Rz. 37

Für Zeiten einer beruflichen Ausbildung ordnet Satz 1 Nr. 2 ebenfalls im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung die Berücksichtigung weiterer Entgeltpunkte an.

 

Rz. 38

Die Zeiten einer beruflichen Ausbildung sind begrifflich in § 54 Abs. 3 Satz 2 als beitragsgeminderte Zeiten erfasst. Der Begriff wird durch § 7 Abs. 2 SGB IV näher bestimmt. Berufsausbildung ist jede Beschäftigung, die zum Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen dient. Dies ist insbesondere bei einer beruflichen Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf im Rahmen rechtsverbindlicher Ausbildungsrichtlinien der Fall. Ziele und Begriffe der Berufsausbildung definiert insoweit § 1 BBiG; insbesondere in Abs. 3 findet sich eine weitergehende Definition des Begriffs Berufsausbildung; diese soll darauf abzielen, beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln (vgl. weitergehend auch GRA der DRV zu § 54 SGB VI, Stand: 15.2.2017, Anm. 3 ff.).

2.4.2.1 Bewertung mit 0,0833 Entgeltpunkten (Nr. 2 HS 1)

 

Rz. 39

Ausschließlich für die Ermittlung des Gesamtleistungswerts erhalten Zeiten einer Berufsausbildung (§ 7 Abs. 2 SGB IV) mindestens 0,0833 Entgeltpunkte je Kalendermonat und gelten insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten (Abs. 3 Nr. 2). Abs. 3 Satz 2 regelt, dass die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit bis zum vollendeten 25. Lebensjahr stets als Zeiten einer beruflichen Ausbildung gelten.

 

Rz. 40

Der Mindestwert von 0,0833 pro Kalendermonat – für nachgewiesene und fiktive Berufsausbildungszeiten – kommt allerdings nicht zum Tragen, sofern es sich hierbei zugleich um Kinderberücksichtigungszeiten handelt, die bereits nach Abs. 3 Nr. 1 um zusätzliche Entgeltpunkte auf einen Wert oberhalb des Durchschnittsverdienstes angehoben wurden.

"Mindestens 0,0833 Entgeltpunkte" bedeutet, dass die sich aus den Pflichtbeiträgen während der Berufsausbildung ergebenden tatsächlichen Entgeltpunkte (§ 70 Abs. 1) für die Gesamtleistungsbewertung auf diesen Monatswert anzuheben sind. Abs. 3 Nr. 2 findet folglich keine Anwendung, wenn der originäre Wert bereits 0,0833 erreicht.

 

Rz. 41

 
Praxis-Beispiel
 
Berufsausbildung 1.11.1996 bis 31.10.1999
Aus den Pflichtbeiträgen hierfür ergeben sich 2,3431 Entgeltpunkte.
Der Gesamtleistungsbewertung sind jedoch  
mindestens 36 × 0,0833 = 2,9988 Entgeltpunkte
zugrunde zu legen.  

2.4.2.2 Fiktion der vollwertigen Beitragszeit für Zeiten der beruflichen Ausbildung (Nr. 2 HS 2)

 

Rz. 42

Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2 ordnet für Zeiten der beruflichen Ausbildung eine Fiktion an. Danach gelten diese Zeiten im Zuge der Gesamtleistungsbewertung insoweit nicht als beitragsgeminderte Zeiten. Daher werden reine Zeiten der beruflichen Ausbildung im Zuge der Gesamtleistungsbewertung als vollwertige Beitragszeiten i. S. d. § 54 Abs. 1 Nr. 1 fingiert.

 

Rz. 43

Das hat insbesondere Auswirkungen auf die Vergleichsbewertung nach § 73; beitragsgeminderte Zeiten i. S. d. § 54 Abs. 1 Nr. 1b i. V. m. Abs. 3 Satz 1 bleiben nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bei der Vergleichsbewertung gerade außer Betracht.

 

Rz. 44

Ratio legis von § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2, der inhaltlich bereits durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) v. 25.9.1996 (BGBl. I S. 1461) in einem neuen Satz 3 des Abs. 1 eingefügt wurde und durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz v. 21.7.2004 (BGBl. I S. 1791) insoweit inhaltlich unverändert in Abs. 3 übernommen wurde (vgl. BT-Drs. 15/2149 S. 21), ist damit die Sicherstellung, dass auch dann ein angemessener Gesamtleistungswert ermittelt werden kann, wenn vollwertige Beitragszeiten nicht vorliegen (z. B. bei Eintritt der Erwerbsminderung schon während der beruflichen Ausbildung, vgl. BT.-Drs. 13/4610 S. 21).

 

Rz. 45

Zeiten der beruflichen Ausbildung werden daher bei der Vergleichsbewertung i. S. d. § 73 Abs. 1 grundsätzlich berücksichtigt, weil sie ausnahmsweise – und nur im Zuge der Gesamtleistungsbewertung – nach Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2 als vollwertige Zeiten gelten, weil § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 anordnet, dass Zeiten der beruflichen Ausbildung nicht als beitragsgeminderte Zeiten berücksichtigt werden. Daher greift § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 für Zeiten der beruflichen Ausbildung gerade nicht (vgl. auch Komm. zu § 73).

 

Rz. 46

Die Reichweite von § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2 ist jedoch beschränkt. Die Fiktion von Zeiten der beruflichen Ausbildung als vollwertige Beitragszeit stellt eine bereichsspezifische Ausnahmeregelung allein für das Bewertungsverfahren nach §§ 71 ff. dar und verdrängt insoweit als lex specialis Vorschrift ausschließlich § 54 Abs. 3 Satz 2 der grundsätzlich im Rahmen der rentenrechtlichen Begriffsbestimmungen der Arten der Zeiten im Rentenrecht anordnet, dass als beitragsgeminderte Zeiten Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für eine Berufsausbildung (Zeiten einer beruflichen Ausbildung) gelten. Bei § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 HS 2 handelt es sich aber nur um eine Ausnahmevorschrift für das Bewertungsverfahren. Die Fiktion des § 71 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ...

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