Beschäftigte sind verpflichtet, bei Streik Notdienstarbeiten zu leisten. Unter Notdienstarbeiten fallen Notstands- und Erhaltungsarbeiten.

1. Notdienstarbeiten

Notstandsarbeiten sind Arbeiten, die während eines Streiks durchgeführt werden müssen, um die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Diensten und Gütern sicherzustellen[1].

Hierzu gehört eine Grundversorgung, z. B. in folgenden Bereichen:

  • Öffentlicher Gesundheitsdienst
  • Wasser- und Energieversorgung
  • Nahverkehr
  • Feuerwehr, Friedhofswesen, Abfallbeseitigung, Abwasserentsorgung[2].
Erhaltungsarbeiten sind Arbeiten, die erforderlich sind, um während eines Streiks die Anlagen und Betriebsmittel so zu erhalten, dass nach Beendigung des Streiks die Arbeit fortgesetzt werden kann[3].

Erhaltungsarbeiten dienen nicht dazu, die Fortführung des Betriebs mit → Arbeitswilligen zu ermöglichen[4].

Welche Erhaltungsarbeiten zu diesem Zweck erforderlich sind, ist aufgrund der Gegebenheiten für jeden einzelnen Betrieb nach den objektiv vorliegenden Merkmalen zu beantworten, kann sich also mit Entwicklung und Dauer des Streikgeschehens ändern[5].

Erhaltungsmaßnahmen sind auch Arbeiten im öffentlichen Interesse, z. B. zur Sicherung von Anlagen, von denen ohne Sicherung Gefahren ausgehen können, sowie die Durchführung von Arbeiten, deren Sicherstellung dem Arbeitgeber durch öffentlichrechtliche Vorschriften aufgegeben ist.

[1] BAG, 31.1.1995, 1 AZR 142/94, AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[2] Vgl. Kissel, Arbeitskampfrecht, 2002, § 43, Rn. 123.
[3] BAG, 31.1.1995, 1 AZR 142/94, AP Nr. 135 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[4] BAG 30.3.1982, 1 AZR 265/80 – AP Nr. 74 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.
[5] ErfK/Linsenmaier, 2020, Art. 9 GG, Rn. 181ff.

2. Durchführung des Notdienstes

Regelmäßig wird die tatsächliche Ausgestaltung und Abwicklung von Notdienstarbeiten zwischen der Gewerkschaft bzw. der örtlichen Streikleitung und dem bestreikten Arbeitgeber in einer Notdienstvereinbarung geregelt.

Es sollte in jedem Fall versucht werden, schnell eine einvernehmliche Notdienstvereinbarung mit entsprechendem Aufgabenverteilungsplan abzuschließen. Falls dies nicht möglich ist, besteht eine Notkompetenz des Arbeitgebers, die im Rahmen billigen Ermessens nach § 315 BGB ausgeübt werden muss.

a) Notdienstvereinbarung

Wir empfehlen, eine schriftliche Notdienstvereinbarung entsprechend den Mustern im Anhang abzuschließen.

In der Notdienstvereinbarung, die zwischen der Gewerkschaft bzw. der örtlichen Streikleitung und dem Arbeitgeber abgeschlossen wird, werden die erforderlichen Dienste, Art und Anzahl der dafür vorgesehenen Beschäftigten bzw. Arbeitsgruppen festgelegt.

Die personelle Bestimmung der zum Notdienst verpflichteten Beschäftigten sollte, entsprechend einer Regelung in der Notdienstvereinbarung, dann durch die Führungskräfte erfolgen. Empfehlenswert ist es, vorrangig → Arbeitswillige heranzuziehen. Weiter sollte die Notdienstvereinbarung die Befugnis des Arbeitgebers beinhalten, für Verhinderungsfälle Vertretungen zu bestellen. Die Auswahl der Beschäftigten ist nach sachlichen, arbeitsplatzbezogenen Gesichtspunkten vorzunehmen[1].

Regelungen in Notdienstvereinbarungen, die arbeitswilligen Beschäftigten während eines Arbeitskampfes den Zutritt zur Verwaltung/ zum Betrieb versagen, sollten unbeschadet ihrer rechtlichen Zulässigkeit[2] nicht vereinbart werden. Derartige Regelungen führen zu einer nicht hinnehmbaren Einschränkung der Rechte des Arbeitgebers. Entsprechendes gilt auch für Regelungen, nach denen es dem Arbeitgeber untersagt wird, durch externe Dienste arbeitskampfbetroffene Leistungen innerhalb oder außerhalb der Verwaltung/des Betriebes zu erbringen.

Dass Streiks auch in Zeiten der COVID 19 Pandemie in Betrieben der Gesundheitsvorsorge möglich sind, hat das Arbeitsgericht Gießen mit Urteil vom 6. März 2020 im Wege einer einstweiligen Verfügung bestätigt. Das Arbeitsgericht hat klargestellt, dass für die Rechtmäßigkeit von Streiks in Betrieben der Gesundheitsvorsorge die Sicherstellung eines Notdienstes zwingend erforderlich ist, nicht aber unbedingt der Abschluss einer Notdienstvereinbarung. Für die Frage, ob die Gestaltung eines Notdienstes ausreichend für die Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Leistungen ist, ist der Arbeitgeber darlegungspflichtig.[3]

b) Verpflichtung zum Notdienst

Soweit Beschäftigte aufgrund einer Notdienstvereinbarung zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, sind die normalen arbeitsvertraglichen Arbeitspflichten maßgebend. Die Beschäftigten sind grundsätzlich zur Durchführung von Notdienstarbeiten, die auch in "unterwertigen" Tätigkeiten bestehen können, verpflichtet bei unverändertem Entgeltanspruch.

Es ist davon auszugehen, dass der Einsatz von → Beamten bei Notdienstarbeiten zulässig ist. Eine entsprechende dienstliche Weisung ist im Vergleich zum Einsatz streikwilliger Beschäftigter das mildere Mittel und verletzt weder die Kampfparität noch die staatliche Neutralität[4].

Lehnen es Beschäftigte ohne triftigen Grund ab, Notdienstarbeiten zu verrichten, liegt eine Arbeitspflichtverletzung vor, die zur Abm...

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