Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleich von Rentenabschlägen aufgrund einer Betriebsvereinbarung - Stichtagsregelung - Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Orientierungssatz

1. Zum Anspruch auf Ausgleichszahlung für versicherungsmathematische Abschläge wegen vorzeitigen Rentenbezuges aufgrund einer in Ergänzung zu einem Sozialplan abgeschlossenen Betriebsvereinbarung.

2. Die Anknüpfung einer Ausgleichszahlung an einen Stichtag (hier: Umsetzung der Betriebsvereinbarung in der Weise, daß ausschließlich denjenigen eine Ausgleichszahlung zugesagt wurde, die ihre Kündigung nicht vor dem 20.7.1998 erhalten haben) verstößt im vorliegenden Fall gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine rein zeitbezogene Differenzierung reicht als sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern nicht aus. Entscheidend kommt es vielmehr auf die Differenzierungsgründe an, die sich hinter der Stichtagsregelung verbergen. Die Prüfung des sachlichen Grundes hat sich am Leistungszweck zu orientieren.

3. Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 3 AZR 656/00.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 19.10.1999 - 5 Ca 875/99 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 6.243,00 DM.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger aufgrund einer in Ergänzung zu einem Sozialplan abgeschlossenen Betriebsvereinbarung eine Ausgleichszahlung für versicherungsmathematische Abschläge wegen vorzeitigen Rentenbezuges beanspruchen kann.

Der am 27.07.1941 geborene Kläger war ab April 1956 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der W. F. und D. GmbH & Co. KG, in der Zweigniederlassung in H. als Sachbearbeiter beschäftigt. Wegen nachhaltiger stark rückläufiger Absätze besonders in der sog. Feuerfestsparte entschied sich die Beklagte zu einer Umstrukturierung des Unternehmens. Wegen des damit verbundenen Personalabbaus wurde mit dem Gesamtbetriebsrat am 23.03.1994 ein Interessenausgleich und Sozialplan geschlossen. Es existiert außerdem ein Interessenausgleich und Sozialplan vom 28.04.1995. 1995 erfolgte ein drastischer Personalabbau, bei dem mit Ausnahme zweier leitender Angestellter alle Arbeitnehmer, die 55 Jahre und älter waren, ausschieden. Als sich der Absatzrückgang im Jahre 1998 stark beschleunigte, entschloss sich die Beklagte, allein im H. Betrieb weitere 40 Arbeitsplätze abzubauen. Davon sollten in Abstimmung mit dem Betriebsrat vorrangig Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet hatten, betroffen sein. Unter Zugrundelegung des bestehenden Sozialplans waren zunächst nur 15 ältere Mitarbeiter bereit, eine betriebsbedingte Kündigung hinzunehmen. Dazu gehörte der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis mit Schreiben der Beklagten vom 16.06.1998 zum 31.03.1999 gekündigt wurde (Bl. 7 GA). Mit weiterem Schreiben vom 16.06.1998 bestätigte die Beklagte die Zusage von "Leistungen nach dem gültigen Sozialplan vom 28.04.1995". In dem Schreiben heißt es weiter:

"...

2. Danach erhalten Sie zum Ausgleich der Nachteile, die Ihnen

durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstehen, zusammen mit Ihrer

Abrechnung Dezember 1998 im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen,

eine einmalige lohn- und sozialversicherungsfreie Abfindung nach

vorläufiger Berechnung von insgesamt 62.273,08 DM. Die endgültige

Berechnung erfolgt im Austrittsmonat.

3. Bis zu Ihrem Ausscheiden wickeln Sie den Ihnen noch

zustehenden Urlaub ab.

4. Damit sind alle Ansprüche aus dem beendeten

Arbeitsverhältnis und seine Beendigung abgegolten.

5. Bei Eintritt des Rentenfalles gelten Sie im Sinne unserer

Richtlinien als Werkspensionär. Sie erhalten dann die Leistungen

der betrieblichen Altersversorgung nach unserer Pensionsordnung.

Die Leistungen werden so errechnet, als wären Sie in dem Monat in

Ruhestand getreten, in dem Sie das 63. Lebensjahr vollenden."

Unter dem 28.07.1998 schlossen die Firma R. Kalksteinwerke GmbH & Co. KG - die Muttergesellschaft der Beklagten - mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung "Ausgleichszahlung für versicherungsmathematische Abschläge wegen vorzeitigen Rentenbezuges", die wie folgt lautet:

"Im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der W. Gruppe und den

daraus resultierenden Personalanpassungsmaßnahmen wird für die

rentennahen Jahrgänge zwischen der Geschäftsführung der R.

Kalksteinwerke GmbH & Co. KG und dem Betriebsrat folgende

Betriebsvereinbarung geschlossen:

1. Mitarbeiter, die bis zum 31. März 1999 das 55. Lebensjahr

vollendet haben und denen wegen der Umstrukturierungsmaßnahmen aus

betriebsbedingten Gründen gekündigt werden muss und die bis zum

31. März 1999 aus dem Unternehmen ausscheiden und die deshalb

wegen des vorzeitigen Bezuges der gesetzlichen Rente

versicherungsmathematische Abschläge in Kauf nehmen müssen,

erhalten einen pauschalen Ausgleichsbetrag auf den persönlichen

versicherungsmathematischen Abschlag.

Dieser Ausgleichsbetrag wird wie folgt festgelegt:

A...

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