LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 14.1.2021, 5 Sa 267/19

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, jeden Arbeitnehmer anlasslos und gleichsam prophylaktisch auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen hinzuweisen. Solange er nicht weiß, dass der Arbeitnehmer ein schwerbehinderter Mensch ist, braucht er einen Zusatzurlaub nicht anzubieten.

Sachverhalt

Der Kläger, der seit Oktober 2014 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt war, war bei der Beklagten seit dem 22.8.2016 beschäftigt, hatte jedoch selbst sein Arbeitsverhältnis zum 15.2.2019 gekündigt. Da die Arbeitsvertragsparteien keine Vereinbarung über den Urlaub getroffen hatten, galt für den Kläger der gesetzliche Mindesturlaub. Nachdem der Kläger vergeblich von der Beklagten die Abgeltung von insgesamt 23 Urlaubstagen verlangt hatte, die er auf seinen Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen stützte, stritten nun die Parteien über den entsprechenden Abgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG. Allerdings konnte der Kläger im Verfahren nicht beweisen, dass der Beklagten die Schwerbehinderung bekannt gewesen war.

Die Entscheidung

Die Klage hatte vor dem LAG keinen Erfolg.

Das Gericht führte zwar aus, dass nach der Rechtsprechung des EuGH bzw. BAG der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub bei einer mit Art. 7 der Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG konformen Auslegung von § 7 BUrlG nur dann am Ende des Kalenderjahres bzw. eines zulässigen Übertragungszeitraums gem. § 7 Abs. 3 Sätze 2 und 4 BUrlG erlösche, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt habe, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen habe, da den Arbeitgeber die Initiativlast bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs treffe. Nach Auffassung des LAG fehlte es jedoch vorliegend an einer Grundlage dafür, dass die Beklagte Mitwirkungsobliegenheiten im Hinblick auf den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen habe nachkommen können bzw. müssen. Auch wenn nach der Rspr. des BAG (Urteil v. 22.1.2019 – 9 AZR 45/16) der Zusatzurlaubsanspruch das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs insbesondere hinsichtlich Entstehung, Übertragung, Kürzung und Abgeltung bzw. Hinweispflichten des Arbeitgebers (EuGH, 6.11.2018 – C-684/16) teile und dem Kläger als anerkannter schwerbehinderter Mensch grds. ein Anspruch auf Zusatzurlaub zustand, habe hier die Beklagte dem Kläger den gesetzlichen Zusatzurlaub nicht anbieten müssen, solange sie nicht wusste, dass dieser ein schwerbehinderter Mensch sei; denn eine anlasslose und gleichsam prophylaktische Hinweispflicht bzgl. des gesetzlichen Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen bestehe nach Auffassung des LAG nicht. Entscheidend war somit vorliegend, dass der Kläger die Kenntnis der Beklagten von seiner Schwerbehinderteneigenschaft nicht nachweisen konnte.

Hinweis:

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, sondern es wurde beim BAG Revision eingelegt (Az. 9 AZR 143/21).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt TVöD Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge