2.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

§ 54 gilt nur für subordinationsrechtliche Verträge(§ 53 Abs. 1 Satz 2). Vergleichsverträge im koordinationsrechtlichen Verhältnis sind nicht ausgeschlossen, unterliegen dagegen nicht den besonderen Schranken des § 54. Es ist ausreichend, dass die Vertragspartner über den betroffenen Gegenstand des öffentlichen Rechts verfügungsberechtigt sind.

 

Rz. 4

Auch Prozessvergleiche nach § 106 VwGO, § 101 SGG, die sowohl materielle als auch prozessuale Wirkungen entfalten (Doppelnatur), sind in ihrem materiellen Teil öffentlich-rechtliche Vergleichsverträge (BSG, Urteil v. 28.4.2004, B 6 KA 8/03 R). Die §§ 53 bis 61 sind allerdings auf Prozessvergleiche nicht unmittelbar anwendbar, weil sie nur für das Verwaltungsverfahren i. S. v. § 8 gelten. Die Frage ihrer analogen Anwendung hängt davon ab, inwieweit strengere prozessuale Förmlichkeiten entgegenstehen. Dies ist bei einem Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs aus verfahrensrechtlichen Gründen sowie über eine von Anfang an bestehende materiell-rechtliche Unwirksamkeit der Fall. In diesen Fällen sind prozessuale Vorschriften von Vorrang und deshalb ist der Rechtsstreit – auch zur Klärung dieser Verfahrensfrage – fortzusetzen (BGHZ 28 S. 171; BAG, NJW 1956 S. 1215; BVerwG, DVBl. 1962 S. 600). Fehlt es hingegen an der erforderlichen gerichtlichen Protokollierung bzw. an den Voraussetzungen gemäß § 278 Abs. 6 ZPO, liegt kein Prozessvergleich, sondern ein außergerichtlicher Vergleich vor. Die Vorschriften der §§ 53 bis 61 sind uneingeschränkt anwendbar (BSG, SozR 1500 § 101 Nr. 8).

2.2 Inhalt des Vertrags

 

Rz. 5

§ 54 betrifft die materiell-rechtliche Gestaltung des Vertrags, während sich die formelle Zulässigkeit nach § 53 richtet, so dass Vergleichsverträge nur zulässig sind, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei enthält Abs. 1 die Legaldefinition des Vergleichsvertrages und stellt insbesondere klar, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 2 erfüllt sein müssen (subordinationsrechtlicher Vertrag). In Abs. 2 wird die Beschränkung des § 53 Abs. 2 für Vergleichsverträge aufgehoben. Es ist also zulässig, einen Vergleichsvertrag auch über Sozialleistungen zu schließen, auf die ein Rechtsanspruch besteht.

 

Rz. 6

Bei subordinationsrechtlichen Vergleichsverträgen können Rechte und Pflichten nach öffentlichem und nach bürgerlichem Recht in die Regelung einbezogen werden, wenn sie nur in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vergleichsgegenstand stehen. Es müssen jedoch nicht alle zwischen den Beteiligten bestehenden Meinungsverschiedenheiten beigelegt werden, sondern es sind auch Teilvergleiche zulässig, soweit sie sich auf einen einer selbständigen Regelung zugänglichen Teil der insgesamt angestrebten Sachregelung beziehen und nicht nur einzelne unselbständige Elemente oder Vorfragen eines Verwaltungsrechtsverhältnisses betreffen (Kopp, VwVfG, § 55 Anm. 8 m. w. N.; BSG, Urteil v. 27.6.2017, B 2 U 14/15 R). Der Vergleichsvertrag kann auch unter Widerrufsvorbehalt geschlossen werden. Soweit der Widerruf nicht erklärt wird, wird der Vergleichsvertrag wirksam. Wenn und soweit ein Widerruf erfolgt, gilt der Vergleichsvertrag als nicht abgeschlossen und das Verwaltungsverfahren wird fortgeführt.

2.3 Ungewissheit der Sach- oder Rechtslage

 

Rz. 7

Die bloße Ungewissheit über die Sach- oder Rechtslage rechtfertigt noch nicht den Abschluss eines Vergleichsvertrages. Denn vorrangig hat die Behörde den Untersuchungsgrundsatz nach § 20 zu beachten, wonach sie von Amts wegen den Sachverhalt zu ermitteln, die materielle Wahrheit zu erforschen und dazu alle für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen festzustellen hat. Insoweit ist der Grundsatz der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG vorrangig. Davon kann gemäß Abs. 1 unter bestimmten Voraussetzungen abgesehen werden. Abs. 1 berechtigt die Behörde allerdings nicht, vollständig von den gegebenen Möglichkeiten, den Sachverhalt zu ermitteln, abzusehen. Erst nachdem die Behörde ihre Ermittlungspflicht in einem nach dem Einzelfalle gebotenen Umfange erfüllt hat, kann der Abschluss eines Vergleichsvertrages in Betracht kommen. Eine Ungewissheit des Sachverhalts liegt damit erst dann vor, wenn eine erhebliche Tatsache nicht bekannt und entweder nicht mehr oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand feststellbar ist. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn im Rahmen eines Prozesses bestimmte Beweisschwierigkeiten auftreten könnten. Eine solche Ungewissheit der Sachlage muss grundsätzlich bei allen Vertragspartnern bestehen, zumindest aber bei der Behörde, denn bei alleiniger Ungewissheit auf Seiten des Bürgers ist der Abschluss eines Vergleichsvertrages ausgeschlossen. Durch das Tatbestandsmerkmal "bei verständiger Würdigung des Sachverhalts" wird weiter eine gewisse Objektivierbarkeit der Ungewissheit gefordert. Sie muss aus der Sicht des objektiven Beobachters bestehen und darf nicht leicht zu beheben sein. Es ist also erforderlich, dass die Behörde im konkreten Falle unter pflichtgemäßer Abwägung des Für und Wider zu der Auffassung gelangt, dass eine weitere befrie...

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