Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Generalunternehmers nach § 1 a AEntG für vom polnischen Subunternehmer nicht abgeführte Urlaubskassenbeiträge

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kläger (Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft, Wiesbaden) nimmt die Beklagte, ein deutsches Unternehmen des Bauhauptbewerbes, das die Streitverkündete, ein polnisches Bauunternehmen, mit der Erbringung von Bauleistungen in Deutschland beauftragt hatte, in Haftung für nicht von der Streitverkündeten abgeführte Urlaubskassenbeiträge. Das Arbeitsgericht hat durch Teilurteil die Klage teilweise zugesprochen. Die Berufung blieb erfolglos.

2. Die in § 1 a AEntG begründete Haftung des Generalunternehmens für die vom Subunternehmer abzuführenden Urlaubskassenbeiträge verstößt nicht gegen das Grundgesetz.

 

Normenkette

GG Art. 3, 9, 12; AEntG §§ 1, 1a; VTV-Baugewerbe §§ 13, 18

 

Verfahrensgang

ArbG Wuppertal (Teilurteil vom 04.02.2001; Aktenzeichen 7 Ca 3540/01)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 09.09.2003; Aktenzeichen 9 AZR 478/02 (A))

 

Tenor

Die Berufung gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 04.02.2001 wird kostenfällig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) in Haftung für nicht von der Streitverkündeten abgeführte Urlaubskassenbeiträge.

Die Beklagte, ein in W. ansässiges Unternehmen des Bauhauptgewerbes, beauftragte die Streitverkündete, das polnische Bauunternehmen I. Sp. Zo. O., K., mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten auf vier Baustellen in West- und Norddeutschland. Die Streitverkündete beschäftigte auf den Baustellen ausschließlich aus Polen entsandte gewerbliche Arbeitnehmer. Dem Kläger meldete sie für den Zeitraum Juni bis Dezember 2000 Urlaubskassenbeiträge in Höhe von insgesamt DM 107.333,34 und führte an ihn DM 9.703, 46 ab. Nach ihren Meldungen will sie den Arbeitnehmern in Höhe von DM 85.405,46 (bei Berücksichtigung eines der Streitverkündeten für September 2000 unterlaufenen Rechenfehlers: DM 85.805,46) ausgezahlt haben.

Der Kläger hat mit der im Mai 2001 vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden erhobenen Klage die Beklagte nach § 1a AEntG auf Zahlung der ausstehenden Urlaubskassenbeiträge in Anspruch genommen. Er bezifferte seine Forderung auf EUR 49.917,37 (DM 107.333,34 abzüglich gezahlter DM 9.703,46) und bestreitet unter Hinweis auf zwei Prüfberichte des Arbeitsamtes Köln, dass die Streitverkündete ihren Arbeitnehmern überhaupt, jedenfalls in der gemeldeten Höhe, Urlaubsvergütung gezahlt habe. Im übrigen könne – so meint er – nach dem Verfahrenstarifvertrag (VTV) der Arbeitgeber geschuldete Urlaubskassenbeiträge nicht mit ausgezahlter Urlaubsvergütung verrechnen, sondern sei auf die Durchführung des Erstattungsverfahrens angewiesen.

Die Beklagte hat die Meldungen als richtig verteidigt und die Aufrechnung mit ihr am 14.11.2001 von der Streitverkündeten abgetretenen Erstattungsansprüchen gegen den Kläger erklärt. Die Streitverkündete ist dem – vom Arbeitsgericht Wiesbaden an das Arbeitsgericht Wuppertal verwiesenen – Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten. Beklagte und Streitverkündete halten die im AEntG statuierte Beitragspflicht des ausländischen Bauunternehmers (§ 1) und Haftung des inländischen Auftraggebers (§ 1a) für verfassungswidrig.

Durch Teilurteil vom 04.12.2001 hat das Arbeitsgericht der Klage in Höhe von DM 12.224,42 (= EUR 6.250, 25) nebst Zinsen mit der Begründung stattgegeben, dass sich unter Zugrundelegung der eigenen Meldungen der Streitverkündeten dieser Differenzbetrag als noch nicht ausgezahlte Urlaubsvergütung ergebe.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift die Beklagte das Urteil an. Sie und die Streitverkündete beantragen,

das Teilurteil des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 04.12.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze mit den hierzu überreichten Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I. Nachdem die Vorinstanz – von Beklagter und von Streitverkündeter nicht gerügt – die Zuständigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen angenommen hat, erledigt sich nach § 65 ArbGG eine Überprüfung in der Berufungsinstanz (BAG, Urteil vom 05.0.1995, 9 AZR 533/94, AP Nr. 24 zu § 1 TVG Vorruhestand, zu I der Gründe, BAG, Urteil vom 26.03.1992, 2 AZR 443/91, AP Nr. 7 zu § 48 ArbGG, zu II 3 b aa).

Im Übrigen folgt die Zuständigkeit zwar nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG, weil die Beklagte nicht „Arbeitgeber”, sondern Auftraggeber des „Arbeitgebers” ist. Sie ergibt sich jedoch nach Dafürhalten der Kammer aus § 8 Satz 2 AEntG. Der Kläger kann als „gemeinsame Einrichtung der TVP nach § 1 Abs. 3” Beiträge vor dem Arbeitsgericht einklagen. Dies umfasst nach dem Normzweck des § 8 AEntG auch die Inanspruchnahme des Auftraggebers gemäß § 1a AEntG, der für die Zahlung der „Beiträge” haftet.

II. Die Berufung...

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