Rz. 10

Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist ohne besondere Ermächtigung zulässig, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen (Abs. 1 Satz 1). Gesetzliche Vorschriften können dem öffentlich-rechtlichen Vertrag sowohl als Handlungsform als auch seinem Inhalt nach entgegenstehen (BT-Drs. 7/910 S. 79; Engelmann, in: v. Wulfen, SGB X, § 53 Rz. 15). Rechtsvorschriften, die dem öffentlich-rechtlichen Vertrag als Handlungsform entgegenstehen können, sind Verfassungsnormen, Gesetze, Rechtsverordnungen und allgemeine Rechtsgrundsätze des öffentlichen Rechts. Satzungen und Verwaltungsvorschriften kommen wegen des Vorrangs des Gesetzes als entgegenstehende Rechtsvorschriften nicht in Betracht (a. A. Tapper/Nielsson, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 53 Rz. 6, soweit die Satzung den öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht generell verbietet oder nur ausnahmsweise zulässt). Es ist nicht erforderlich, dass die in Frage kommende Rechtsvorschrift eine vertragliche Regelung ausdrücklich verbietet, vielmehr kann sich dies auch durch Auslegung des Gesamtinhaltes der Vorschrift ergeben. Eindeutige gesetzliche Einschränkungen für die Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages enthalten bereits die §§ 53 ff. (z. B. § 53 Abs. 2). Die Gesetzesauslegung wird häufig aber erst zu erkennen geben, ob der öffentlich-rechtliche Vertrag als Handlungsform ausgeschlossen ist. Die bloße Rede vom "Verwaltungsakt" wird häufig den Vertrag als Handlungsform nicht ausschließen, denn der Gesetzgeber hat lange Zeit nur diese Handlungsform berücksichtigt, ohne damit den öffentlich-rechtlichen Vertrag ausschließen zu wollen.

Soweit aber ein Gesetz ausdrücklich von Bescheiden oder Beschlüssen, die zu begründen sind, spricht und auf dagegen gegebene Rechtsmittel hinweist, wird die Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages regelmäßig ausgeschlossen sein (z. B. Feststellungen der Einzugsstelle gemäß § 28 h Abs. 2 SGB IV). Soweit eine Vorschrift das Tätigwerden einer Behörde ausschließt, ist auch die Handlungsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages obsolet.

 

Rz. 11

Auch die Zulässigkeit des Inhaltes des öffentlich-rechtlichen Vertrages bestimmt sich zunächst entsprechend der Bindung der Behörden an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) nach den materiell-rechtlichen Schranken, die Verfassung oder Gesetz ziehen. Der das Privatrecht beherrschende Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt im öffentlichen Recht nur mit den Einschränkungen, die den Behörden im Interesse der Allgemeinheit und des Einzelnen auferlegt sind (BT-Drs. 7/910 S. 79). Die Behörden haben insbesondere das Willkürverbot zu beachten, weil öffentlich-rechtliche Verträge stärker als privatrechtliche anfällig dafür sind, dass ein Machtgefälle ausgenutzt wird und infolgedessen nicht von einer echten Freiheit der Beteiligten gesprochen werden kann (BVerfG, Beschluss v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07). Es müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung, des Sozialstaates (BVerwGE 42 S. 149), des Schutzes von Ehe und Familie (BVerwG, DVBl. 1974 S. 849) und Verwaltungsvorschriften (BVerwGE 18 S. 120/123) berücksichtigt werden.

 

Rz. 12

Schlechthin ausgeschlossen sind öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Privatpersonen oder Körperschaften des privaten Rechts, denn diese können nicht über Gegenstände des öffentlichen Rechts verfügen und daher auch nicht Rechtsverhältnisse auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründen, ändern oder aufheben (soweit nicht die in Rz. 9 genannten engen Ausnahmetatbestände vorliegen). Entsprechendes gilt für öffentlich-rechtliche Verträge zwischen zwei Hoheitsträgern, also für koordinationsrechtliche Verträge, sofern diese Bindungswirkung gegenüber Dritten entfalten und diesen gegenüber wie gesetzliche Normen wirken sollen (vgl. dazu Rz. 4); auch solche Verträge bedürfen stets einer spezialgesetzlichen Ermächtigung (BT-Drs. 7/910 S. 79). Für Verträge zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen über erstattungsfähige ärztliche Leistungen enthalten die §§ 82ff. SGB V eine solche Ermächtigung.

Ein Verbot bezüglich des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages kann sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot ergeben, denn Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen.

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