Entscheidend ist für die Frage der Folgen eines Verstoßes des Arbeitgebers gegen die Verpflichtung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement das Verhältnis zur krankheitsbedingten Kündigung. Ein unterlassener Versuch der Konfliktlösung führt nicht per se zur Unwirksamkeit einer Kündigung, denn die Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist nach dem Gesetz keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung.[1] Der Pflichtverstoß ist jedoch bei Prüfung der Sozialwidrigkeit einer ausgesprochenen Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG zu berücksichtigen.[2] Soweit sich der Arbeitnehmer nicht auf den Kündigungsschutz des § 1 KSchG berufen kann, braucht ein Präventionsverfahren mangels Überprüfung der Kündigung auf ihre soziale Rechtfertigung nicht durchgeführt zu werden.[3]

§ 167 Abs. 2 SGB IX ist kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das betriebliche Eingliederungsmanagement ist nicht selbst ein milderes Mittel. Mit seiner Hilfe können aber mildere Mittel als die Kündigung, z. B. eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen – ggf. durch Umsetzungen freizumachenden – Arbeitsplatz, erkannt und entwickelt werden. Dabei wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht allein dadurch verletzt, dass kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt wurde. Es muss hinzukommen, dass überhaupt Möglichkeiten einer alternativen (Weiter-)Beschäftigung bestanden haben, die eine Kündigung vermieden hätten.[4]

Im Kündigungsschutzverfahren ist wie folgt zu unterscheiden:

Hat der Arbeitgeber entgegen seiner gesetzlichen Pflicht überhaupt kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt, darf er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung noch einnehmen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen – leidensgerechten – Arbeitsplatz ausscheiden. Er hat darzulegen, dass auch bei Einbeziehung der gemeinsamen Rehabilitationsträger keine Möglichkeit für eine (leidensgerechte) Weiterbeschäftigung gefunden worden wäre.

Erst dann ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.[5]

Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus § 167 Abs. 2 SGB IX ein Verfahren durchgeführt hat, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt (dazu oben 3.).[6] Hat der Beschäftigte einem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht zugestimmt, kann sich der Arbeitgeber darauf nur berufen, wenn er nachweisen kann, dass er von sich aus die Initiative gegenüber dem Beschäftigten zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements ergriffen hat. Dazu gehört insbesondere auch, dass der Arbeitgeber ordnungsgemäß über die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements und die dafür erhobenen Daten belehrt hat.

Hat der Beschäftigte sich auf die Aufforderung hin, an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement teilzunehmen, nicht gemeldet, muss der Arbeitgeber ggf, nachweisen, dass er ihn dazu aufgefordert hat.

 
Praxis-Tipp

Der Arbeitgeber sollte den Zugang des Einladungsschreibens zum betrieblichen Eingliederungsmanagement einschließlich der Belehrung nach § 167 Abs. 1 Satz 2 über die Datenerhebung und die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements dokumentieren. Es gelten die Empfehlungen bezüglich der Dokumentation des Zugangs einer Kündigung entsprechend.

Hat der Arbeitgeber das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt, ist wie folgt zu unterscheiden.

Sind Arbeitgeber und Interessenvertretung übereinstimmend zu der Auffassung gelangt, dass es keine Möglichkeiten gibt, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überwinden oder künftig zu vermeiden, genügt der Arbeitgeber seiner Darlegungslast nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG, wenn er auf diesen Umstand hinweist und behauptet, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten. Der nunmehr darlegungspflichtige Arbeitnehmer genügt seiner Darlegungslast grundsätzlich nicht dadurch, dass er auf alternative Beschäftigungsmöglichkeiten verweist, die während des betrieblichen Eingliederungsmanagements behandelt und verworfen worden sind. Auch der Verweis auf nicht behandelte Alternativen wird grundsätzlich ausgeschlossen sein. Der Arbeitnehmer muss diese bereits vorher einbringen.[7]

Hat das betriebliche Eingliederungsmanagement zu einem positiven Ergebnis i. S. v. geeigneten Möglichkeiten zur Verringerung der Krankh...

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