2.2.1 Hoheitliche Maßnahmen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts

 

Rz. 9

Die Begriffsmerkmale hoheitliche Maßnahme oder Entscheidung einer Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts überschneiden sich, weil einseitig mögliche Regelungen gegenüber einem Dritten nur von Trägern hoheitlicher Gewalt, also Behörden, und damit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts möglich sind und mit der Übertragung einer solchen Befugnis (z. B. bei Beliehenen) die Behördeneigenschaft entsteht. Insoweit ist das Merkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" lediglich als Abgrenzung zu der privatrechtlichen fiskalischen Tätigkeit der Behörden zu verstehen. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass die Geltung des SGB X ohne­hin auf die Tätigkeit "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" (§ 1) beschränkt ist. Die Rechtsprechung knüpft bei der Frage der Abgrenzung von öffentlichem Recht und Privatrecht an das jeweilige Rechtsverhältnis an, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (BSG, Urteil v. 1.4.2009, B 14 SF 1/08 R; Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, § 31 Rz. 14). Entscheidend für die Abgrenzung ist, ob der Schwerpunkt der Streitsache vom öffentlichen Recht oder Privatrecht geprägt ist (BSG, Urteil v. 3.8.2011, B 11 SF 1/10 R). In Betracht kommt aber auch eine gesetzliche Bestimmung wie sie in § 69 SGB V enthalten ist. Verträge zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern und privaten Leistungserbringern sind gemäß § 69 SGB V dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Die Entscheidung des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes (GemSOGB, BGHZE 97 S. 312), die eine Zuordnung zum Privatrecht angenommen hat, ist aufgrund der danach erfolgten gesetzlichen Bestimmung gegenstandslos geworden.

 

Rz. 10

Die Hoheitlichkeit einer Maßnahme, für die Verfügung oder Entscheidung nur Unterbegriffe und Beispiele darstellen, beinhaltet, dass die Behörde einseitig und für den Betroffenen dann verbindlich Rechtsfolgen anordnet oder ausspricht. Dies hatte und hat insbesondere für eingreifende belastende Entscheidungen Bedeutung, setzt also ein Subordinationsverhältnis voraus. Ob ein solches Verhältnis der Rechtsunterworfenheit vorliegt und die Handlungsform des VA zulässt, bestimmen auch vom Umfang her die materiellen Rechtsvorschriften. Auch gegenüber und zwischen Behörden können daher hoheitliche Entscheidungen mit VA getroffen werden (z. B. BSG, Urteil v. 25.1.1995, 12 RK 72/93, zu Beitragsbescheiden der Krankenkasse gegenüber dem Reha-Träger). Dagegen können Zuständigkeitsfragen zwischen gleichgeordneten Versicherungsträgern nicht durch VA geregelt und entschieden werden. Ebenso sind in einem Gleichordnungsverhältnis eines öffentlich-rechtlichen Vertrages VA nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil v. 24.7.2003, B 3 KR 31/02 R).

2.2.2 Regelung eines Einzelfalles

 

Rz. 11

Die Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles dient einerseits der Abgrenzung gegenüber Rechtsetzungsakten (durch Gesetze, Verordnungen, Satzungen), die sich, außer durch die Form des Zustandekommens und die dafür zuständigen Institutionen, von VA durch ihre generelle und abstrakte Regelung unterscheiden. Mangels gesetzlicher Klarstellung, ob, worüber und in welchen Fällen überhaupt durch VA zu entscheiden ist oder entschieden werden kann, kann auch ein Rechtsetzungsakt selbst unmittelbar Rechtswirkungen haben, z. B. bei Neuregelungen und Änderungen der Pflichtversicherungstatbestände, die kraft Gesetzes entstehen oder wegfallen (vgl. z. B. Komm. zu § 5 SGB V, §§ 1 bis 4 SGB VI). Das Merkmal der Regelung eines Einzelfalles fehlt solchen Verlautbarungen einer Behörde. Der Regelungswille, der für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes unabdingbar ist, fehlt sowohl bei Realakten als auch beim schlichten Verwaltungshandeln. Die Regelung eines Einzelfalles ist auch dann anzunehmen, wenn der Verfügungssatz in der Form einer Bitte abgefasst ist.

 

Rz. 12

Abzugrenzen ist die Regelung durch VA von so genanntem schlichten Verwaltungshandeln, das keinen VA darstellt, weil davon nicht nur die Frage der Rechtsbehelfe, (weiteren) Bestandskraft und der notwendigen förmlichen Aufhebung nach §§ 44ff. abhängt, sondern dies auch für die rückwirkende Aufhebung und eine Rückforderung von Leistungen von Bedeutung ist. Wegen der Formfreiheit von VA ist die Abgrenzung zu schlichtem Verwaltungshandeln seit jeher umstritten, z. B. hinsichtlich der Frage der schlichten Krankengeldauszahlung als Schalterakt bei Vorlage des "Zahlscheins". Weiter reichende Folgen i. S. einer Interpretation als VA mit Dauerwirkung können wohl nur dadurch verhindert werden, dass zugleich oder zeitnah ein förmlicher Bescheid über die Bewilligung von Krankengeld für die Vergangenheit erlassen wird.

 

Rz. 13

In einer Erfüllungshandlung ist im Wege der Auslegung aus der Sicht des Betroffenen zugleich ein VA (als denkbare mögliche oder notwendige vorherige Entscheidung) zu sehen, der zugleich mit der Erfüllung bekannt gegeben wird (so z. B. BSG, Urteil v. 29.10.1992, 10 RKg 4/92, zur Auszahlung von Kindergeld). Dies erscheint insoweit problematisch, als § 50 bei der Rückforderung zwischen bescheidmäßigen und bescheidlosen L...

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