0 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Durch das Gesetz zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) ist die Befreiungsmöglichkeit mit Wirkung zum 30.3.2005 (Art. 32 Abs. 1 des Gesetzes) erweitert worden. Sie besteht nun, wenn die bewirtschaftete Grundstücksfläche bis zu maximal 0,25 ha (= 2.500 m2) beträgt, nachdem sie bis zum 29.3.2005 auf eine Grundstücksfläche von 0,12 ha begrenzt war.

Durch Art. 3 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 5.8.2010 (BGBl. I S. 1127) wurden die Lebenspartner nach dem LPartG nun gleichgestellt (vgl. § 33 SGB I). Die Änderung ist am 11.8.2010 in Kraft getreten (vgl. Art. 12 Satz 1 des Gesetzes). Es handelt sich um eine Folgeänderung zu der bereits bestehenden Versicherungspflicht für Lebenspartner von landwirtschaftlichen Unternehmern in der Vorschrift über die Versicherungsbefreiung (BT-Drs. 17/1684 Art. 3 Nr. 3 S. 17).

1 Allgemeines

 

Rz. 2

Die Vorschrift stellt eine Neuregelung dar, eine entsprechende Regelung war im bis zum 31.12.1996 geltenden Recht der RVO nicht enthalten. Die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht auf schriftlichen Antrag war bisher von der Rechtsprechung und Literatur nur im Rahmen der Versicherungspflicht kraft Satzung nach § 3 bejaht worden, soweit die Satzung dies vorsah.

 

Rz. 3

Die Norm enthält eine Befreiungsmöglichkeit für landwirtschaftliche Unternehmer, die kleine landwirtschaftliche Nutzflächen bis zu einer Fläche von 0,25 ha (2.500 m2) bewirtschaften. Sie hat den Charakter einer Härteklausel. Der Gesetzgeber ist der Auffassung, die pauschale Einbeziehung jeder landwirtschaftlichen Bodenbewirtschaftung (mit Ausnahme der Haus-, Zier- und Kleingärten nach § 123 Abs. 2) und die sich daraus ergebende Pflichtversicherung mit Beitragspflicht des Betriebes hätten in der Praxis zu Härten geführt (vgl. BT-Drs. 13/2204 S. 76/77 zu § 5).

2 Rechtspraxis

2.1 Keine flächenbezogene Unfallversicherungspflichtgrenze landwirtschaftlicher Unternehmen

 

Rz. 4

Die Befreiungsmöglichkeit nach § 5 setzt die Versicherungspflicht und damit das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Unternehmens in Abgrenzung zu Kleingärten, privater Gartennutzung und Hobby voraus. Die Rechtsprechung zur RVO hatte bisher keine Mindestgröße landwirtschaftlicher Unternehmen anerkannt, aber eine Bagatellgrenze bejaht, wenn der Umfang der Bodenbewirtschaftung eine arbeitsaufwandsbezogene Geringfügigkeitsgrenze unterschritt (BSG, Urteil v. 12.6.1989, 2 RU 175/88, HV-Info 1989 S. 2026; BSG, Urteil v. 31.1.1989, 2 RU 30/88, BSGE 64 S. 252; offengelassen: BSG, Urteil v. 6.5.2003, B 2 U 37/02 R, Die Beiträge, Beilage 2003 S. 347; BSG, Urteil v. 11.11.2003, B 2 U 51/02 R, n. v.; Sauer, SdL 1996 S. 15, 28). Die gesetzliche Systematik in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung spreche dafür, dass auch Zwergunternehmen versicherungspflichtig seien (BSG, Urteil v. 6.5.2003, B 2 U 37/02 R; BSG, Urteil v. 31.1.1989, 2 RU 30/88, BSGE 64 S. 252). Infolgedessen hat sie maßgeblich auf den Arbeitsaufwand der Bodenbewirtschaftung abgehoben.

Einerseits hat das BSG (Beschluss v. 25.10.1989, 2 RU 99/89, HV-Info 1990 S. 411) das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Unternehmens in dem Fall, dass auf einem 350 m2 großen Grundstück 7 alte Obstbäume (Ruinen) standen und das Gras gelegentlich gemäht wurde, ohne es weiter zu nutzen, verneint. Andererseits bejahte das BSG (BSG, Urteil v. 10.12.1957, 2 RU 320/55, SozR Nr. 1 zu § 915 RVO a. F.) das Bestehen eines landwirtschaftlichen Unternehmens bei einem Grundstück von 440 m², auf welchem eine Ziege, 5 Hühner und ein Schwein gehalten wurden und das gewonnene Fleisch eingekocht wurde. Die Praxis der Instanzgerichte und Unfallversicherungsträger folgte dieser Rechtsprechung (vgl. Sächsisches LSG, Urteil v. 22.5.2002, L 2 U 183/00, n. v.; Mell, in: Wannagat, SGB VII, § 123 Rz. 25; Graeff, in: Hauck, SGB VII, § 123 Rz. 14). Das Reichsversicherungsamt hat in seiner Rechtsprechung ab einer Obergrenze von maximal 2.500 m2 sogar die Annahme eines versicherungsfreien Hausgartens ausgeschlossen.

 

Rz. 5

Mit dem Urteil des BSG v. 7.12.2004 (B 2 U 43/03 R, SozR 4-2700 § 182 Nr. 1 Rz. 18 f.) wurde diese Rechtsprechung aufgegeben (vgl. auch Koch, jurisPR-SozR 17/2005 § 182 SGB VII). Aus § 5 ergibt sich, dass selbst kleinste Grundstücke, welche die Fläche von 0,25 ha unterschreiten, grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegen (ebenso: Fordey, jurisPK-SGB VII, Rz. 8). Die Notwendigkeit einer Bagatellgrenze, die mit dem Zweck der Unfallversicherung begründet worden war, sei angesichts der Befreiungsmöglichkeit nach § 5 und der Präzisierung des Begriffs "Kleingarten" in § 123 Abs. 2 Nr. 2 nicht mehr erforderlich. Es besteht daher nach der Rechtsprechung des BSG eine widerlegbare Vermutung der Unternehmereigenschaft.

 

Beratungshinweis:

Ist die Unternehmereigenschaft zweifelhaft, empfiehlt sich in der anwaltlichen Beratung das Begehren eines Negativatests beim zuständigen Unfallversicherungsträger, ggf. verbunden mit dem (vorsorglichen) Antrag auf Befreiung nach § 5, soweit die Unternehmereigen...

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