Zu Unrecht wird der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung häufig aus Unkenntnis über ihre Voraussetzungen oder im Hinblick auf die Risiken eines Kündigungsschutzprozesses unterlassen.

Insbesondere die Risiken im Kündigungsschutzprozess lassen sich deutlich verringern, wenn folgende Hinweise beherzigt werden:

  • Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements: Bei sorgfältiger Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements weiß der Arbeitgeber regelmäßig, ob eine krankheitsbedingte Kündigung Aussicht auf Erfolg hat – oder die Krankheitszeiten lassen sich verringern.

     
    Wichtig

    Prüfen Sie, ob ein neuerliches betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt werden muss. Das LAG Baden-Württemberg vertritt die Ansicht, dass dann ein neuerliches betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen ist, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines betrieblichen Eingliederungsmanagements erneut länger als 6 Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war. Dies gilt auch dann, wenn noch nicht der Zeitraum von einem Jahr vergangen ist.[1]

    Die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist keine formale Voraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Hat der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt, so ist er darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass auch ein durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement nicht dazu beigetragen hätte, neuerlichen Arbeitsunfähigkeitszeiten entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten.[2]

    Häufig werden die infrage kommenden Beschäftigten zugleich auch den Status eines Menschen mit Behinderung haben und daraus abgeleitet die Erforderlichkeit bestehenden, vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes einzuholen. Es ist durchaus denkbar, dass das Integrationsamt die Zustimmung erteilt, obwohl kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde. Dies entbindet jedoch den Arbeitgeber nicht von der zuvor genannten Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die hypothetische Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements[3].

     
    Hinweis

    Das Urteil des BAG vom 15.12.2022, 2 AZR 162/ 22, zeigt den Stellenwert eines betrieblichen Eingliederungsmanagements für die Praxis wieder deutlich. Bemerkenswert war in diesem Fall, dass der Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements angeboten hatte und der Beschäftigte die vom Arbeitgeber verlangte datenschutzrechtliche Einwilligung verweigerte. Der Arbeitgeber ging daher davon aus, dass BEM sei mangels Zustimmung des Arbeitnehmers gescheitert. Dies sieht das BAG anders. Aus Sicht des BAG besteht zwar aus Transparenzgründen in § 167 Abs. 2 Satz 4 SGB IX eine Hinweispflicht über Art und Umfang der konkreten im Rahmen des Verfahrens zu verarbeitenden Daten. Die datenschutzrechtliche Einwilligung des Betroffenen ist aber nach Ansicht des BAG keine Voraussetzung für die Durchführung. Der Arbeitgeber ist also gut beraten, auch bei einem bewussten den Ablauf störenden Arbeitnehmer das Verfahren so weit wie möglich durchzuführen und gegebenenfalls zu dokumentieren, an welchem Punkt das Verfahren konkret scheitert.

  • Der Arbeitgeber kann insoweit eine ärztliche Untersuchung gem. § 3 Abs. 4 TVöD anordnen, wenn eine begründete Veranlassung besteht, die Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten im Hinblick auf seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Das schafft auch schon eine gewisse Klarheit.
  • Die betrieblichen Auswirkungen der Krankheitszeiten sind sorgfältig zu dokumentieren:

    • Entstandene Entgeltfortzahlungskosten, aufgeschlüsselt nach Arbeitsunfähigkeitsperioden
    • Sonstige finanzielle Belastungen, z. B. für Aushilfen
    • Betriebsablaufstörungen – genau nach Datum und Ereignis, wie z. B. nicht rechtzeitige Fertigstellung von Aufgaben oder Mehrarbeitsbelastungen anderer Mitarbeiter
  • Bei einer Langzeiterkrankung besteht kein Risiko eines Annahmeverzugs für den Fall, dass der Rechtsstreit verloren wird! Sollte der Mitarbeiter im Rechtsstreit schlüssig seine absehbare Genesung vortragen, wird die Kündigung zurückgenommen und die weitere Entwicklung abgewartet. Ggf. wird – falls sich die Prognose nicht bewahrheitet – erneut gekündigt.
  • Bei häufigen Kurzerkrankungen kann es sinnvoll sein, dem Arbeitnehmer für die Dauer des Rechtsstreits eine Prozessbeschäftigung anzubieten, damit kein Annahmeverzug entsteht. Der Verlauf dieser Prozessbeschäftigung im Hinblick auf weitere Erkrankungen kann dann auch für eine evtl. notwendige zweite Kündigung Bedeutung haben.
  • Mit dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung wird oft zu lange gewartet, nämlich bis der Mitarbeiter unkündbar ist oder aber eine so lange Betriebszugehörigkeit hat, dass die Erwartungen an eine Abfindung sehr hoch sind, oder er tatsächlich keine Chance hat, noch eine adäquate neue Beschäftigung zu finden. Wenn die Voraussetzungen für eine krankheitsbedingte Kündigung vorliegen (und das bet...

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