetzigen Warner Music M.-E. GmbH (…), beschäftigt. Die W. ist die Muttergesellschaft der Beklagten, beide Firmen unterhalten eine gemeinsame Personalverwaltung.

Vor der Einstellung füllte der Kläger einen Personalfragebogen aus, in dem er zum beruflichen Werdegang die Beschäftigung bei der Firma W. nicht erwähnte, sondern statt dessen für die Jahre 1988 bis 1990 durchgängig eine Beschäftigung bei der Firma PKL in Linnich eintrug. Als der Kläger im Jahre 1994 eine Bewerbung zur Ausbildung als Siebdrucker bei der Firma W. abgab, wurde er im Zuge seiner Ausbildung, die in den Räumlichkeiten der Firma W. stattfand, wiedererkannt.

Am 14.06.1994 wurde der Kläger mittels eines Zettels, auf dem stand: „Termin 15.06.1994, 14.30 Uhr, Personalbüro” zu einem Gespräch ins Personalbüro geladen.

Ergebnis des Gesprächs, bei dem auch zwei Betriebsratsmitglieder anwesend waren, war, daß der Kläger einen Aufhebungsvertrag zum 30.06.1994 unterzeichnete.

Der Kläger hat behauptet, ihm sei erklärt worden, daß er sich einer Urkundenfälschung schuldig gemacht habe und daß er fristlos gekündigt werde und sich Schadensersatzforderungen ausgesetzt sähe, wenn er den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichne. Bei der Einstellung habe er die Beschäftigung bei der Firma W. verschwiegen, weil er dort wegen Alkoholproblemen ausgeschieden sei. Er habe einen Schlußstrich unter diesen Lebensabschnitt setzen wollen. Als er den Aufhebungsvertrag unterzeichnet habe, sei er völlig fassungslos und verwirrt gewesen. Auch habe man ihm keine Bedenkzeit eingeräumt. Er habe nicht ohne weiteres rechtswirksam gekündigt werden können, da er schwerbehindert sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch Aufhebungsvereinbarung vom 20.04.1994 zum 30.06.1994 beendet worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat erwidert, daß sie den Kläger nicht eingestellt hätte, wenn er im Personalfragebogen wahrheitsgemäße Angaben gemacht hätte. Denn er sei damals wegen Unzuverlässigkeit entlassen worden. Dem Kläger sei eine fristlose Kündigung nicht angedroht worden. Im Gespräch vom 15.06.1994 sei ihm durch die Personalleiterin der Beklagten lediglich eine Passage aus dem Arbeitsrechtshandbuch von Schaub vorgelesen worden, in dem die Falschbeantwortung von Personalfragebögen behandelt werde. Der Kläger habe sich dann nach einem Gespräch mit den beiden Betriebsratsmitgliedern, den Zeugen H. und P., entschlossen, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Von einer Schwerbehinderung sei der Beklagten nichts bekannt. Im Personalfragebogen habe er die diesbezügliche Frage ausdrücklich verneint.

Das Arbeitsgericht Aachen hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen H. – und P. abgewiesen. Es hat ausgeführt, zwar habe die Beklagte den Kläger zum Abschluß des Aufhebungsvertrages bewegt, indem sie ihm die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung angedroht habe. Ein solches Anfechtungsrecht habe die Beklagte aber gehabt, da der Kläger eine Frage nach dem beruflichen Werdegang, die die Beklagte in zulässiger Weise an ihn gerichtet habe, vorsätzlich falsch beantwortet habe.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er trägt vor, er habe bei dem Einstellungsgespräch, das die Beklagte mit ihm geführt habe, seine Beschäftigung bei der W. nicht angegeben, weil er dort wegen Alkoholproblemen ausgeschieden sei und habe befürchten müssen, daß die Beklagte ihn bei Kenntnis dieses Sachverhalts nicht eingestellt hätte. Er habe sich indessen nach dem Ausscheiden bei der W. einer Therapie unterzogen, aufgrund derer er von seiner Alkoholsucht geheilt sei. Die Anfechtung, mit der die Beklagte gedroht habe, sei unzulässig gewesen, weil die Anfechtung dann ausgeschlossen sei, wenn die Rechtslage des Getäuschten zum Zeitpunkt der Ausübung des Anfechtungsrechts nicht mehr beeinträchtigt sei. Deshalb müsse die Entwicklung des Arbeitsvertrages in der Vergangenheit betrachtet werden. Dabei könne es sich ergeben, daß der Anfec...

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